MASTERARBEIT / MASTER’S THESIS Titel der Masterarbeit / Title of the Master‘s Thesis „Jüdische Stadtgemeinden im Europa des 17. Jahrhunderts – Frankfurt am Main, Hamburg und Wien im Vergleich“ verfasst von / submitted by Jakob Jorda, BA angestrebter akademischer Grad / in partial fulfilment of the requirements for the degree of Master of Arts (MA) Wien, 2017 / Vienna 2017 Studienkennzahl lt. Studienblatt / A 066 805 degree programme code as it appears on the student record sheet: Studienrichtung lt. Studienblatt / Masterstudium Globalgeschichte und Global Studies degree programme as it appears on UG 2002 the student record sheet: Betreut von / Supervisor: Privatdoz. Mag. Dr. phil. Peter Rauscher Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ............................................................................................................................................................. 1 1.1 Fragestellung .......................................................................................................................................... 1 1.2 Aufbau ..................................................................................................................................................... 3 1.3 Forschungsstand und Quellen ............................................................................................................ 4 2. Die Entwicklung Frankfurts, Hamburgs und Wiens vor und während des 17. Jahrhunderts................ 7 2.1 Frankfurt – Messe-, Wahl- und Krönungsstadt ............................................................................... 7 2.2 Hamburg – Hansestadt im Umbruch ..............................................................................................10 2.3 Wien – Werdende Residenz- und Verwaltungsstadt .....................................................................13 3. Die Ansiedlung der jüdischen Gemeinden ...................................................................................................17 3.1 Frankfurt – Siedlungskontinuität und -wachstum .........................................................................17 3.2 Hamburg – Die Ansiedlung der „Portugiesen“ .............................................................................20 3.3 Wien – Wiederansiedlung und Umzug in die Judenstadt .............................................................25 3.4 Judenansiedlung als Obrigkeitsprogramm ......................................................................................29 4. Die Judenpolitik des Frankfurter Rates in der Krise ...................................................................................31 4.1 Der Fettmilchaufstand: Perspektiven und Interpretationen ........................................................33 4.2 Der Verlauf des Aufstands ................................................................................................................35 4.3 Motive und Parteiungen .....................................................................................................................41 5. Konfliktherde in Hamburg im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Orthodoxie .........................48 5.1 Antijüdische Stimmungslage und die Ausweisung der Aschkenasen aus Hamburg – ................ Interpretationen .................................................................................................................................50 5.2 Die Ausweisung – Vorfeld und Ereignis .........................................................................................52 5.3 Interessenslagen in Hamburg ............................................................................................................56 6. Das Ende der Wiener Judenstadt ...................................................................................................................64 6.1 Die Ausweisung der Juden Wiens – Vielfältig interpretiert ..........................................................66 6.2 Der Weg zur Ausweisung ..................................................................................................................68 6.3 Interessen und Parteien in Wien .......................................................................................................73 7. Ausblick: Fortgeschriebene Unsicherheit ......................................................................................................81 7.1 Frankfurt am Main ..............................................................................................................................81 7.2 Hamburg ...............................................................................................................................................84 7.3 Wien ......................................................................................................................................................87 8. Resümee ..............................................................................................................................................................91 9. Literaturverzeichnis ...........................................................................................................................................94 10. Abstracts ........................................................................................................................................................ 105 10.1 Abstract Deutsch............................................................................................................................ 105 10.2 Abstract English ............................................................................................................................. 106 1. Einleitung 1.1 Fragestellung Im 15. und 16. Jahrhundert hatte sich jüdisches Leben in Mitteleuropa entscheidend geändert. Die Mehrzahl der Städte und bedeutenden Territorien im Reich hatten sich dazu entschlossen, ihre jüdische Bevölkerung auszuweisen. Viele Betroffene waren in den Osten Europas bezie- hungsweise in das Osmanische Reich abgewandert, im Heiligen Römischen Reich war jüdische Existenz auf wenige Gebiete beschränkt und vorwiegend ländlich geworden.1 Nur wenige Städte wie Frankfurt am Main, Friedberg und Worms behielten ihre jüdische Einwohnerschaft.2 Mit dem 17. Jahrhundert sollte sich die kontinuierliche Ostbewegung jüdischer Migrationen der vor- herigen Jahrhunderte allerdings umkehren. Wie Jonathan Israel gezeigt hat, begann in verschie- densten Gebieten Mittel- und Westeuropas ab etwa 1570 eine Politik gezielter jüdischer Ansied- lung.3 Israel zufolge basierte dieser Wandel auf der Expansion des Staatsapparates besonders in ökonomischen Belangen, verbunden mit einer neuen, sich verbreitenden Staatsphilosophie, dem Merkantilismus. Hierunter versteht er eine gewandelte Auffassung vom Staat, welche sozioöko- nomische Fragen und damit auch das Fremdenrecht und die Judenpolitik abgekoppelt vom Her- kommen und bestehenden Gesetzen zu interpretieren wusste. Israels Thesen zur Wiederansiedlung basierend auf staatlichen Zielsetzungen im fiskalischen und ökonomischen Bereich sind heute in der Forschung weitgehend akzeptiert.4 Er selbst hat zwar die Rolle der zunehmend absolutistisch denkenden und handelnden Fürsten im Wandel der europäischen Judenpolitik hervorgehoben, allerdings auch Stadtregierungen mit einbezogen: „The change of policy towards the Jews owed something to a handful of urban patricians.“5 Bei der Reaktion gegen die Neuankömmlinge im Reich betonte er die Rolle der Städte stärker: „This new wave of anti-Jewish agitation emanated chiefly from the towns and at its head were the bur- gomasters, clergy, and guilds.“6 Die hier angedeuteten komplexen Beziehungen jüdischer Stadt- bewohner zu ihrem Umfeld wie auch die obrigkeitliche Judenpolitik generell wurden in der For- schung lange Zeit sehr zweidimensional behandelt. Über weite Strecken blieben die christliche Gesellschaft und die jüdische Minderheit als jeweils unabhängig gedachter Mikrokosmos ge- 1 Vgl. Battenberg, Deutschland, 2-5 22. 2 Sie waren damit bei weitem die Ausnahmeerscheinung, auch unter den Reichsstädten. Friedrichs, Imperial, 275, subsumiert die Periode von 1550 bis 1750 als Tiefpunkt des jüdischen Lebens in den Reichsstädten. 3 Israel, Jewry. 4 Zur Akzeptanz vgl. etwa Karp, Politics, 12-42, oder Battenberg, Deutschland, 60f. Israels auf das Jahr 1570 festgelegte Zäsur, die die „modern Jewish history“ eingeleitet habe, bleibt umstritten, vgl. Israel, Jewry, 1. Battenberg selbst ver- legt die Epochengrenze zwischen einem „verspäteten Mittelalter“ und der jüdischen Moderne auf 1650, dabei inter- essanterweise in direktem Bezug auf Israel. Vgl. Battenberg, Deutschland, 60, dort mit weiterer Literatur sowie ders., Zeitalter, 6f. 5 Israel, Jewry, 67. 6 Ebd., 146. 1 trennt, in den Beziehungen zu den Obrigkeiten traten die jüdischen Gemeinden als monolithi- sche Blöcke von Befehlsempfängern auf. Allerdings wurde diese Sichtweise in den letzten Jahr- zehnten vehementer Kritik unterzogen und durch mehrere Einzelstudien widerlegt. Die Ge- schichte der urbanen Judenpolitik wird nicht mehr allein als separate Geschichte einer einheitli- chen, isolierten Gruppe verstanden, sondern als Geschichte von Akteuren, die sich verschiedener Strategien bedienen, dabei in historisch und regional unterschiedliche Kontexte eingebettet sind.7 Freilich muss auch im Hinblick auf die christlichen Stadtbewohner differenziert werden, die keine kohärente, der jüdischen Gemeinde gegenüber stehende Interessensgruppe bildeten. Viel- mehr zeigte sich gerade im 17. Jahrhundert an einer Vielzahl innerstädtischer
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