Gustav Struve (1805-1870) Gustav von Struve wurde am 11. Oktober 1805 als Sohn eines russischen Gesandten in Karlsruhe geboren. Nach Schulbildung in München und Karls- ruhe studierte Struve in Göttingen und Heidelberg Jura. Von 1829 bis 1831 war er im oldenburgischen Staatsdienst tätig, siedelte 1833 nach Baden über, wo er ab 1836 als Rechtsan- walt in Mannheim praktizierte. Daneben war Struve journali- stisch tätig - in ständi- gem Kampf mit der Zensur. 1831 war er Teilneh- mer an den Verhand- lungen des Bundes- tages in Frankfurt. In Mannheim schloß er Freundschaft mit Hecker. Das Adels- prädikat legte er 1847 bewußt ab. Er war einer der führenden Teilnehmer der Offen- burger Versammlun- gen von 1847 und 1848 und Mitglied des Frankfurter Vorparla- ments, übte das Man- dat jedoch nie aus. 1845 heiratete Gustav Struve Amalie Düsar, 1824 geboren als Tochter eines Sprach- lehrers für Franzö- sisch, aus finanziell gesicherten, aber offenbar zeitweilig chaotischen Familien- verhältnissen kom- mend. Vor ihrer Ehe erteilte sie selbst Französich-Unterricht. Sie schloß sich der Lebensführung ihres Schuldscheine Struves für die Finanzierung der Revolution Mannes wie beispiels- weise dem Vegetaris- 72 73 Lörrach (vgl.Weißhaar-Zug) mus an und begleitete diesen auch im Frühjahr 1884 beim Hecker- Das ist zu sehen Zug und im Herbst 1848 bei seinem Aufstandsversuch. "Altes Rathaus" (Wallbrunnstraße, nähe Marktplatz): Gedenktafel zur Erinnerung an die Proklamation der deutschen Republik durch Am 10. April 1848 kam er nach Konstanz, wo er sich vehement für Struve am 21. September 1848. einen bewaffneten Aufstand einsetzte. Er beteiligte sich am Hecker- Marktplatz: Schauplatz der Soldatenaufstände vom Mai 1849. Zug und wechselte mehrmals zwischen den verschiedenen Zügen Gasthaus "Zum wilden Mann" (Baslerstr. 172 am Marktplatz): hin und her (s. dort und Überblick). Nach Heckers Scheitern bei Karl Georg Wenner (Bürgermeister von 1844 bis Oktober 1848, Kandern floh Struve in die Schweiz. Mai und Juni 1849 und 1861 bis 1863; Vorkämpfer für die revolu- tionären Anliegen der 48er) ermöglichte als Wirt zahlreiche Ver- Hier bereitete er im Sommer 1848 die nächste Volkserhebung vor. Er sammlungen der Demokraten seit den 40er Jahren. veröffentlichte "Die Grundrechte des deutschen Volkes" und, zusam- Gasthaus "Rößle" in Stetten: Das ursprüngliche Gasthaus, vor dem men mit Karl Heinzen, einen "Plan zur Revolutionirung und Republi- Struve seine erste Rede über die Republik hielt, ist nicht erhalten. kanisierung Deutschlands". Im Herbst hielten er und seine politischen Friedrich-Hecker-Straße. Freunde den Zeitpunkt für ein erneutes Losschlagen für günstig. In Markus-Pflüger-Straße (vgl. Text). Lörrach rief er am 21. September die deutsche Republik aus. Frei- Friedrich-Neff-Straße (vgl. Rümmingen). burg war das nächste Ziel der Revolutionäre. Mit mehreren Neben- Hauptfriedhof: Ruhestätten von Friedrich Ludwig Raupp, Pfarrer zügen, unter anderem über das Wiesental (vgl. die anderen Revolu- und Revolutionschronist, sowie von Eduard Kaiser, Arzt und über- tionszüge) sollte dies erreicht werden. Struve selbst war im Mark- zeugter Anti-Republikaner, von den Aufständischen wiederholt unter gräfler Land unterwegs und gelangte über Kandern, Schliengen, dem Vorwurf des Volksverrates festgenommen. Müllheim und Heitersheim nach Staufen. Nach der Niederlage dort Museum am Burghof: Vom 20. April 1998 bis 10. Januar 1999 wurde er in Wehr verhaftet, unter starker Bewachung nach Freiburg Trinationale Ausstellung zusammen mit Liestal (CH, vgl. Herwegh- verbracht und am 30. März 1849 vom dortigen Hofgericht zu fünf Zug) und Mulhouse (F) "Nationalität trennt, Freiheit verbindet. Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Dritte Badische Revolution im Mai Revolution von 1848/49 im Dreiländereck". befreite ihn. (Öffnungszeiten: Mi-Sa 14-17 Uhr, So 11-13 u. 14-17 Uhr). Stadtarchiv im Rathauskeller (Luisenstraße 16): 1851 emigrierte er in die USA. Er beteiligte sich als Offizier am Öffnungszeiten: Mo-Fr 8-12 Uhr, Do 15-17.30 Uhr. amerikanischen Sezessionskrieg und kehrte nach der Amnestie 1862 nach Deutschland zurück, wo er als Buchautor lebte. Seine Ernen- nung zum US-Konsul bei den thüringischen Staaten wurde von den Das ist geschehen dortigen Regierungen wegen seiner Vergangenheit abgelehnt. Im Herbst 1848 startete Gustav Struve vom Schweizer Exil aus den Er starb am 21. August 1870 in Wien. Zweiten Badischen Aufstand. Nachdem er am 21. September mit rund 50 Mann in Lörrach eingezogen war, (erste Abb.) ließ er am Amts- und Posthaus Tafeln mit der Aufschrift "Deutsche Republik" anbringen und auf dem Marktplatz eine rote Fahne aufziehen. Vom Fenster des (1869 abgebrochenen) Rathauses hielt er eine Anspra- che an das Volk, worin er die Republik ausrief (zweite Abb.) und das Standrecht verkündete. Gleichzeitig versprach er zahlreiche soziale 74 75 Rümmingen Das ist zu sehen Neuer Friedhof (Karl-Friedrich- Böhringer-Straße): Grabstein von Johann Friedrich Neff (Abb.), ein enger Gefolgsmann von Struve, wegen seines Hangs zu militantem Vorgehen als "Roter Republikaner" bekannt. Sein Fazit im Schweizer Exil über die Fehler der Aufstän- dischen: "Ferner sah ich, daß man keine Republiken gründet durch Gutthätigkeit und Milde, wie wir es thun wollten; die alte Schuld kann leider nur mit Blut abgewaschen werden." Neff wurde am 9. August 1849 in Freiburg standrechtlich erschossen. Die Inschrift "Wer so wie Du fürs Vaterland gestorben, der hat sich ew'gen Ruhm erwor- Maßnahmen und die Abschaffung aller Steuern. Neben den öffentli- ben" mußte zunächst auf Anordnung der großherzoglich-badischen chen Kassen beschlagnahmte er auch die Druckerei Gutsch, wo das Regierung ausgemeißelt werden und wurde erst nach 1918 wieder 'Republikanische Regierungsblatt' gedruckt wurde. Daß der Auf- angebracht. standsversuch hier Erfolg hatte, war zum guten Teil der Lörracher Johann-Friedrich-Neff-Straße Bürgerwehr und ihrem 24jährigen Hauptmann Markus Pflüger zu ver- Neff-Geburtshaus (Lörracher Straße 9). danken. Da sich die Bevölkerung in der Umgebung jedoch nicht in dem erhofften Maße an dem Unternehmen beteiligte, ging Struve 1999 Historisches Schauspiel "Friedrich Neff - der Freiheits- dazu über, die "Wehrpflichtigen" durch Exekutionskommandos zur kämpfer" von Paula Hollenweger anläßlich des 150. Todestages. Teilnahme zu zwingen. Auf diese Weise kam er innerhalb von zwei Tagen zu 8 000 Mann unter Waffen, aber es herrschte bei dieser RVL/SWEG Bus über Binzen, Rümmingen nach Kandern Truppe ein ständiges Kommen und Gehen. Die militärische Schlagkraft war entsprechend gering. Am 11. Mai 1849 kam es in Lörrach wie auch in anderen badischen Kandern (vgl. Hecker-Zug) Garnisonen zu einem Militäraufstand. Während des sich anschlie- ßenden Dritten Badischen Aufstands, der Mairevolution von 1849, überwog in der Region jedoch eine zögerliche Haltung. Schon zwei- Das ist geschehen mal zuvor hatte man hier erfahren, welche negative Folgen erfolglose Am 21. September 1848 hatte Struve in Lörrach zu einem erneuten Aufstandsversuche haben konnten. Trotzdem versuchten auch hier Versuch eines republikanischen Aufstandes aufgerufen. Am nächsten im Dreiländereck die Republikaner, die Bevölkerung ein weiteres Mal Tag schon traf eine Abteilung mit dem revolutionären Regierungs- für ihre Ziele zu gewinnen. Nach ihrer militärischen Niederlage, einer kommissär Johann Friedrich Neff in Kandern ein, um "die monarchi- Verhaftungswelle und standrechtlichen Erschießungen demonstrierte sche Partei mit einem Schlag zu erdrücken". Unter Zwang gelang es Kronzprinz Wilhelm von Preußen als Oberbefehlshaber der Besatz- ihm, die waffenfähige Mannschaft Kanderns aufzubieten. Viele liefen ungstruppen mit einer großen Heerschau von 12 000 Soldaten auf jedoch davon, um der gewaltsamen Rekrutierung zu entgehen. einem Feld zwischen Lörrach und Stetten Stärke. Seit seinem rigoro- Bevor Neff weiter Richtung Schliengen zog, beschlagnahmte er die sen Vorgehen gegen Revolutionäre hatte er den Beinamen Kasse des Bergwerks. "Kartätschenprinz". Wanderroute Wanderroute Kandern - Feuerbach - Liel - Schliengen (örtl. Markierung, ca. 10 km) Ab Bahnhofsplatz Lörrach (örtliche Markierung) durch den Grüttpark zum Röttler Schloß, von da auf dem Westweg des Schwarzwaldver- RVL/SWEG Bus über Binzen, Rümmingen nach Kandern eins (rote Raute auf weiß), über Nebenau nach Kandern (ca. 15 km). "Wiesentalbahn" Basel-Zell im Wiesental SBG-Linie 7300 Titisee-Basel (CH), Linie 7301 Lörrach-Bad Säckingen und Linie 7304 Rheinfelden-Lörrach 76 77 Schliengen Müllheim Das ist Das ist zu sehen Ehemaliges Gebäude der Posthalterei (in den 1950er Jahren zum zu sehen Hotelrestaurant "Alte Post" umgebaut): Hier meuterten am Bahnhof: Damals strategisch 15. Mai 1849 großherzogliche Soldaten gegen ihre Offiziere, die wichtiger Endpunkt der von daraufhin ins Elsaß flüchteten. Mannheim ausgehenden Eisenbahnstrecke entlang des Oberrheins. Das ist geschehen Am 23. September 1848 rief Karl Blind, radikaldemokrati- scher Journalist aus Freiburg und aktives Mitglied der Turnerbewegung in Schliengen, wo sich Freischärler aus dem oberen Markgräflerland zur Unterstützung Struves sammelten, die Republik aus. Die Kasse der Bahnstation wurde beschlagnahmt. Noch am selben Tag zogen Struve und sein Gefolge weiter nach Müllheim. Einen Tag später traf auch Johann Friedrich Neff mit neuen Truppen, die unter Androhung des Standrechts zum Mitziehen gezwungen worden waren, in Schliengen ein. Mittlerweile hatte die Disziplin der Freischärler jedoch stark gelitten. Revolutionsfeindliche Bürger der "Stadtwirtshaus" (Abb.):
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