LÄNDERBERICHT Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. AUSLANDSBÜRO SPANIEN MICHAEL DÄUMER SEBASTIAN GRUNDBERGE R Politisches Roulette im Madrider Casino 9. April 2008 Probt Madrids Regionalpräsidentin Esperanza Aguirre www.kas.de/spanien den Aufstand gegen PP-Chef Mariano Rajoy? Die machtbewusste Esperanza Aguirre „Gesetz zur historischen Erinnerung“ an die lässt die Muskeln spielen. Bei einem Franco-Diktatur. Im Fall der Homosexuel- Vortrag am Dienstag hat die Madrider len-Ehe habe es Zapatero erfolgreich ver- Regionalpräsidentin Wasser auf die mocht, sein Projekt als Mühlen derer gegossen, die schon seit Verkörperung gesell- schaftlicher Modernität zu längerem über angebliche Umsturzplä- verkaufen und die PP in ne aus dem Aguirre-Lager gegen PP- die Ecke derer zu stellen, Chef Mariano Rajoy berichten. Im Rah- die die „neuen Familien- men eines von der katholisch- formen“ skeptisch betrachten und „große konservativen Zeitung ABC im Madrider Vorbehalte gegen die freie Ausübung der Casino veranstalteten Forums erklärte Sexualität“ hätten. Gegenüber diesen Ang- Aguirre zwar, eine eigene Kandidatur riffen habe die PP klar machen müssen, gegen Mariano Rajoy auf dem PP- dass die heutige PSOE Erbin der histori- Parteitag im Juni sei „momentan nicht schen Sozialisten sei, welche eine „homo- geplant“, sie ließ jedoch erstmals aus- phobe“ Tradition hätten. Außerdem unter- drücklich offen, dass sich diese Pläne halte die PSOE-Regierung enge Verbindun- ändern könnten, sollte sich die PP in- gen mit Ländern wie Kuba oder im Rahmen der „Allianz der Zivilisationen“ auch mit dem haltlich nicht „neu aufstellen“. Iran, in denen homosexuelle Menschen auf schlimme Art und Weise behandelt würden. Ähnliches sei beim „Gesetz der historischen Erinnerung“ geschehen. Die PSOE habe die Debatte heraufbeschworen, um die PP als die „Bösen“ der Geschichte erscheinen zu lassen. Die Appelle der PP, in die Zukunft zu schauen, seien ihr als „Unsicherheit oder gar ein Versuch der Rechtfertigung Francos“ ausgelegt worden. Stattdessen sei es besser gewesen, wenn die PP die offene Auseinan- dersetzung mit der PSOE gesucht hätte. Dies hätte etwa durch eine Thematisierung Aller lauwarmen Dementis zum Trotz war der Gewalt in der „Zweiten Republik“ (1931- die Rede Esperanza Aguirres (Foto) eindeu- 1936) und der Tatsache, dass die PP im Ge- tig eine Wahlkampfrede. Mit der Oppositi- gensatz zur PSOE nicht die „Erbin“ einer onsarbeit Mariano Rajoys ging die ehemali- Partei aus dieser Zeit sei, geschehen kön- ge Senatspräsidentin und Bildungsministerin nen. unter José María Aznar dabei hart ins Ge- Aufgrund solcher Fehler trage die Oppositi- richt. Ein Grund für die Wahlniederlage der onsarbeit unter Rajoy Mitschuld daran, dass Volkspartei sei es gewesen, dass man vor die PP in der Öffentlichkeit als "homophob, der ideologischen Auseinandersetzung „ge- unsympathisch und Erbin der Franco- flohen“ und in die „ideologischen Fallen“ Diktatur" erschienen sei. Dies wiederum ha- Zapateros getreten sei. be den polarisierten Wahlkampf Zapateros, Für solche „Fallen“ gab Aguirre zwei Bei- der die PP in die „rechte“ Ecke gerückt hat- spiele: die Homosexuellen-Ehe und das 2 Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. te, erleichtert und so zum sozialistischen tung „El Mundo“ sowie dem liberal- Wahlsieg beigetragen. konservativen Internetportal „Libertad Digi- AUSLANDSBÜRO SPANIEN Immer wieder bezeichnete sich Esperanza tal“ unterstützt. Auch der umstrittene Ra- MICHAEL DÄUMER Aguirre selbst als „liberal“ und forderte von diomoderator Federico Jiménez Losantos ihrer Partei eine Bewegung in diese Rich- vom katholischen Radiosender COPE gehört SEBASTIAN GRUNDBERGE R tung. Die 57jährige gelernte Juristin will da- zu Aguirres größten Fans. Die Mutter von für „in die Schlacht ziehen“, dass ihre Partei zwei Kindern sieht sich selbst als eine Libe- 9. April 2008 als eine „offene, moderne und liberale“ Kraft rale innerhalb der Volkspartei und grenzt der politischen Mitte sich immer wieder gegen konservative und www.kas.de/spanien wahrgenommen wer- christdemokratische Strömungen ab. Damit de. Dabei erinnerte steht sie in der Tradition des ehemaligen die Madrider Regio- Ministerpräsidenten José María Aznar, der nalpräsidentin daran, sich allerdings aus dem PP-Nachfolgestreit dass für eine Kandi- zumindest äußerlich heraushält. Zwar gilt datur um den Partei- Aguirre als charismatisch und sympathisch, vorsitz „nur 600 Un- jedoch auch als knallharte Machtpolitikerin terstützer“ notwendig seien. Zudem, so und ideologisch hart. Aus diesem Grund hat Aguirre, sei es ein Zeichen der „Missach- sie innerhalb der PP durchaus gewichtige tung“ der Parteimitglieder, jetzt schon be- Gegner. Darunter gehört an erster Stelle kannt zu geben, was sie beim Parteitag vom der Madrider Oberbürgermeister Alberto 21. bis 23. Juni in Valencia tun werde. Soll- Ruíz-Gallardón, den Aguirre im Vorfeld der te sie sich zu einer Kandidatur gegen Maria- Parlamentswahlen vom März durch enormen no Rajoy erschließen, so Aguirre, werde die- Druck auf Rajoy aus dem Rennen um ein ser als „Erster“ davon erfahren. Parlamentsmandat geworfen hatte. Innerhalb der eigenen Partei hielt man sich Sowohl der Zeitpunkt als auch der Ort der mit Kommentaren zur Rede Esperanza Erklärung Aguirres sind nicht zufällig ge- Aguirres weitgehend zurück. Eine Ausnahme wählt. Bis zur Parlamentswahl am 9. März bildete Eduardo Zaplana, der unmittelbar hatte sich Aguirre als treue Parteisoldatin nach der Wahlniederlage zurückgetretene Mariano Rajoys verhalten. Nach der Wahl- ehemalige Fraktionsvorsitzende der PP. Für niederlage nutzt sie jetzt ein Zeitfenster ihn, dem wegen seines harten und bissigen aus, in dem der Parteichef auch durch eini- Oppositionsstils allgemein Mitschuld an der ge umstrittenen Personalentscheidungen Wahlniederlage gegeben wird, ist die Rede geschwächt erscheint. Insbesondere die Aguirre im Bereich der „demokratischen Tatsache, dass PP-Chef Rajoy bei den bishe- Normalität“ einer Partei anzusiedeln. Die rigen Personalentscheidungen für die Partei- Aussagen der Regionalpräsidentin seien „gut spitze die wichtigsten und untereinander und notwendig“ gewesen. Kritik übte hinge- rivalisierenden Regionalverbände Madrid gen der stellvertretende Madrider Bürger- und Valencia nicht berücksichtigt hat, trägt meister Manuel Cobo. Esperanza Aguirre zur innerparteilichen Unzufriedenheit bei. veranstalte ein „Spektakel“, obwohl sie nur Dieses Unbehagen sucht Aguirre nun für „sehr wenige Unterstützer“ innerhalb der ihre eigenen politischen Ambitionen auszu- Partei habe. schlachten. Aufgrund der zeitlichen Distanz Die spanische Presse wertete die Rede zu den nächsten Parlamentswahlen kann Aguirres überwiegend als Kampfansage an sich die PP auch derzeit interne Auseinan- Mariano Rajoy. Am explizitesten war dabei dersetzungen leisten, ohne mit unmittelba- die regierungsnahe „El País“, als sie kom- ren Konsequenzen an den Urnen rechnen zu mentierte, Aguirre habe im PP- müssen. Mariano Rajoy wird immer wieder Nachfolgeduell mit Rajoy „den ersten Führungsschwäche vorgeworfen. Genau in Schuss abgefeuert“. diese Kerbe schlägt Aguirre mit ihren jüng- Es ist seit langer Zeit ein offenes Geheimnis, sten Äußerungen im Casino von Madrid (Fo- dass Esperanza Aguirres Ambitionen nach to). Populistisch oben keine Grenzen kennen. Im Jahr 2006 geschickt ist es von war eine Aguirre-Biografie mit dem bewusst Aguirre, ausgerech- zweideutigen Titel „La Presidenta“ erschie- net dem gemäßig- nen. „Presidenta“ kann sowohl Regionalprä- ten Rajoy vorzu- sidentin Madrids als auch Ministerpräsiden- werfen, die PP durch seine Oppositionsarbeit tin Spaniens bedeuten. Bei ihren Ambitionen in den Ruf der „Homophobie“ und der Nähe wird Aguirre vor allem von der liberalen Zei- zum Franco-Regime zu bringen. Von politi- 3 Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. scher Selbstgewissheit zeugt zudem, dass Aguirre ihre Schelte der versammelten PP- AUSLANDSBÜRO SPANIEN Spitze ins Gesicht gesagt hat. Bei dem Vor- MICHAEL DÄUMER trag der „Presidenta“ waren nämlich nicht nur Mariano Rajoy selbst, sondern auch PP- SEBASTIAN GRUNDBERGE R Generalsekretär Ángel Acebes und die Frak- tionsvorsitzenden der Partei in Senat und 9. April 2008 Kongress, Pio García-Escudero und Soraya Sáenz de Santamaría, zugegen. www.kas.de/spanien Alles deutet darauf hin, dass die Madrider Regionalpräsidentin, die sich selbst gerne als „Angela Merkel Spaniens“ betrachtet, durch ihren Vorstoß die parteiinternen Sym- pathien austesten will. Dabei muss Aguirre vorsichtig agieren, um nicht als „Königs- mörderin“ angesehen zu werden und so den eigenen Ambitionen zu schaden. Geschickt hat sie ausgerechnet ein Forum der Zeitung „ABC“ für ihre Deklarationen gewählt. Die „ABC“ steht nämlich eher stellvertretend für die konservativ-christdemokratischen Strö- mungen innerhalb der Volkspartei. Und als Machtpolitikerin weiß Aguirre, dass sie alle in der PP braucht, um erfolgreich sein zu können. Quelle Fotos: Partido Popular .
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