18. Wahlperiode Drucksache 18/3971 HESSISCHER LANDTAG 22. 06. 2011 Kleine Anfrage der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vom 15.04.2011 betreffend Biotopverbund Teil 2 und Antwort der Ministerin für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragestellerin: Eine der großen naturschutzfachlichen und naturschutzpolitischen Herausforderun- gen ist die Schaffung eines Biotopverbundes auf mindestens 10 v.H. der Landes- fläche. Die Rahmenbedingungen hierfür setzt der Bund, die Umsetzung fällt in die Zu- ständigkeit der Länder. Um Auskunft über die tatsächliche Umsetzung der gesetz- lichen Vorgabe des Biotopverbundes in Hessen zu erhalten, frage ich die Landes- regierung. Diese Vorbemerkung der Fragestellerin vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Gibt es im Falle eines länderübergreifenden Biotopverbundes auch ein gemeinsa- mes, abgestimmtes Monitoring? Ja, soweit es das kohärente Netz Natura 2000 und die europäisch geschütz- ten Arten betrifft. Das Monitoring entsprechend Artikel 11 der Flora-Fauna- Habitat-Richtlinie (FFH-RL) findet nach einem zwischen Bund und Ländern abgestimmten Verfahren statt. Darüber hinaus gibt es abgestimmte Metho- den zum Vogelartenmonitoring. Frage 2. Welche Naturschutzgroßprojekte werden derzeit in Hessen realisiert und wie gestaltet sich die Finanzierung der Projekte durch Bund, Land und Träger? Der Begriff "Naturschutzgroßprojekt" wird im Allgemeinen im Zusammen- hang mit der Umsetzung des Bundesprogramms zur Förderung von Natur- schutzvorhaben mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung verwendet. Die Abwicklung folgt in zwei voneinander getrennten Phasen, einer Vorbe- reitungs- und Planungsphase (Phase 1) und einer Umsetzungsphase (Phase 2). In diesem Zusammenhang werden derzeit in Hessen folgende Projekte realisiert (Finanzangaben lt. jeweils aktuellem Finanzierungsplan): 1. "Naturschutzgroßprojekt Kellerwald": Das Projekt befindet sich in der Phase 2, die 2009 mit einem Finanz- volumen von 6,25 Mio. € und einer Laufzeit bis 2015 bewilligt wur- de. Projektträger ist der Zweckverband "Naturpark Kellerwald- Edersee". Der Bund trägt 65 v.H., das Land 25 v.H. und der Träger 10 v.H. der Kosten. 2. "Naturschutzgroßprojekt Vogelsberg": Das Projekt befindet sich in der Phase 1, die 2010 mit einem Finanz- volumen von 0,79 Mio. € und einer Laufzeit bis 2013 bewilligt wur- de. Projektträger ist der Verein Natur und Lebensraum Vogelsberg. Der Bund trägt 65 v.H., das Land 25 v.H. und der Träger 10 v.H. der Kosten. 3. "Naturschutzgroßprojekt Eichsfeld-Grünes Band": Das Projekt befindet sich in der Phase 1, die 2009 mit einem Finanz- volumen von 1,24 Mio. € bewilligt wurde. Projektträger ist die Eingegangen am 22. Juni 2011 · Ausgegeben am 30. Juni 2011 Druck und Auslieferung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden 2 Hessischer Landtag · 18. Wahlperiode · Drucksache 18/3971 Heinz-Sielmann-Stiftung, die mit 10 v.H. der Kosten beteiligt ist. Der Bund trägt wegen der herausragenden Bedeutung des Grünen Bandes 75 v.H. der Kosten. Die Länder Thüringen, Niedersachsen und Hes- sen sind mit 15 v.H. beteiligt; davon hat Hessen mit 10 v.H. den ge- ringsten Anteil, weil es nur mit vergleichsweise geringen Flächenan- teilen entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze im Werra- Meißner-Kreis betroffen ist. Auch das Programm LIFE+ der Europäischen Union fördert naturräumlich und fachlich abgrenzbare und zeitlich befristete Naturschutzmaßnahmen von herausragender Bedeutung. Die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von Natura 2000 ist der wichtigste Förderschwerpunkt unter LIFE+. In Hessen wird derzeit folgendes LIFE+-Projekt umgesetzt: 4. "Hutungen der Wetterauer Trockeninsel": Die Bewilligung erfolgte 2009 mit einem Finanzvolumen von 4,14 Mio. € und einer Laufzeit bis 2014. Die Projektträgerschaft hat das Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucher- schutz übernommen. Der Wetteraukreis sowie die Städte Nidda und Hungen sind assoziierte Partner. Die EU trägt 50 v.H., das Land Hessen 46 v.H. der Kosten. Der Rest wird von den Partnern und Sponsoren getragen. Frage 3. Wie bewertet die Landesregierung die Dachmarke "Nationale Naturlandschaften"? Träger der Dachmarke "Nationale Naturlandschaften" ist die Dachorganisa- tion der Nationalparks, Naturparks und Biosphärenreservate EUROPARC Deutschland. Diese Gebiete werden von EUROPARC unabhängig von ihrem rechtlichen Status als "Großschutzgebiete" bezeichnet. Die Landesregierung befürwortet und unterstützt die Dachmarke Nationale Naturlandschaften. Die Dachmarke wird aufgrund der vorliegenden Erfah- rungen als ausgesprochen positiv bewertet. Die Landesregierung hat durch ihren frühzeitigen Einsatz dieses Projekt richtungsweisend beeinflusst und somit einen maßgeblichen Anteil am Erfolg der Dachmarke. Bereits am 26. Oktober 2004 hatte der damalige Umwelt- minister Wilhelm Dietzel der Teilnahme Hessens an dem EUROPARC- Projekt "Aufbau gemeinsamer innovativer Kommunikatonsstrategien für die deutschen Großschutzgebiete" zugestimmt und hierfür 50.000 € bereitge- stellt. Hessen war somit eines der ersten Bundesländer, das die Bedeutung eines gemeinsamen Außenauftritts der deutschen Großschutzgebiete erkannt und unterstützt hat. Insgesamt ist festzustellen, dass die Dachmarke der Bekanntheit und dem Sympathiewert der Großschutzgebiete in Deutschland einen deutlichen Schub verliehen hat, gerade auch dem zum Zeitpunkt des Projektstarts noch sehr jungen Nationalpark Kellerwald-Edersee. Die verschiedenen Schutzge- biete sind unter der Dachmarke enger zusammengerückt, kommunizieren stärker und gewinnen so an Schlagkraft. Gemeinsame Auftritte der Gebiete gewinnen somit erheblich an Professionalität. Frage 4. Welche Großschutzgebiete Hessens sind Teil der Dachmarke "Nationale Natur- landschaften" und wie unterstützt die Landesregierung die Etablierung der Marke in Hessen? Wie in der Antwort zu Frage 3 dargestellt, unterstützt die Landesregierung die Etablierung der Dachmarke "Nationale Naturlandschaften", weil sie wesentlich zu einer positiven Außendarstellung der Großschutzgebiete bei- trägt und somit deren Aufgaben unterstützt. Teil der Dachmarke können die Nationalparke, die Biosphärenreservate und die Naturparke werden. Im Falle der Naturparke entscheiden die jeweiligen Träger über einen Beitritt zur Dachmarke. Folgende Großschutzgebiete Hessens sind derzeit Teil der Dachmarke: - Nationalpark Kellerwald-Edersee, - Biosphärenreservat Rhön, - Naturpark Diemelsee, - Naturpark Hessische Rhön, - Naturpark Kellerwald-Edersee, - Naturpark Meißner-Kaufunger Wald. Hessischer Landtag · 18. Wahlperiode · Drucksache 18/3971 3 Die Umsetzung der Dachmarke in allen hessischen Naturparken wäre wün- schenswert. Diesbezügliche Gespräche wurden vom Ministerium für Um- welt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowohl mit den hessi- schen Naturparken als auch mit dem Verband Deutscher Naturparke (VDN) geführt. Frage 5. Welcher Anteil der Landesfläche ist Wildnisgebiet, und sind bislang auch andere Ökosysteme wie (Moore, Fließgewässer und Seen) als Wildnisgebiete ausgewie- sen? Es ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Naturschutzrecht das "Wildnis- gebiet" als Schutzgegenstand nicht kennt und es insofern auch keinen gesetz- lichen Auftrag zur Ausweisung von "Wildnisgebieten" gibt. Lediglich die Nationalparke verfolgen nach allgemeinem Verständnis eine auf das Entste- hen von Wildnis ausgerichtete Zielsetzung. Die IUCN (International Union for Conservation of Nature) definiert ein Wildnisgebiet als ausgedehntes ursprüngliches oder leicht verändertes Gebiet, das seinen ursprünglichen Charakter bewahrt hat, eine weitgehend ungestörte Lebensraumdynamik und biologische Vielfalt (inkl. der Spitzenprädatoren) aufweist, in dem keine ständigen Siedlungen sowie sonstigen Infrastrukturen mit gravierendem Einfluss existieren und dessen Schutz und Management dazu dienen, seinen ursprünglichen Charakter zu bewahren. Da solche Gebiete in Deutschland nicht mehr existieren, hat das Bundesamt für Naturschutz die Figur des "Wildnisentwicklungsgebietes" definiert. Zu einem Wildnisgebiet im Sinne der oben ausgeführten Definition der IUCN könnten in Deutschland z.B. ehemalige Truppenübungsplätze und - mit Ein- schränkungen - Bergbaufolgelandschaften entwickelt werden. Über solche Gebiete verfügt Hessen jedoch nicht. Im Waldland Hessen ist es allerdings aus naturschutzfachlicher Sicht wichtig, Waldflächen ohne forstliche Nut- zung auszuweisen, um den an die Zerfallsphase natürlicher Wälder gebun- denen Arten wieder Entwicklungsmöglichkeiten einzuräumen. Im Staatswald des Landes Hessen wurden als Ausdruck der besonderen Gemeinwohlver- pflichtung gemäß § 27 Hessisches Forstgesetz bislang rd. 8.800 ha dauerhaft dem "Prozessschutz" gewidmet. Im Rahmen der Umsetzung der im vergan- gen Jahr verabschiedeten Naturschutzleitlinie des Landesbetriebes Hessen Forst werden die aus der Nutzung genommenen "Kernflächen für den Natur- schutz" im Rahmen der Eigenbindung des Landes auf 20.000 ha ausgewei- tet. Teilweise seit Jahrzehnten ungenutzt sind die im Rahmen dieser Eigen- bindung als Altholzinseln und sogenannter W.a.r.B. (Wald außer regelmäßi- gen Betrieb) bezeichneten Flächen, die in den vorstehenden Flächenangaben nicht enthalten sind. Als Mittelgebirgsland verfügt Hessen naturräumlich über keine ausgedehnten Moore und natürlichen Seen. Soweit vorhanden, wurden sie in der Regel als Naturschutzgebiet ausgewiesen mit dem Ziel, die unbeeinflusste natürliche Dynamik zu schützen oder wieder herzustellen.
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