Die neue Dauerausstellung im Bundesarchiv-Militärarchiv Im Zuge der konzeptionellen Vorbereitung des „Tages der Archive“ im Bundesarchiv- Militärarchiv erschien es dem zuständigen Projektteam erforderlich, die bestehende Dauerausstellung im Untergeschoss des Benutzungszentrums neu zu gestalten. Diese sollte am „Tag der Archive“ erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Notwendigkeit einer Dauerausstellung liegt zum einen in der Bedeutung des Militärarchivs an sich, zum andern im hohen Besucheraufkommen. Regelmäßig werden sowohl Studenten als auch Besuchergruppen von Einheiten und Dienst- stellen der Bundeswehr durch die Abteilung geführt. Die hierfür vorhandenen, an die jeweilige Klientel angepassten PowerPoint-Vorträge ermöglichen zwar eine grund- sätzliche Faktenvermittlung zu Aufgaben, Arbeitsweise und Organisation des Militär- archivs, eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den Beständen ist dabei jedoch nicht möglich. Auch die bestehende, in den Jahren 1996/97 gestaltete Dauerausstellung genügte diesen Anforderungen nicht. Runderneuerung Die Neugestaltung der Dauerausstellung erforderte eine völlige Neukonzeption der eigentlichen Ausstellung und die Neugestaltung von Ausstellungsraum, Vitrinen und Schautafeln. Dies alles musste mit geringen finanziellen Mitteln realisiert werden. Um der neuen Ausstellung einen angemessenen Rahmen zu geben, war auch ein Neuanstrich des Raumes nötig. Angelehnt an das „Corporate Design“ des Bundes- archivs wurde für den Bezug der Vitrinen und Schautafeln ein dunkelblauer Dekomolton-Stoff gewählt. Die aus Hartschaumplatten gefertigten Schautafeln wurden zusätzlich von zum Stoff farbgleichen Holzleisten eingefasst. In einem letzten Schritt wurden für die Uniformen, die der Abgrenzung der einzelnen Zeitabschnitte dienen sollten, Podeste aus Holz gefertigt. Ziel war es, die aus der alten Daueraus- stellung übernommenen Uniformpuppen besser zur Geltung zu bringen. Ein neues Raumkonzept wurde erarbeitet, welches eine bewusste Reduktion der Vitrinen vorsah. Die bisherige Zahl der Vitrinen konnte bei einem stringenten Aufbau und einer überlegten Befüllung verringert werden. Der erste Schritt zur Neukonzeption der eigentlichen Ausstellung war die Erstellung von Leittexten: Nach einem einführenden Plakat, das allgemein die Aufgaben des Bundesarchiv-Militärarchivs benennt, folgen Tafeln zu folgenden Zeitabschnitten: - Deutsches Militärwesen vor 1867 - Norddeutscher Bund 1867-1871 - Deutsches Reich 1871-1918 - Deutsches Reich 1919-1932 - Deutsches Reich 1933-1945 - Nachkriegszeit 1945-1949 - Bundesrepublik Deutschland 1949-1990 - Deutsche Demokratische Republik 1949-1990 - Bundesrepublik Deutschland ab 1990 Die Texte liefern zum einen militärgeschichtliche Basisinformationen, zum andern verweisen sie auf die im Militärarchiv vorhandenen benutzbaren Bestände. Auf Mitteilungen aus dem Bundesarchiv Heft 2/2004 - 1 - interpretierende Hinweise und Erläuterungen zu den Ausstellungsstücken wurde hingegen verzichtet. Die Dokumente wurden lediglich mit einer kurzen Inhaltsangabe und der Signatur versehen. Die Ausstellung führt den Besucher vom Eingang rechts chronologisch an den Schautafeln entlang, beginnend mit dem Einführungstext. Thematisch aufeinander abgestimmt wurden unter den Schautafeln die zugehörigen Vitrinen aufgestellt und befüllt. Die Qual der Wahl Die zeitlich aufwendigste Arbeit bestand in der Sichtung der in Frage kommenden Dokumente. Als Grundlage hierfür wurde anhand der einschlägigen Literatur eine Liste von Ereignissen, die thematisiert werden sollten, erstellt. Diese Liste wurde im Juli an alle Referate mit der Bitte um entsprechende Signaturen, Findmittelangaben oder weitere Hinweise gegeben. Anhand der eingegangenen Vorschläge wurden im August etwa 600 Archivalien vom Projektteam ausgehoben, tabellarisch erfasst und mit einer projektinternen Nummer versehen. Ende August/Anfang September erfolgte deren Sichtung und Prüfung auf Verwertbarkeit. Grundsätzlich ist zu bemerken, dass es nur theoretisch möglich gewesen wäre, hiermit früher zu beginnen, da es sich bei den ausgewählten Archivalien um häufig benutzte Dokumente handelte, Benutzungen aber nicht behindert werden durften. Es war daher unabdingbar, diese Arbeiten zeitnah zur Fertigung der Faksimiles durch- zuführen. Auch um einen Gesamtüberlick zu erhalten, war es sinnvoll, zum Vergleich und zur besseren Abstimmung die ausgewählten Akten eine gewisse Zeitlang gleich- zeitig zur Verfügung zu haben. Insgesamt wählte das Projektteam etwa 200 Dokumente und Fotografien aus. Diese wurden mit privaten Geräten digital aufgenommen und bearbeitet. Eine Woche vor dem Eröffnungstermin begann planmäßig der Ausdruck der Faksimiles, die von der Restaurierungswerkstatt auf unterschiedliche Trägermaterialien aufgezogen wurden. Wegen der klimatisch schlechten Bedingungen im Ausstellungsraum liefen dort bereits seit Juli Versuche mit verschiedenen Materialien zur Anbringung von klein- und großformatigen Dokumenten. Das Projektteam entschied sich, die auf normalem Papier ausgedruckten Dokumente für die Vitrinen auf Karton aufziehen zu lassen, wobei hierfür mehrere Tage Trockenzeit zu berücksichtigen waren. Die Dokumente für die Schautafeln und die großformatigen Schautafel-Texte wurden auf Filmoplast- P-Folie aufgezogen, um das Gewicht so gering wie möglich zu halten. Die auf Foto- papier ausgedruckten Fotografien wurden mittels Hartschaumplatten stabilisiert. Alle Ausstellungsstücke, Schautafel-Texte und Signaturschilder wurden schließlich mit doppelseitigem Klebeband in den Vitrinen fixiert bzw. auf den Schautafeln ange- bracht. Zur besseren Lesbarkeit und räumlichen Auflockerung wurden in den Vitrinen einzelne Stücke mittels Unterlegrollen angehoben. Grundgedanke des Ausstellungskonzeptes ist, die deutsche Militärgeschichte anhand der Bestände des Militärarchivs darzustellen. Es sollte keine Präsentation der deutschen Militärgeschichte an sich versucht werden. Deshalb ergaben sich bestandsbezogene Schwerpunkte: So beschränkt sich zum Beispiel die Überliefe- ung des deutschen Militärwesens vor 1867 in der Abteilung Militärarchiv im wesentlichen auf das Marinewesen. Ganz im Gegensatz dazu gestaltete sich die Auswahl von Dokumenten zur Zeit des Kaiserreichs: Aufgrund der Fülle der Unterlagen zu den deutschen Kolonien etwa bot sich hier eine Schwerpunktbildung, insbesondere zu Tsingtau, an. Dagegen waren die Freikorps weit schwieriger zu Mitteilungen aus dem Bundesarchiv Heft 2/2004 - 2 - thematisieren, weshalb hier nur ein Plakat und ein Dokument ausgewählt wurden. Ähnlich verhielt es sich mit der Waffen-SS, für die nur ein Dokument - allerdings von zentraler Bedeutung - ausgewählt wurde. Im Bundeswehr-Bereich konnten manch wichtige und in der Öffentlichkeit bekannte Themen nur angedeutet werden. Die Starfighter-Affäre wurde nur am Rande behandelt, da die Mehrzahl der Unterlagen noch Schutzfristen unterliegen. Dies konnte durch die Thematisierung der HS-30-Affäre kompensiert werden. Aufgrund der umfangreichen entsprechenden Unterlagen wurde auch der Bereich der militärischen Ausrüstungshilfe der Bundeswehr für Afrika dargestellt. Aktivitäten der Bundeswehr seit 1990 wiederum fallen noch in den Geltungsbereich der 30-Jahresfrist. Durch vom Bundesministerium der Verteidigung autorisierte Fotografien verschiedener Auslandseinsätze der Bundeswehr konnte dieses Problem jedoch ein wenig umgangen werden. Textlich wird dieser Bereich durch die Auflösung der NVA und die Übernahme der Kommandogewalt im Beitrittsgebiet thematisiert. Generell erwiesen sich die Nachlässe bei der Konzeption der Ausstellung als äußerst ergiebig und wurden ihrer Funktion als Ergänzung des staatlichen Schriftgutes voll gerecht. Reaktionen Die Besucherreaktionen (wie auch die der eigenen Kollegen) waren überwiegend positiv. Grundsätzlich erstreckte sich das Interesse der Besucher hauptsächlich auf die Zeit vor 1945. Einzelne Bereiche waren hier für manche Besucher weitestgehend neu, so etwa die bis 1848 zurückreichende deutsche Marine-Tradition. Die Fotografien deutscher bzw. preußischer Segel-Kriegsschiffe aus den 1860er Jahren fanden viele Bewunderer, ebenso die Fotografien von Tsingtau und Daressalam. Auch die Darstellung der deutschen kolonialen Vergangenheit fand viel Aufmerksamkeit, die eigens angefertigten historischen Karten lieferten hier eine für viele Besucher nötige grundsätzliche Vermittlung von Basisfakten. Bewusst wurden auch schwierige Aspekte angesprochen, von drakonischen Strafmaßnahmen im besetzten Belgien 1915 bis zur Meldung einer Wehrmachtseinheit über fünfzig hingerichtete Geiseln 1941. Beim 20. Juli 1944 wurden sowohl die Verschwörer und ihr Vorhaben präsentiert, als auch Glückwünsche herausgehobener Offiziere an Hitler nach Bekanntwerden des Scheiterns. Auch die Ambivalenz der Stalingrader Kapitulation sollte deutlich werden. Bilder vom Vorgehen auf Stalingrad und von der späteren Kapitulation stehen neben der Anweisung General von Reichenaus zum „Verhalten im Ostraum“. Ausgehend von entsprechenden Wünschen und Nachfragen der Besucher sollte die neue Dauerausstellung auch in Zukunft zugänglich bleiben. Es wird überlegt, ent- sprechende Hinweise im Eingangsbereich anzubringen, die Benutzersaalaufsicht könnte den Ausstellungsraum aufschließen. Ein großes, regelmäßiges Besucher- aufkommen ist eher nicht zu erwarten, die Regel werden die anwesenden Benutzer und vor allem die sonstigen Gäste des Militärarchivs bleiben. Doch ist es nicht auszu-schließen, dass der eine oder andere Besucher, vielleicht von Benutzern, Führungsgästen oder Praktikanten
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