Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 227. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2021 29011 Vizepräsidentin Claudia Roth (A) b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Wie zeigt der Handel seine Liebe? Durch Fairness? (C) Berichts des Ausschusses für Ernährung und Beim Handel vor Ort bestimmt. Er kauft regional zu, er Landwirtschaft (10. Ausschuss) zu dem An- sucht die Partnerschaft mit dem Landwirt, mit dem trag der Abgeordneten Dr. Gero Clemens Bäcker, mit den Metzgern. Aber wie ist es bei den Groß- Hocker, Frank Sitta, Carina Konrad, weiterer en? Fairness? Augenhöhe? Nein. David tritt gegen Abgeordneter und der Fraktion der FDP Goliath an. Zehntausende von Produzenten gegen vier Riesen, die 85 Prozent des Marktes in der Hand halten Faire Bedingungen für Lebensmittel aus und immer noch mehr wollen. Dafür führen sie brutale deutscher Landwirtschaft im EU-Wettbe- Kämpfe auf dem Rücken von Landwirten und Lieferan- werb ten. Drucksachen 19/25794, 19/29386 Deshalb bauen wir heute für sie einen Schutzwall. Des- c) Beratung der Beschlussempfehlung und des halb haben wir den Gesetzentwurf der Bundesregierung Berichts des Ausschusses für Ernährung und noch einmal verschärft. Mein besonderer Dank gilt inso- Landwirtschaft (10. Ausschuss) zu dem An- weit unserem Berichterstatter Albert Stegemann, aber trag der Abgeordneten Stephan Protschka, auch unserer Kollegin Ursula Schulte. Peter Felser, Franziska Gminder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD Auf der schwarzen Verbotsliste stehen jetzt neben zum Beispiel kurzfristigen Stornierungen, einseitigen Ver- Deutsche Landwirtschaft stärken – Bäuer- tragsänderungen und kommerziellen Vergeltungsmaß- liche Familienbetriebe in Deutschland nahmen auch die Rückgabe von unverkauften Produkten nachhaltig schützen und erhalten und Listungsgebühren. Kein ehrbarer Kaufmann macht Drucksachen 19/27699, 19/28972 so etwas. Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt je ein Die graue Liste ist nur noch kurz. Denn welche Ver- Entschließungsantrag der Fraktion der AfD, der Fraktion einbarung sollte David gegen Goliath schon fair aushan- Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. deln können? Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten Zu den Davids gehören übrigens auch unsere Genos- beschlossen. senschaften. Eine Molkerei mit einem Inlandsumsatz von 3 Milliarden Euro klingt stark. Aber was ist das gegen die Ich bitte, jetzt hier im Haus wieder ein bisschen Ruhe Nummer eins des Handels mit einem Inlandsumsatz von einkehren zu lassen, und ich bitte die Kolleginnen und 67 Milliarden Euro? Kollegen, die an der Debatte teilnehmen wollen, Platz zu (B) nehmen. Die anderen mögen bitte rausgehen und draußen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (D) ihre Diskussionen fortführen. Deshalb haben wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die CDU/ dafür gekämpft, dass der Schutzbereich ausgeweitet wird. CSU-Fraktion Gitta Connemann. Das war uns besonders wichtig. Jetzt fallen eben auch die großen Erzeugergenossenschaften in den Bereichen Obst, (Beifall bei der CDU/CSU) Milch, Fleisch und Gemüse mit einem Umsatz von bis zu 4 Milliarden Euro darunter, und das ist gut so. Gitta Connemann (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir lie- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) ben Lebensmittel: Diesen Satz kann sicherlich jeder von Bei Verstößen drohen drakonische Bußen. Der Schutz- uns unterzeichnen. Denn wer liebt keine Lebensmittel? wall steht. Jeder will genießen, jeder will essen, jeder will sich gesund ernähren. Alles das ist möglich mit Lebensmitteln Und was haben die Verbraucher davon? Am Ende aus Deutschland. alles. Wenn die Erzeuger nicht fair behandelt werden, sterben Höfe und Betriebe – und mit ihnen die allerhöchs- Noch nie waren diese so sicher wie heute; das bestätigt ten Standards, die bei uns in diesem Land gelten. das Bundesinstitut für Risikobewertung. Noch nie wurde ihnen so vertraut wie heute, und zwar weltweit. Lebens- Ein Beispiel gefällig? Früher wurden in Deutschland mittel made in Germany sind heiß begehrt. Gänse gehalten, aber nicht fair bezahlt. Heute kommen sie zum Beispiel aus Frankreich. Dort werden sie qualvoll (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) mit einem Metallstab gestopft – auf das Zehnfache ihres Aber wie zeigt sich diese Liebe? Durch das Verhalten Normalgewichts. Die Daunen kommen übrigens aus Chi- an der Kasse? Nein. In kaum einem Land wird weniger na. Dort werden Gänse bei lebendigem Leib gerupft. für Essen und Trinken ausgegeben als in Deutschland – In Deutschland sind diese tierquälerischen Techniken knapp 10 Prozent des Haushaltseinkommens. Ramsch- schon lange verboten. Deshalb haben wir bei uns bereits preise machen es möglich, zum Beispiel morgen: 1 Kilo heute höchste Tierwohlstandards. Das Beste für Tier und Schweinenacken für 3,99 Euro. Gesundheit kommt also von unseren Landwirten und un- Was nichts kostet, scheint nichts wert zu sein. Im seren Lebensmittelproduzenten. Schnitt wirft jeder Verbraucher 76 Kilo pro Jahr in den (Beifall bei der CDU/CSU) Müll – insgesamt 6,1 Millionen Tonnen an Energie, an CO2. Alles zu gut für die Tonne! Deshalb ist dieses Gesetz so wichtig; denn es schützt sie. 29012 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 227. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Mai 2021 Gitta Connemann (A) Den Kampf auf europäischer Ebene für diesen Entwurf ken mit Bußgeldern zu ahnden. Im Gegensatz dazu muss (C) hat unsere Ministerin geführt. Insoweit: Herzlichen Dank die BLE für die neue Aufgabe erst aufwendig hochge- an Julia Klöckner! rüstet werden. Dadurch können am Ende sogar teure (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Doppelstrukturen entstehen. Wir wollen noch mehr: Wir brauchen zwingend eine Die AfD-Fraktion begrüßt, dass durch die Einarbei- Herkunftskennzeichnung – europäisch verbindlich und tung der UTP-Richtlinie in das Agrarmarktstrukturgesetz verpflichtend. Jeder soll erkennen können, woher die unlautere Handelspraktiken weitergehend als bisher Lebensmittel kommen, damit am Ende jeder in diesem unterbunden werden sollen. Das neue Gesetz ändert Land unter Beweis stellen kann: Ich liebe Lebensmittel. aber nichts an der Machtkonzentration und an wenig geballten Abnahmestrukturen der Landwirtschaft gegen- Wir tun es. Stimmen Sie deshalb unserem Gesetzent- über Ernährungsindustrie und Handel. Ganz im Gegen- wurf zu! teil: In der Anhörung wurde unsere Befürchtung bestä- Vielen Dank. tigt, der Preisdruck auf die Bauern könnte sich durch diese Gesetzgebung noch erhöhen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der AfD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Wenn man die Machtstellung der landwirtschaftlichen Vielen Dank, Gitta Connemann. – Nächster Redner: Betriebe stärken will – hier wiederhole ich unseren für die AfD-Fraktion Wilhelm von Gottberg. Appell vom 27. Januar –, muss man auf der Angebots- (Beifall bei der AfD) seite stärker bündeln. Genau in diese Richtung geht unser hier ebenfalls abzustimmender Antrag, den alle anderen Fraktionen aber offenbar ablehnen. Wilhelm von Gottberg (AfD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Abschließend: Das Gesetz ist im Hinblick auf die EU- Ministerin Klöckner! Frau Ministerin, Sie haben bei der Vorgabe zur Umsetzung fast eine Woche überfällig – ein Einbringung des Gesetzes am 27. Januar 2021 einleitend Armutszeugnis. Auch der holprige Weg der Gesetzge- ausgeführt – ich zitiere –: bung gerade bei diesem Gesetz ist beachtenswert. Begrü- ßenswert sind die Einrichtung einer Ombudsstelle und Ein menschenwürdiges Einkommen, faire Preise für das Anheben der Bußgeldobergrenze auf bis zu die Bauernfamilien müssen selbstverständlich sein. 750 000 Euro. Der Anwendungsbereich erfasst nun Es geht … um Fairplay im und am Markt. Milch- und Fleischprodukte, Obst, Gemüse und Garten- Sie wollen mit dem nunmehr nachgebesserten Gesetz- bauprodukte sowie Kartoffeln. Die Umsatzgrenze wurde (B) (D) entwurf die Position der Bauernfamilien gegenüber dem auf Unternehmen bis zu 4 Milliarden Euro Umsatz hoch- Einzelhandel stärken, um bessere Erlöse und mehr Fair- geschleust. Das ist ein anerkennenswertes Signal. play am Markt durchzusetzen. Ihre Absicht ist anerken- Das teilweise Hinausgehen über den Umfang der EU- nenswert. Die Erfolgsaussichten sind aber sehr gering. Richtlinie sehen das Bundeskartellamt und die Bundes- Die AfD-Fraktion hat die Expertenbefragung zu die- rechtsanwaltskammer kritisch. Dem schließen wir uns an. sem Gesetz bereits in der ersten Lesung sehr begrüßt und Die Umsetzung der UTP-Richtlinie in nationales Recht am 22. Februar 2021 entsprechend genau verfolgt. Die können und wollen wir nicht verhindern. Andernfalls Anhörung brachte gute Erkenntnisse, und offenbar weck- würde gegen geltendes EU-Recht verstoßen. te sie auch bei der Koalition die Einsicht: Der Gesetzent- wurf ist zu modifizieren, ist nachzubessern. – Wir stellen Danke. aber fest, dass die Expertenempfehlungen wenig Beach- (Beifall bei der AfD) tung gefunden haben. (Beifall bei der AfD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Zugestanden sei: Das Thema ist vielschichtig und nicht Danke schön, Wilhelm vom Gottberg. – Nächste Red- einfach zu bewerten. – Die zahlreichen Änderungswün- nerin: für die SPD-Fraktion Ursula Schulte. sche des Bundesrates belegen dies. (Beifall bei der SPD) Das Resümee der Expertenanhörung bleibt eindrück- lich: unnötige Kosten und sinnloses Bewegen von Ursula Schulte (SPD): Papier. – Wir gratulieren der Regierungskoalition zu die- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau sem Erfolg. Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der (Beifall bei Abgeordneten
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