
Schweiz Suisse Svizzera Svizra IX – 2018 Mitteilungen aus dem anthroposophischen Leben Nouvelles de la vie anthroposophique Notiziario della vita antroposofica Michaeli – das Ringen mit dem inneren Drachen «Was jetzt erwachen muss, wo die Drache daran, wirklich schöpferisch tätig zu werden? Sich Natur einen verlässt, das ist See- diesen Dingen, sich seinem eigenen Schatten zu stellen, lenmut. Wiederum werden wir hier braucht viel Mut, ist aber essenziell in allen sozialen Zu- hingewiesen, wie ein Fest des See- sammenhängen und für die Welt. Aus dieser Auseinander- lenmutes, der Seelenkraft, der See- setzung können neue Kräfte entstehen, auch wenn man lenaktivität sein muss, was wir als sich vielleicht dabei selbst als verwundbarer und fragiler Michaels-Fest auffassen können.» empfindet. Es kann ein Keim sein, der zu wachsen beginnt, der mich immer mehr ICH werden lässt. Mut zur Wahrheit, (Rudolf Steiner, in: «Der Jahreskreis- Mut, der Mensch zu sein, der man wirklich ist, dazu, die lauf als Atmungsvorgang der Erde Maske abzunehmen, Mut, im richtigen Moment zu spre- und die vier grossen Festeszeiten») chen und für Mitmenschen einzustehen. Nach der Wärme und dem Licht des Sommers, wo wir ganz in der Aussenwelt leben, fällt Michaeli auf einen Wende- Als junger Mensch erlebe ich unsere Zeit als eine grosse punkt, der uns aus dem «Sommernachtstraum», wie Rudolf Herausforderung und gleichzeitig als Chance, wirklich Steiner sagt, wieder zurückführt in unser eigenes Selbst. Mensch zu werden. Dazu gehört für mich der Kampf – ei- Wie in dem Zitat oben angedeutet, ist dieses In-sich-Ge- nerseits um die innere Freiheit, aber andererseits auch für hen eine Chance, Mutkräfte zu entwickeln, Mut, der Angst die Freiheit des Mitmenschen. überwindet. Während die äussere Natur stirbt, muss der Michaeli ist eine Chance, aus meiner Komfortzone her- innere Mensch erwachen. Rudolf Steiner beschreibt im- auszutreten, zu schauen, wo die Welt mich braucht und wo mer wieder mit grosser Vehemenz, wie wichtig dieses Mi- ich mich weiterentwickeln kann. chaelifest ist. Es soll eine Gegenkraft zu dem immer grö- Der innere Drache versucht mich durch Ängste, Lügen sser werdenden Materialismus bilden, zur Feigheit, wie er und Zweifel an meinem Weg zu hindern. Manchmal tritt es nennt, die sich in die Seelen schleicht. er ganz subtil und unbemerkt auf, manchmal mit voller Gewalt. Ich kann mich dann immer fragen: Aus welchen Angst kann in verschiedenen Ausprägungen bestimmend und lähmend in unserem Leben wirken. Sie begrenzt mei- ne Freiheit und Kreativität, dasjenige, was sich aus mir heraus entwickeln will. Sie kann so wirken, dass ich mich hinter einer Maske verstecke, da diese mich sicher und kompetent und unverletzbar erscheinen lässt. Doch im In- nern möchte sich mein Ich entfalten und kann es oft nicht durch diese Maske der Angst, die man auch «Persona» nen- nen kann, wie die Maske des antiken Schauspielers. In jedem Moment kann ich mich langsam von dieser Maske befreien. Ich kann mich fragen: Spreche ich wirk- lich aus dem, was in mir lebt, oder sage ich, was der/die andere hören möchte? Bin ich wahrhaftig? Was möchte sich aus mir heraus in der Welt verwirklichen und wie © Konstanze Brefin Alt, Basel mache ich dies möglich? Wo hindert mich mein innerer Tintagel, Cornwall.. 1 Motiven handle ich? Ist die Angst bestimmend oder die schaffen, zum Beispiel unsere hochentwickelte Technolo- Freiheit? gie so einzusetzen, dass sie uns dient und nicht wir ihr. Zur Freiheit braucht es immer Mut. Sie ist uns nicht Das Gleiche gilt auch in Bezug auf verhärtete Strukturen geschenkt, aber sie kann in jedem Moment neu errungen und Formen. werden. Für unsere Menschlichkeit ist der innere Weg von exis- tenzieller Bedeutung. Die Michaelschule, die sich in der heutigen Zeit unter anderem als Freie Hochschule für Geisteswissenschaft manifestiert, ist eine Schule, um un- Michael, der sich mit unserer Zeit verbunden hat, mahnt ser Mensch-Sein zu entwickeln und die geistigen Impulse uns, sich dem Drachen zu stellen, und er steht uns in der in der Welt inkarnieren zu können. Auseinandersetzung mit Ahriman bei. Wir sollen Ahri- So können wir auf den 29. September hin jeweils das man an seinen rechten Platz verweisen, es ist an uns, den Michaelsfest begehen, indem wir uns mit unserem inne- Drachen zu überwinden – und nicht allein Michaels Auf- ren Drachen auseinandersetzen, uns mit der Michaelswe- gabe. Die grosse Frage für die Zukunft ist im Grunde, ob senheit verbinden und daraus neue Kräfte und Impulse die Menschheit als Menschheit bestehen kann – ob wir es schöpfen. Milena Kowarik Der fragende Engel Zum Drachenkampf, Apk. 12 Was ist eigentlich ein Drache? Wir haben ja merkwürdi- gerweise alle eine Vorstellung davon, obwohl wir noch nie einen gesehen haben. Ein Drache ist ein Un-Tier, ein We- sen, für das es in der Tierwelt keine Form geben kann. Woher stammt diese Unmöglichkeit? Der Drache war ein Engel, ein un-möglicher Engel, einer, der selbstsüch- tig wurde, der Freiheit wollte. Freiheit gibt es nicht in der geistigen Welt. Dort ist alles wohl geordnet, richtig und gut, wie in einem funktionierenden Ökosystem, da kann auch kein Tier sagen: «Ich will jetzt frei sein! Ich will an meine eigene Entwicklung denken! Ich will nicht mehr fressen und gefressen werden! Ich steige aus! Ich stelle das System infrage! Ich will so sein, wie der, der das System Pilatusdrache und Luzerner Drachenstein; geschaffen hat!» Stich von Johann Leopold Cysat, Luzern 1661. «Schweizer Mitteilungen», IX 2018 Inhalt / Table / Indice Publikationsorgan der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz. Unabhängige Beilage zur Wochenschrift Milena Kowarik, Michaeli – das Ringen mit dem inneren Drachen 1 «Das Goetheanum», Nr. 35/36 – 1.9.2018. Redaktionsschluss für Oktober: 12.9.2018 Michael Bruhn: Der fragende Engel. Zum Drachenkampf, Apk. 12 2 Redaktion: Konstanze Brefin Alt, Thier steinerallee 66, 4053 Basel, Fon 061 331 12 48, Fax 061 333 85 46, info[ät]textmanufaktur.ch. Konstanze Brefin Alt: Es ist das Vertrauen, auf das die Zukunft baut 3 Délai de rédaction pour octobre: 12-9-2018 Rédaction francophone: Catherine Poncey, Christiane Haid: Rythme et mouvement 4 63 rte de la Tsarère, 1669 Les Sciernes-d’Albeuve, c.poncey[ät]bluewin.ch. Aus der anthroposophischen Arbeit in der Schweiz / Die in den Beiträgen geäusserten Meinungen müs- sen sich nicht decken mit jenen der Redaktion; jeder Du travail anthroposophique en Suisse 6–11 Autor zeichnet für seinen Artikel selbst verantwort- lich. Die Rechte bleiben bei den Autoren. – Die im Nachrichten / Informations 11–16 Programm und in den «Hinweisen» angekündigten Anlässe beruhen auf den Angaben der Veranstalter. «Rencontres» de François Gautier 15 Einzelabonnement: Sekretariat der Anthroposophi- schen Gesellschaft in der Schweiz, Oberer Zielweg 60, 4143 Dornach, 061 706 84 40, Fax 061 706 84 41, Congrès public de la Société suisse «Eveil et entrave – La jeunesse dans le info[ät]anthroposophie.ch. champ d’influence des nouveaux médias» 16 Auflage (Stand Juni 2018): 2510 Exemplare. Druck: Birkhäuser+GBC, Reinach/BL. Herbsttagung der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz: Weitere Informationen unter: https://www.anthroposophie.ch/de/gesellschaft/ Aufbruch und Fesselung Jugend im Kräftefeld der Neuen Medien 16 publikationen/schweizer-mitteilungen.html 2 Schweizer Mitteilungen, IX – 2018 Drachenkampf heisst: Genau dies geschieht in der geisti- verhält, wie es im göttlichen Plane liegt, das sich verfüh- gen Welt. Sie wird mit sich selbst uneins. Diese Krise muss ren lässt, zu früh von der Freiheit zu kosten – von wem? geklärt werden. Solche selbstsüchtigen Kräfte müssen ver- Natürlich! Von der Schlange, dem Drachen. Mit welchen schwinden! Worten? «Ihr werdet sein wie Gott.» Und was geschieht? – Wir werden auch hinausgeworfen, auf die entstehende, Aber wohin??? Wir befinden uns in vor-irdischen Zeiten, aber die Antwort ist: auf die Erde! Im materiellen Sinne gibt es sie noch gar nicht, dennoch bekommt sie von Anfang an die Drachen- kräfte mit. Nur, diese Kräfte passen dort auch nicht hin! Es gibt keine Form für sie in der entstehenden Tierwelt. Die einzigen Wesen, in denen sich diese Kräfte verschan- zen können, sind wir. Wir sind zur Freiheit bestimmt und dadurch «anfällig» für den selbstsüchtigen Wunsch nach Freiheit. So werden wir frei und unfrei zugleich, wie wir eben sind: Menschen! Damit werden wir wieder zum Störfaktor, so wie der Dra- che in der geistigen Welt, wir werden zum Störfaktor für die Natur ebenso wie für unser eigenes Zusammenleben. Lässt sich das wieder in Ordnung bringen? © Konstanze Brefin Alt, Basel / Andreas Brefin, St-Louis Ein Engel tritt auf, dessen Name Frage ist: Michael mit dem Drachen. Schlussstein über der Orgel aus dem 14. Jh., Basler Münster. מיכאל Mi – cha – el materielle Erde, so, wie der Drache aus dem Himmel ge- worfen wurde. Wer – (ist) – wie – Gott ? Nur, jetzt kommt der Unterschied: Der Mensch be- Wen fragt er wohl? Und was ist die Antwort? kommt eine physische Form. Wir passen in die Evoluti- on hinein! Wir bekommen einen Leib. Wir bekommen die Es ist doch niemand wie Gott! Es gibt noch kein solches Aufrechte. Der Mensch ist kein Un-Wesen wie der Drache. Wesen, das Freiheit hat. Aber es gibt Wesen, die diese Frei- Im Gegenteil: Wir können, dürfen und sollen zur Antwort heit zur Aufgabe bekommen sollen: wir! Als Gottes Eben- auf die Frage werden! Michael Bruhn, bild geschaffen. Aber ein Ebenbild, das sich auch nicht so Pfarrer in der Christengemeinschaft Zur Stellungnahme «Die offene Anthroposophie und ihre Gegner»
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