Porträt : Antwort Einer Mutigen Frau

Porträt : Antwort Einer Mutigen Frau

Porträt : Antwort einer mutigen Frau Autor(en): Silberschmidt, Catherine Objekttyp: Article Zeitschrift: Filmbulletin : Zeitschrift für Film und Kino Band (Jahr): 60 (2018) Heft 374 PDF erstellt am: 29.09.2021 Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-863035 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. 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Ein Dienst der ETH-Bibliothek ETH Zürich, Rämistrasse 101, 8092 Zürich, Schweiz, www.library.ethz.ch http://www.e-periodica.ch Holyday Camp (1947) To Dorothy a Son (1954) Porträt wie intelligente Antwort auf die der Starpianistin Francesca und Geschlechterstereotype des konservativen ihrem Vormund, einem zwanghaften, britischen Nachkriegsfilms. latent homosexuellen Frauenhasser, Fasziniert von amerikanischen der sein Mündel zu Höchstleistungen Slapstickkomödien, die sie als Kind antreibt und ihr Beziehungen zu Muriel Box war eine der im Dorfkino gesehen hatte, entstand andern Männern untersagt. Nach einem ganz wenigen Regisseurinnen bei der in bescheidenen Verhältnissen Selbstmordversuch - der Film erzählt in der britischen aufgewachsenen Muriel Box früh in Rückblenden — weckt ein Filmindustrie der der Wunsch, beim Film zu arbeiten. Psychoanalytiker durch Hypnose Francescas Fünfzigerjahre. Sie schuf starke 1922 verliess die Siebzehnjährige das Lebensgeister, doch das Happy End Frauenfiguren und Elternhaus und begann als Daktylo bleibt aus. scheute auch kontroverse in der Filmindustrie zu arbeiten. Sie Die Analyse patriarchaler Macht- Themen nicht. sang auch und trat als Amateurschauspielerin und Ohnmachtsbeziehungen - ein auf, bevor sie anfing, in ihrer wiederkehrendes Motiv in Muriel Box' Freizeit eigene Stücke für Amateurbühnen Filmszenarien - sowie ihr klar zu schreiben. Bald wurde sie feministisches Selbstverständnis gehen persönliche Assistentin von jungen auf die Lektüre von Virginia Woolfs Regisseuren, half Filme zu budgetieren kämpferischem Essay «A Room of Antwort einer und Terminpläne zu erarbeiten, wurde One's Own» (1929) zurück, der die Frau später Scriptgirl und las Drehbücher. Zwanzigjährige existenziell wachgerüttelt mutigen 1936 heiratete sie den Journalisten hatte. Daneben war auch das Sydney Box, mit dem sie die Leidenschaft sozialkritische Theater George Bernhard fürs Schreiben, fürs Theater und Shaws für ihren Werdegang wichtig. Nach DorothyArzner (2014) wurde am fürs Kino teilte. 1942 gründete Sidney, Ihr politisches Engagement sollte alle diesjährigen Filmfestival in San Sebastian der aus gesundheitlichen Gründen ihre populären Genrefilme prägen. zum zweiten Mal eine Filmpionierin militärisch ausgemustert worden war, die Eben dies trug aber auch wesentlich gewürdigt. Es ist Muriel Box (1905- Verity Films, die wichtigste zu ihrer Marginalisierung innerhalb 1991), deren Werk ausserhalb der Produktionsfirma kurzer Dokumentarfilme, der britischen Filmindustrie bei. britischen Filmwissenschaft kaum bekannt wie sie das britische Informationsministerium ist - auch deshalb, weil es filmhistorisch (Mol) am Band bestellte. Es Der Kampf der Frau erst in Ansätzen erschlossen ist. Die war die kriegsbedingte Abwesenheit Retrospektive mit 28 Filmen stiess auf vieler Männer in der Filmindustrie, die Erst mit 47 Jahren realisiert Muriel Box reges Interesse, nicht nur bei Fachleuten, Muriel Box - und auch anderen Frauen 1952 ihren ersten Spielfilm: Sydney Box sondern auch beim lokalen Publikum - - zunächst mit kurzen Dokumentarfilmen produziert A Happy Family basierend nicht zuletzt dank einer sorgfältig den Einstieg in die Filmregie auf dem gleichnamigen Stück von editierten Begleitpublikation. ermöglichte; und dies, obwohl das Mol Michael Clayton Hutton für die London Frauen als Regisseurinnen eigentlich Independent Producers. Entgegen den Vom Drehbuchschreiben kategorisch ablehnte. sonst in der High Society angesiedelten zur Regie In den Vierzigerjähren schrieb Screwball-Komödien spielt der Film im Muriel Box gemeinsam mit ihrem englischen Arbeitermüieu. Es geht um Mit vierzehn zwischen 1952 und 1964 Ehemann vor allem Drehbücher für einen erfolgreichen Häuserkampf realisierten Mainstream-Spielfilmen verschiedene Produktionsgesellschaften. gegen die Londoner Stadtbehörden, die war Muriel Box eine der produktivsten Meist waren es Adaptionen von das Häuschen samt Lebensmittelladen, Regisseurinnen Englands. Mit Komö- Theaterstücken. Das erfolgreichste und einträglichste der Existenzgrundlage der Familie B dien, Melodramen und Thrillern hat aber ein Lord, für ein Strassenprojekt abreissen Q) war Originaldrehbuch: 3 sie zwar mehrheitlich das populäre The Seventh Veil (1945) von Compton will. Angeführt wird dieser Kampf auch E Kino bedient, war aber auch an genre- Bennett wurde 1947 mit einem Oscar hier von einer Frau, Lilian, die sich ganz übergreifenden Formen interessiert. ausgezeichnet. Ein sadomasochistisches in der Tradition der Suffragetten gegen ÏÏ Ihr Werk ist eine ebenso humorvolle Beziehungsdrama zwischen die Herren in Grau wehrt. The Seventh Veil (1945) The Passionate Stranger (1957) Die weiblichen Hauptfiguren von Technologie und Programmpolitik scheuen Percy, dass er es nicht schafft, Muriel Box sind in der Realität der des frühen britischen Fernsehens. Im mit Cyrenne zu schlafen. Sie nimmt englischen Nachkriegszeit verankert. Zentrum aber steht hier der Konflikt ihn mit auf ihre Mansarde, und die Mit Street Corner (1953), einem zwischen einer starken, erfolgreichen beiden verbringen die Nacht ohne halbdokumentarischen Melodrama über Schauspielerin und ihrem finanziell Sex, aber mit intensiven Gesprächen. den Arbeitsalltag von Polizistinnen, abhängigen, dem Alkohol verfallenen Dabei deckt die Protagonistin die exponiert sich die Regisseurin im und spielsüchtigen Ehemann. verklemmten moralischen Vorstellungen konservativen Klima der britischen von Percy auf und bekennt sich zu Filmindustrie, weil sie sich darin gegen die Lust und Kreativität ihrem selbstbestimmten Leben als in den Fünfziger]ahren grassierende Sexarbeiterin und zu ihrer Freude repressive Geschlechterideologie wendet, The Passionate Stranger (1957) basiert an der Sexualität. Ein faszinierendes die Frauen im öffentlichen Dienst wieder auf einem Originaldrehbuch Plädoyer gegen die lustfeindliche als Doppelverdienerinnen diffamierte. von Muriel und Sydney Box und Geschlechterideologie des britischen Ausgangspunkt für ihre Recherchen inszeniert die Figur des Latin Lovers, Nachkriegsfilms. war die Tatsache, dass Polizistinnen der sich als Chauffeur in die Hausherrin Die englische Filmhistorikerin im britischen Unterhaltungsfilm ganz und Schriftstellerin Judith Winter Caroline Merz bezeichnet Rattle of a einfach nicht vorkamen. Da Scotland verliebt. Offensichtlich hat er mit Simple Man als «Antwort einer Frau Yard versuchte, die Aufnahmen an Ori- seinem attraktiven Aussehen denn auch auf die Autoren des Free Cinema, die ginaldrehorten zu verhindern, musste jenes Manuskript von ihr inspiriert, mit ihren Filmen die proletarischen ein Grossteil von Street Corner mit in dem sie eine Liebesgeschichte nordenglischen Helden hymnisch professionellen Schauspielerinnen im zwischen einer Schriftstellerin und ihrem feierten». Mit seiner kargen Ausstattung Studio gedreht werden, ein Kompro- Fahrer schildert. Während die realistische und den eindringlichen, fast miss, der dem zwar sehr informativen, Ebene des Films in Schwarzweiss monologartigen Bekenntnissen der aber etwas steif wirkenden Melodrama gedreht ist, schwelgt die Darstellung Protagonistin, halbnah aufgenommen anzumerken ist. der Fantasie ironisch in den Farben im engen Raum ihrer Mansarde, von Eastmancolor. Brisant ist, wie nimmt sich Box in ihrem letzten Ehekrieg im Studio hier sexuelle Fantasie mit weiblicher Film formale Freiheiten, die nicht nur Kreativität korrespondiert. The den knappen ihr zur Verfügung Die meisten ihrer Filme hat Muriel Passionate Stranger widerspricht damit stehenden Mitteln zuzuschreiben sind, Box denn auch im Studio realisiert. So nämlich jenem freudschen Verdikt, sondern auch mit den raum-zeitlichen auch ihren erfolgreichsten und formal wonach Frauen ihre Sexualtriebe Konventionen des Mainstreamkinos interessantesten Unterhaltungsfilm nicht kulturell sublimieren können. brechen. Der Film fiel beim Publikum Simon and Laura (1955), eine scharf- Denn obwohl sich die Protagonistin und bei der Kritik durch, und Muriel züngige Satire über die Produktion zu ihrem Angestellten durchaus Box beendete damit 59-jährig ihre von frühen TV-Soaps nach einem erotisch hingezogen fühlt, denkt sie gar

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