Hermann Finsterlin in Seiner Zeit

Hermann Finsterlin in Seiner Zeit

Die frühen zwanziger Jahre : Hermann Finsterlin in seiner Zeit Autor(en): Joedicke, Jürgen Objekttyp: Article Zeitschrift: Bauen + Wohnen = Construction + habitation = Building + home : internationale Zeitschrift Band (Jahr): 28 (1974) Heft 1: Büro- und Verwaltungsgebäude = Immeubles de bureaux et d'administration = Office and administration buildings PDF erstellt am: 06.10.2021 Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-347983 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. 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Er war ein in seiner Zeit Außenseiter, »ein reiner Tor«, der in immer / neuen Ansätzen für sein Konzept einer organischen Architektur eintrat. Die historischen Fakten beschränken sich auf r wenige Daten. 1919 fordert der Arbeitsrat für 5i?'v'""<: Kunst unbekannte Architekten auf, Entwürfe für eine Ausstellung einzureichen. Finsterlin schickt seine Arbeiten an Walter Gropius, *¦=»?•• ",;-,. den Vorsitzenden des Arbeitsausschusses des Arbeitsrats für Kunst. »Ich bin sehr beeindruckt«, schrieb Gropius zurück, »senden Sie viel Material« (1). Die Ausstellung in der Galerie J. B. Am 16. 9. 1973 starb sechsundachtzigjährig Neumann, Berlin, wurde für ihn zu einem großen Hermann Finsterlin. Damit ist einer der letzten Erfolg. jener Epoche von uns gegangen, die für 1919 entsteht die Gläserne Kette, ein viele längst versunkene Historie ist. Es war Briefwechsel zwischen gleichgesinnten Architekten die Zeit eines ungestümen Aufbruchs zu und Künstlern in Deutschland. Finsterlin neuen Zielen, die später, in der zweiten ist einer der wesentlichen Anreger in diesem Hälfte der zwanziger Jahre, von einer Epoche Kreis. der Sachlichkeit abgelöst wurde. Aber 1920 und 1922 erscheinen zwei Artikel in vielleicht ist uns jene Epoche, die Jahre von Bruno Tauts Zeitschrift »Frühlicht« (2). 1924 1919 bis 1923, näher als je zuvor, denn es widmet ihm die holländische Zeitschrift mehren sich die Zeichen, daß die »Wendingen« ein Sonderheft (3). Überbetonung quantitativer Aspekte allmählich Danach wird es still um ihn, die moderne in eine Sackgasse führt. Architektur hatte sich auf Sachlichkeit eingestellt, für utopische Phantasien blieb kein Raum mehr. Lediglich ein Intermezzo ist zu 2 erwähnen. Hannes Meyer, der nach Gropius 1-5 1928 die Leitung des Bauhauses übernommen seien wir mit Bewußtsein imaginäre Architekten hatte und für den »Bauen nur Organisation« Skizzen und Entwürfe von Mitgliedern der Gläsernen (4) lud überraschend 1930 AC Kette. war, Finsterlin zu einem Vortrag und zur Lehrtätigkeit soyons consciemment des architectes utopiques ' nach ein. Ein Gegensatz A-y.'" -til.y-AiA Esquisses et projets de membres de la «gläserne Dessau größerer **. ft Kette» (Chaîne de Cristal). als der zwischen dem nüchternen, rational JèS~^~- V \ let us deliberately be Utopian architects denkenden Meyer und dem Drawings and plans by members of the "Glass Chain". phantastischausschweifenden Finsterlin läßt sich nicht .-•-"" 1 denken. Aber vielleicht spürte Meyer, daß Wassily Luckhardt. Projekt für einen Kultbau, Aquarell. sein Konzept zu einseitig war und des 1919. Gegensatzes bedurfte. ' ' Wassily Luckhardt. Projet de bâtiment ' ." cultuel, aqua- Erst Ende der fünfziger Jahre wird Finsterlin ¦ relie, 1919. *™^^ - -w&m wiederentdeckt. Ulrich Conrads und H. G. Vassily Luckhardt. Plan for a church, 1919. water-colour, 1960 in ihrem Buch " Sperlich publizierten S: ¦' 2 »Phantastische Architektur« ' Arbeiten ¦ von ¦¦¦¦¦¦¦¦¦ ¦ A - Max Taut. Innenraum, Aquarell, 1921. Finsterlin; Nikolaus Pevsner schrieb 1962 in Max Taut. Volume intérieur, aquarelle, 1921. der Novembernummer der Architectural Max Taut. Interior, water-colour, 1921. Review einen Artikel über »Finsterlin and r:>" *»ù*^-*' 3, 4 im U. O. M. Bruno Taut. some others«; Kultermann und iA, 3feS*(-M Alpine Architektur, 1919. \ 1963 die Bruno Taut. Architecture alpine, 1919. Ungers organisierten Ausstellung »Gläserne Kette« in Leverkusen; 1966/67 Bruno Taut. Alpine architecture, 1919. wird zum ersten Male ein 3 komplettes Werkverzeichnis 1966 erschien Denis Der Monte Resegone bei Lecco. »Autbauten vorwiegend erarbeitet (5); aus Glas.« Sharps Buch »Modern Architecture and Le mont Resegone près de Lecco. «Superstructures Expressionism« mit einem Kapitel über essentiellement en verre.» Finsterlin und 1969 Franco Borsis Buch »Hermann Monte Resegone Lecco. snra near "Superstructures mainly Finsterlin, Idea dell'architettura«. of glass." 4 2 Weg zum Kristallhaus im Wildbachtal. Hermann Finsterlin wurde am 18. 8. 1887 in ,il Vers la maison de cristal dans le «Wildbachtal». München geboren. Er studierte an der Toward the glass house in the Wildbachtal. Universität München Chemie, Physik und Ana- 31 tomie. Unbefriedigt von den analytischen Methoden wissenschaftlicher Arbeit, wandte er sich von den Naturwissenschaften ab und sucht ein umfassenderes Weltbild durch das Studium der Philosophie und Mythologie. Ab 1913 nimmt er Malunterricht an der Akademie in München. Daneben entstehen Gedichte, in der Spannweite der Themen vom philosophischen Lehrgedicht über reine Lyrik - '¦: bis zur Groteske reichend, und plastische Arbeiten. Unbefriedigt vom »Wohnen in Würfeln«, entstehen erste Architekturskizzen. 1919 erreichte ihn der Aufruf des Arbeitsrats für Kunst. Die nächsten Jahre sind erfüllt von ¦ ¦¦Amiiyi" architektonischen Skizzen und architekturtheoretischen Schriften (5). 1926 zieht er nach Stuttgart. Sein Hauptinteresse gilt wieder der Malerei. Die Zeit des Nationalsozialismus führt ihn in die totale Isolation. Ende der fünfziger Jahre wird er wiederentdeckt. Ausstellungen häufen sich, verschiedene Publikationen über Finsterlin entstehen. Am 16. 9.1973 stirbt er in Stuttgart. 3 Die Zeit, in der sich seine Ausstrahlung im Bereich der Architektur auswirkte, waren die Jahre nach Beendigung des 1. Weltkrieges ¦.* s: in Deutschland. Es war eine Epoche politischer Unruhe und wirtschaftlicher Rezession. Am 9. 11. 1918 gab Prinz Max von Baden eigenmächtig die Abdankung des Kaisers bekannt, am gleichen Tag rief Scheidemann die * Republik aus. Die Staatsgewalt übernahmen Ma:h * r ' I J * 4 *• zunächst Arbeiter- und Soldatenräte. Während f'" die Spartakisten, eine linksradikale Vereinigung, die später in der Kommunistischen y; a. Partei aufging, eine Räterepublik anstrebten, setzten sich die Mehrheitssozialisten für eine » parlamentarische Demokratie ein. Es kam zu bewaffneten Auseinandersetzungen, bei denen sich schließlich Ebert und Noske mit Hilfe des Militärs durchsetzten. Am 19. 9. 1919 fanden die Wahlen zur Nationalversammlung statt, die Weimarer Republik nahm ihren Anfang. • Die politischen Unruhen, welche die festgefügten *: " c ^**PlÄ.: Normen des Kaiserreiches auflösten, if fanden ihren Niederschlag auch im künstlerischen s.. \ Bereich. Da infolge der wirtschaftlichen fc1.*. Entwicklung an Bauen nicht zu denken war, konzentrierten sich die Architekten auf weitausgreifende, utopische Zielsetzungen. '" ¦ I ¦\"c- - 1918 wurde die Novembergruppe gegründet. " C ' t - A. ¦ ^ ^ In der Einladung zur Teilnahme heißt es: 4 ^m ¦*,, die Zukunft und der Ernst der Jw »... jetztigen Lage zwingen uns Revolutionäre des Geistes ;. ¦ -, ,•• V. (Expressionisten, Kubisten, Futuristen) zur **¦>,.. ^If^V-., Einigung und engem Zusammenschluß ...« '. (6). Aus der Novembergruppe ging der iti/Ai j -fi ¦i:-' >. Arbeitsrat für Kunst hervor. Generalthemen der Diskussion waren das Verhältnis des Künstlers * • ¦ ¦¦&*. •¦ *w ¦¦? ¦¦ .*.. i :i. i it. zur Gesellschaft und die Beziehungen der Künste untereinander. Hans Scharoun. Musikhalle, 1920, Aquarell. Im März 1919 gliederte sich der Arbeitsrat für Hans Scharoun. Salle de 1920, musique, aquarelle. Kunst in einen Arbeitsausschuß, dessen Hans Scharoun. Music room, 1920, water-colour. Vorsitzender Walter Gropius in die geschlossene 6 war, Antonio Gaudi. Dachaufbauten der Casa Mila, Barcelona, Arbeitsgemeinschaft der in Berlin 1905-1910. lebenden Künstler und in den Kreis einheimischer Antonio Gaudi. Superstructures de la «Casa Mila», und auswärtiger Freunde. Als Ziel Barcelone, 1905-1910. strebte der Arbeitsrat »... den Zusammenschluß Antonio Gaudi. Superstructures on the Casa Mila, auf der Basis der Ausarbeitung Barcelona, 1905-1910. eines umfassenden utopischen

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