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Osterreichisdies Museum für Volkskunde BIBLIOTHEK Nr. fi f& f ,;w............... Standort N - 8 0 LEOPOLD SCHMIDT GESCHICHTE DER ÖSTERREICHISCHEN VOLKSKUNDE '6hOJ^/oz AA& 888 - 06- 3 0 ÖSTERREICHISCHER BUNDESVERLAG FÜR UNTERRICHT, WISSENSCHAFT UND KUNST WIEN BUCHREIHE DER Österreichischen Zeitschrift für Volkskunde NEUE SERIE / BAND II Wien 1951 österreichischer Bundes vertag Alle Rechtevorbehalten Druck: Holzwarth & Berger, Wien I Verlagsnummer 7133-2 EDMUND FRIESS in herzlicher Verehrung V orwort österreichische Volkskunde heißt in der Gegenwart eine Wissenschaft, die sich nach langen Jahren des geistigen Ringens zu anerkannter Bedeutung durchgearbeitet hat. Ihre Eigenart läßt sich am besten aus ihrer Geschichte verstehen. Wissenschafts­ geschichte zu treiben ist hauptsächlich dann begründet, wenn eine Disziplin an einem entscheidenden Punkt ihrer Entwicklung an­ gelangt zu sein scheint. Der Historiker seines eigenen Faches wird in den seltensten Fällen nur aus annalistischem Interesse allein die Einzeldaten zu ordnen bestrebt sein; ihn wird vor allem das Gefühl bewegen, an einem besonderen Punkt der Entwicklung zu stehen, ob es sich nun um einen Gipfel oder um ein Wellental handeln mag, ob man vorwärts zu schreiten oder gehemmt zu werden glaubt; das Gefühl, Rechenschaft ablegen und weiter­ weisen zu müssen, wird ihn vor allem treiben. Aus solchen Erwägungen heraus sind zweifellos auch die bis­ herigen Darstellungen der Geschichte der Volkskunde entstanden, wie sie in den beiden letzten Jahrzehnten versucht wurden. Die österreichische Volkskunde im besonderen ist noch nie im Zusam­ menhang betrachtet worden, sie hat sich bisher stets mit einer Seitenstellung im Gefolge der deutschen Volkskunde begnügen müssen. Gustav Jungbauer hat sie jedoch in seiner verdienst­ vollen „Geschichte der deutschen Volkskunde“ 1931 betont mit- einbezogen, und auch Arthur Haberlandt in seiner „Deutschen Volkskunde“ 1935, die hauptsächlich eine Ideengeschichte darstellt. Georg Fischer, der im gleichen Jahr wie Haberlandt in dem von Adolf Spamer herausgegebenen Sammelwerk „Die deutsche Volkskunde“ deren Geschichte schrieb, berücksichtigte sie in ge­ ringerem Ausmaß. Alle drei Autoren haben aber jedenfalls nicht ihre Eigenart gekennzeichnet. Für sie war die österreichische Volkskunde nichts Selbständiges, sie isahen isie nur als Teil der deutschen, und dementsprechend auch die Geschichte der For­ schung in Österreich auch nur als einen Teil der Geschichte der deutschen Volkskunde. Das eine ist aber so unrichtig wie das andere. Die österreichische Volkskunde besitzt seit längster Zeit eine ausgesprochene Selbständigkeit und Eigenart, und ihre Er­ forschung nicht minder. Um dies aber verstehen und auch zeigen zu können, mußte erst jener neue Einschnitt in der Geschichte unserer Wissenschaft erreicht werden, in dem wir heute stehen. Das Vorgefühl des kommenden Wendepunktes hatten zweifel­ los auch jene drei Autoren; sie sahen, daß ihre Darstellungen in einen Abschnitt der Forischungisge schichte hineinreichten, der eine begrenzbare Periode sein würde. Es war die Wende jenes Ab­ schnittes, der im folgenden mit dem Begriffspaar „Neuromantik und Nationalismus44 gekennzeichnet werden soll. Die Periode der nationalistisch-neuromantischen Betrachtungiswei.se hatte zur Zeit des Erscheinens ihrer Geschichtsdarstellungen ihren Höhepunkt erreicht; ihre Historiker ahnten aber wohl nur zum Teil, wie schnell der Abstieg erfolgen würde. Wenn ich rund anderthalb Jahrzehnte später die Geschichte der Volkskunde mit besonderer Berücksichtigung der Entwicklung der Disziplin in Österreich darzustellen versuche, dann sehe ich nicht nur das Ende jener Periode hinter uns liegen. Der Über­ blick über ihre ganze Entfaltung seit beinahe einem halben Jahr­ tausend gestattet vielmehr die Voraussage, daß wir uns im Anfang einer neuen Periode befinden, hoffentlich einer Periode, die ihrem innersten Weisen nach an die, besten Zeiten der Vergangenheit an­ schließen wird, ohne in die Fehler ihrer weniger guten Zeiten zu verfallen, und daß diese von typisch österreichischen Eigenarten und Leistungen mitgestaltet werden wird. Es muß eine Epoche des neuen Realismus isein, der sachlich zu urteilen versteht, ohne deshalb die Gewinne der weiten romantischen Schau im besten Sinn preiszugeben. Auf entscheidenden Wegstrecken dieser Wissenschaftsgeschichte hat Österreich nicht Theorien, sondern reale Kenntnisbeiträge zur Volkskunde entstehen lassen. So mancher gewaltige Ausblick kann sich jedoch den größten theore­ tischen Leistungen der deutschen Volkskunde ebenbürtig zur Seite stellen, und erscheint durch seine feste Verbindung mit jener Kenntnis der realen Gegebenheiten nur um so beweiskräftiger. Die josephinische Aufklärung wie die zentralistisch eingestellte Landesforschung im Kaisertum Österreich, wie auch die positivi­ stische Volkskunde in der Zeit des Liberalismus, sie alle haben Beschreibungen und Objektsammlungen gegeben, keine abge­ leiteten Theoreme. Auch das Biedermeier, sonst weitgehend Zeit der Spätromantik und damit einer vom Boden der Tatsachen ab­ gelösten Betrachtungsweise, auch dieses hat in Österreich durch­ aus reale Beobachtungen zumindest mitgefördert, aber die Be- flügelung durch große Ideen, wie wir sie etwa bei Spaun spüren, hat diese Bestrebungen besonders hochgeführt. Selbst der neu­ romantischen Periode wird man mehr die Beeinflussung von aus­ wärts her anmerken als das Entstehen unrealistischer Anschau­ ungen im Lande selbst. Nach der Ausschaltung dieser Einflüsse muß daher die Bahn für eine neue sachliche Betrachtungsweise wieder frei sein. Dies um so mehr, als nun auch die Möglichkeit 6 der Verarbeitung von manchen zeitgemäßen Anregungen gegeben ist, die in der ganzen vorletzten Zeit mehr oder minder verfemt waren, und die ideengeschichtlich auch für die Volkskunde immer wichtiger werden. Diese Einstellung soll vor allem der Mitforschung und der Studentenschaft bewußt machen, wo die österreichische Volks­ kunde gegenwärtig steht. Einer breiteren interessierten Öffent­ lichkeit, der besonders infolge der verfehlten Führung unseres Faches in den letzten Jahrzehnten heute vielfach noch nicht einmal der Name der Disziplin geläufig ist, muß das Buch als solches zeigen, was Volkskunde heißt, und auf welchem Weg die Aner­ kennung der Tatsache, daß hier eine geisteswissenschaftliche Grundwissenschaft entstanden ist, allmählich vor sich ging. Die erstaunliche Bedeutung, welche die Volkskunde auf manchen Strecken der österreichischen Geistesgeschichte besessen hat und wieder besitzt, und die Verbundenheit erster und klingendster Namen unserer Vergangenheit mit diesem Fach kann dies viel­ leicht besser beweisen als eine Darlegung der volkskundlichen Problematik an sich. Denn gerade diese Art, die Kenntnis der Probleme wie ihrer Lösungsmöglichkeit in sich zu tragen, und, ohne nun über si£ viel zu reden, praktisch sie anzuschneiden, ist ja österreichisch im besten Sinn. Hätten unsere großen Sammler und Beobachter erst deduktiv festlegen lassen, worum ihre Be­ mühung gehe, wären wir vielleicht reicher an theoretischen Werken, sicherlich aber ärmer an Museen, Archiven und Biblio­ theken. Unsere Volkslieder und Volkstänze wären nicht aufge­ zeichnet, und unsere Urträchten wären ohne Abbildung ausge­ storben, und, das Wichtigste wie immer zuletzt, die zeugnismäßige Entfaltung unseres Volkscharakters wäre versäumt. Daß das Gegenteil davon der Fall ist, danken wir der Ge­ schichte der österreichischen Volkskunde, einer Wissenschafts­ geschichte voll Eigenart und, wie mir scheint, voll von Keimen zu immer neuer Entfaltung. Als solche habe ich sie zu schreiben ver­ sucht, nicht aber als eine Geschichte der sie tragenden Persön­ lichkeiten. Diese sind zwar in ihrem Zusammenhang gesehen und gewertet, aber nur soweit ich ihn eben erschließen konnte. Das mag man besonders bei der Beurteilung der beiden letzten Ab­ schnitte berücksichtigen, in welchen ich die Rolle der lebenden Mitforscher nur nach ihrer Einordnung in den allgemeinen Ver­ lauf, und selbstverständlich sine et studio zu beurteilen versucht habe. Wenn ich dabei vielleicht zum W erk des einen oder anderen Mitgestalters dieser Perioden nicht das herkömmliche Urteil ge­ äußert habe, sondern eines, das mir aus eigener kritischer Be­ trachtung entstanden ist, dann erwarte ich dessen Nachprüfung in 7 dem Geist jener gleichen Sachlichkeit, die ich selbst als Patronin dieses Buches angerufen habe. In dieser Meinung erlaube ich mir auch die Arbeit einem Gelehrten zu widmen, der mir nicht nur iin methodischer Hinsicht seit vielen Jahren Vorbild ist, sondern der auch als Muster un­ bestechlicher Sachlichkeit und Wahrheitsliebe die beste Tradition unserer Wissenschaft verkörpert, Edmund Frieß, dem Meister der historischen Volkskunde Niederösterreichs. Sehr viel von dem, was hier niedergelegt erscheint, ist schon vor Jahren, vor und während des zweiten Weltkrieges, in seiner stillen Mariahilfer Gelehrtenstube angeregt und besprochen worden. In Zeiten der bedauerlichen Vernachlässigung des Geistes der Wissenschaft­ lichkeit hat mich sein unbeirrbarer Idealismus, seine edle Über­ zeugung von der inneren Sinnhaftigkeit des wissenschaftlichen Lebens und Arbeiten« immer wieder aufgerichtet. In herzlich dankbarer Verehrung sei ihm daher gerade diese Überschau der Geschichte unserer Volkskunde gewidmet. Schließlich nehme ich gern die Gelegenheit wahr, jenen Insti­ tutionen meinen Dank abzuistatten, die das Erscheinen dieses Buches gefördert haben. Es sind dies vor allem der Notring der wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs, der

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