Neues Zum Bau Der Raetischen Mauer

Neues Zum Bau Der Raetischen Mauer

10. JAHRGANG · 2016 · HEFT 2 NACHRICHTENBLATT DER DEUTSCHEN LIMESKOMMISSION Römische Militärausrüstung der Markomannen- kriege · Kastell Divitia. Planung am Reißbrett · Gra- bungen in Groß-Gerau · Germanische Besiedlungs- muster und römische Erschließungsstrategien · Getreide für Roms Soldaten · Archäologische For- schungen am Raetischen Limes bei Zandt NEUES ZUM BAU DER RAETISCHEN MAUER ARCHÄOLOGISCHE FORSCHUNGEN AM RAETISCHEN LIMES BEI ZANDT IM KÖSCHINGER FORST Welches Baumaterial wurde auf den Hochflächen der Frankenalb zum Mauerbau verwendet und welche Ressourcen wurden dafür genutzt? War außer den Steintürmen und -kastellen am Raetischen Limes auch die Grenzmauer verputzt? Und wie hat man sich die Bauabfolge von Palisade und Graben zur Limesmauer konkret vorzustellen? Diesem nach wie vor nur eingeschränkt geklärten Fragenkomplex widmeten sich die jüngsten Feldforschungen der Universität Bamberg in Kooperation mit der Römisch-Germanischen Kommission und dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege bei Zandt im Landkreis Eichstätt. VON JULIA KOCH, FABIEN GRIESSEL, CLAUS-MICHAEL HÜSSEN, KATJA KOTHIERINGER UND MAX RAHRIG Als im Jahr 1814 in der Gegend um Denkendorf viel- spruch. Bereits im Jahr 1818 unternahm der Regens- fach Steine der Limesmauer gebrochen wurden, burger Pfarrer und Geschichtsprofessor Andreas Mainz berichtete der spätere Eichstätter Pfarrer Franz Buchner einen Fußmarsch von der Donau bis Kip- Anton Mayer aus Gelbelsee, dass sich hierbei nicht fenberg. In seinem Bericht „Reise auf der Teufels- Regensburg die mindeste Spur von Kalk gefunden habe. Wäh- mauer“ rühmte er die Grenzmauer als großartiges Straßburg rend er 16 Jahre an der Landmarkung gewohnt und Römerwerk: „[…] dass sie gemauert und die Mauer- Zandt diese ununterbrochen und Schritt für Schritt be- steine mit einer Art Mörtel zusammengekittet wa- reist habe und die Grenzmauer über manche Stre- ren, davon kann sich jeder, welcher diesen Grund cken gar ausgraben ließ, habe er „[…] nirgend eine untersucht, überzeugen“. Da sich die Reichs-Limes- Vertiefung des Grundes, nirgend einen Mörtel, nir- kommission vor knapp 120 Jahren am östlichen Ab- gend eine Spur eines ordentlichen Mauerwerkes schnitt des Raetischen Limes jedoch zumeist auf […]“ angetroffen. oberflächliche Schürfungen beschränkte, ließen Die detaillierten Schilderungen Mayers blieben seit sich Fragen hinsichtlich der lokalen Bauweise bis- dem frühen 19. Jahrhundert nicht ohne Wider- lang kaum beantworten. e Zandt. Verlauf des Limes mit Eintrag des Grabungsschnittes (7 m × 35 m) auf dem Fuchsberg und der Bohr- sondagen im Zandter Grund. Kartengrundlagen: Topographische Karte und digitales Orthofoto im Maßstab 33 SEITE 1:10 000, digitales Geländemodell, Gitterweite 1,0 m, genordete Aufsicht. Köschinger Forst. Grabungsfläche auf dem Fuchsberg nach der Aufnahme durch Airborne Laserscan im digi- talen Geländemodell. Im Oberflächenrelief deutlich erkennbar sind der Palisadengraben im Norden und der Schuttwall der Limesmauer im Süden, dazwischen die Materialentnahmegruben. Nordwestlich der Grabungs- fläche der Umfassungsgraben und die Pfostengruben der Holzturmstelle sowie das Fundament des steinernen Wachtturmes 15/15. Kartengrundlage: digitales Geländemodell, Gitterweite 0,5 m, genordete Aufsicht. ARCHÄOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN OPUS SPICATUM AUF DER SÜDLICHEN AM LIMES IM KÖSCHINGER FORST FRANKENALB Nach der Aufnahme des Obergermanisch-Raeti- Unter dem dünnen Waldboden bildete der Versturz schen Limes in die Liste des UNESCO-Welterbes der Limesmauer einen bis zu 4 m breiten und knapp wurde die bayerische Limesstrecke in den Jahren 80 cm hohen Schuttwall. Eine Konzentration des 2006 bis 2008 im Auftrag des Bayerischen Landes- Mauerversturzes fand sich an der nördlichen Mau- amtes für Denkmalpflege mittels Airborne Laser- erwange, die, durch diesen Steinschutt vor neuzeit- scanning (ALS) systematisch dokumentiert. Die lichem Steinraub geschützt, bis zu einer Höhe von Auswertung der Laserscandaten ermöglichte ins- maximal 85 cm unversehrt geblieben war. Mehrere besondere im Bereich von dicht bewachsenen Steinlagen des im Frankenjura lokal anstehenden Waldgebieten erstmals eine Erfassung des Oberflä- Plattenkalkes waren in der nördlichen Mauerscha- chenreliefs des Schuttwalls der Raetischen Mauer, le erhalten, wobei die Kalkplatten in Fischgrättech- in den Ausläufern der Frankenalb ergaben sich da- nik (opus spicatum) trocken aufgeschichtet worden rüber hinaus Hinweise auf Materialentnahmegru- waren. Der Mauerfuß von 1,50 m Breite – d. h. ca. 5 ben. Für Letztere stellt sich die Frage, ob sie im römischen Fuß – lagerte ohne Fundamentierung Zuge der letzten Ausbauphase des Limes zur stei- auf dem rötlich-braunen Alblehm, der als Verwitte- nernen Grenzmauer angelegt wurden. Der nach rungsprodukt des Zandter Schiefers das Hügelpla- Ausweis der ALS-Daten einzigartige Erhaltungszu- teau des Fuchsbergs überdeckt. Das sich in 85 cm stand des Limes auf dem Fuchsberg bei Zandt (Gde. Höhe auf 1,40 m Breite verjüngende Schalenmauer- Denkendorf, Lkr. Eichstätt) zwischen den Wacht- werk bestand im Kern aus lehmgebundenen Bruch- türmen 15/15 und 15/16 ließ erwarten, dass sich hier steinen des fein geschichtet anstehenden Platten- zentrale baugeschichtliche Fragestellungen durch kalkes unter Einschluss von Eisenschlacken, Holz- die Anwendung interdisziplinärer Methoden be- kohlen und Kalkbrocken, deren vereinzeltes antworten lassen würden. Vorkommen zu einer Deutung als Mörtelreste im Im Rahmen einer Lehr- und Forschungsgrabung Bereich der Limesmauer geführt haben dürfte. Die der Professur für Archäologie der Römischen Pro- Abbauspuren in den archäologisch erstmals unter- vinzen der Universität Bamberg in Kooperation mit suchten Materialentnahmegruben legen nahe, dass der Römisch-Germanischen Kommission des Deut- der Baustoff an diesem ausschließlich in Trocken- schen Archäologischen Instituts und dem Bayeri- bauweise errichteten Abschnitt der Raetischen Li- schen Landesamt für Denkmalpflege wurde diesen mesmauer unmittelbar vor Ort durch Abtrag des Fragen nachgegangen. lokalen Felsgesteins gewonnen worden war. 34 FORSCHUNG Der Limes 10/2016 Heft 2 SEITE VOM PALISADENGRABEN ZUM LEHM IN DER TROCKENMAUER DES STEINBRUCH LIMES Dass hier der geologische Untergrund eine weitere Der durch die Entnahmegruben bedingte Baustel- natürliche Rohstoffquelle darstellte, dürfte dem rö- lencharakter der Limeslinie auf dem Fuchsberg fand mischen Militär spätestens nach der Abholzung seine Entsprechung im Tal in den offenen Lehm- des Waldbestandes zur Errichtung der Holztürme entnahmestellen. Die vermuteten Materialentnah- und der Palisade (um 160/165 n. Chr.) bekannt gewe- megruben im Bereich des Palisadengrabens im sen sein: Nach dem Grabungsbefund auf dem Fels- Zandter Grund zwischen den Wachtposten 15/13 plateau des Zandter Fuchsbergs wurde der steil- und 15/14 in etwa 1,5 km Entfernung (Luftlinie) vom wandige Palisadengraben nahezu vertikal über Fuchsberg sind nach der Durchführung minimal- eine Tiefe von 1,20 m in den anstehenden Weißjura- invasiver Bohrsondagen seitens der Professur für Plattenkalk eingetrieben. Um den Holzpfählen der Informationsverarbeitung in der Geoarchäologie Palisade eine ausreichende Stabilität zu verleihen, der Universität Bamberg erstmals gesichert als wurden diese vermutlich durch Querhölzer und Lehmentnahmegruben anzusprechen. Erste Er- Keilsteine der lokal ausgebrochenen, in Bänken an- gebnisse aus der Analyse von bodenphysikalischen stehenden Kalkschichten in dem 40 cm breiten und -chemischen Standardgrößen wie Bodenart, Fundamentgraben stabilisiert. Nach der Position ei- pH-Wert und Kalkgehalt lassen darauf schließen, niger Materialentnahmegruben zu urteilen, erfolg- dass das überwiegend schluffig-lehmige Bodenma- te die Materialgewinnung im Zuge des Grenzaus- terial aus den Gruben als Bindemittel in dem unter- baus in Stein (vermutlich um 207 n. Chr.) möglicher- suchten Abschnitt der Trockenmauer auf dem weise zunächst im Bereich des brachliegenden Fuchsberg verwendet wurde. 14C-Untersuchungen Palisadengrabens. Die Ausweitung des Abbaure- der Holzkohlen aus den Grubenfüllungen datieren viers durch die Anlage von mehreren, vermutlich die allmähliche Wiederverfüllung der Gruben wie durch verschiedene Werktrupps wohl zeitgleich auch des Palisadengrabens in den Zeitraum seit genutzten Abbaugruben verlief in einem in die Tie- dem 3. bzw. 4. Jahrhundert, d. h. nach Aufgabe der fe gehenden Abbauverfahren. Bis heute werden auf Grenzlinie um 254 n. Chr. Damit kann von einer der Albhochfläche die lagig anstehenden und dabei Anlage der Materialentnahmegruben im Zuge des Köschinger Forst. Trocken ge- äußerst gleichmäßig fein geschichteten, feinkörni- römischen Grenzausbaus ausgegangen werden. setzte Limesmauer mit deutlich gen Plattenkalke ebenso wie die älteren Bankkalke Die Konstruktion der Raetischen Mauer in Tro- erkennbarem Fischgrätmuster in – der sogenannte Juramarmor – im Tagebau abge- ckenbauweise erforderte nach Ausweis des Gra- der nördlichen Mauerwange. Iso- baut und zur Weiterverarbeitung von Hand gespal- bungsbefundes auf dem Fuchsberg den Abbau lo- metrisches 3D-Modell auf Daten- ten, so etwa im Zandter Steinbruch auf dem Fuchs- kal verfügbarer Ressourcen. Nach der Abholzung grundlage des terrestrischen 3D- berg wie auch im Steinbruch auf dem Öchselberg des limeszeitlichen Waldbestandes – nach der Laserscans. oberhalb des Schambachtals. Holzartbestimmung und Radiokarbondatierung d f Köschinger Forst. Versturzsituation im östlichen Schnittareal, Limes- mauer im westlichen Schnittareal. 35 Der Limes

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