Naturmaterialien im Kinofilm: Entwicklung einer interdisziplinären Analysemethodik am Beispiel des Naturmaterials Erde im Kriegsfilm Dissertation zur Erlangung der Würde des Doktors der Philosophie (Dr. phil.) Im Fach Medienwissenschaft an der Fakultät für Geisteswissenschaften am Insitut für Medien und Kommunikation an der Universität Hamburg vorgelegt von Gun Kaja Röttgers aus Hamburg 2017 2 Vorsitzende der Prüfungskommission: Prof. Dr. Kathrin Fahlenbrach Erstgutachterin: Prof. Dr. Kathrin Fahlenbrach Zweitgutachterin: Prof. Dr. Judith Ellenbürger Drittgutachter: Prof. Dr. Frank Fehrenbach Disputation am 11.10.2017 Kurzfassung 3 Kurzfassung Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit sind im Film gezeigte Naturmaterialien. Um sich der Wirklichkeit der visuellen Wahrnehmung von Artefakten zu nähern, wird so- wohl das Zeichenpotential als auch das präsentische Potential dieser Filmbilder unter- sucht. In den theoretischen Grundlagen der Arbeit wird mit Bezug zu Cassirer formu- liert, dass in fast jedem Erlebnis präsente und repräsentative Momente in einer unlös- lichen Einheit miteinander verbunden sind. Diese Arbeit geht dementsprechend von einem komplexen Bedeutungs- und Wirkpotential der im Filmbild abgebildeten Na- turmaterialien aus. Untersucht werden also zum einen die vielschichtigen Konnotatio- nen, die diesen Materialien durch kulturelle Kommunikation eingeschrieben sind. Zum anderen wird Naturmaterialien in dieser Arbeit eine relevante Rolle im Rahmen des Präsenz- und Immersionserlebens von Film zugesprochen. Ziel dieser Arbeit ist es, eine umfassende Strategie zur Analyse des visuellen Potentials von Filmmotiven zur Verfü- gung zu stellen und dabei Zusammenhänge und Potentiale von symbolischer, auf Zei- chen beruhender Bildsprache und sinnlicher Wahrnehmung zu bedenken. Die Arbeit ist dazu interdisziplinär angelegt, da sich bildende Künstler_innen und in Folge auch die Kunstgeschichte intensiv mit der Inszenierung von Naturmaterialien im künstlerischen und kommunikativen Kontext auseinandergesetzt haben. Kunsthistori- sche Methoden, wie Ikonografie und Ansätze zur Stofflichkeit, Flächigkeit und Formlo- sigkeit werden für die Analyse von Bedeutungs- und Wirkungspotentialen von Natur- materialien im Film und zugleich für eine generelle Medienanalyse nutzbar gemacht. Hierzu werden die kunsthistorischen Ansätze mit theoretischen und praktischen medi- enwissenschaftlichen Grundlagen und Methoden wie Semiotik, haptischen Filmbildern, Metapherntheorie und dem Sequenzprotokoll, verbunden. Die Arbeit gliedert sich dazu zunächst in einen umfangreichen theoretischen Teil, der kunsthistorische und medienwissenschaftliche Ansätze fruchtbar miteinander verbin- det. Dadurch wird im ersten Teil der Arbeit ein umfassendes ästhetisches Analysemo- dell auf Basis des methodischen Vorgehens der Ikonografie Aby Warburgs und Erwin Panofskys entwickelt, das um sinnlich-körperliche Aspekte der ästhetischen Wahr- Kurzfassung 4 nehmung ergänzt wird und in dem somit auch die kulturelle Codierung von Erfah- rungsdiskursen integriert ist. Die Arbeit konzentriert sich zur Erprobung der entwickelten Methodik auf die Analyse des Naturmaterials Erde in Kriegsdarstellungen, von Kriegsgemälden bis zu Kriegsfil- men, da diese sich für das Thema als besonders ergiebig erwiesen, und nutzt dafür schwerpunktmäßig den Film FLAGS OF OUR FATHERS (Clint Eastwood, USA, 2006). Auf Grundlage des ersten Schrittes des ikonografischen Vorgehens, der vorikonografischen Bildbeschreibung, durchgeführt mit dem entwickelten medienwissenschaftlichen In- strumentarium eines bildbezogenen Sequenzprotokolls, wird anschließend in zwei praktischen Analyseteilen das Bedeutungs- und Wirkpotential des im Zusammenhang mit dem Naturmaterial Erde gefundenen Motivs analysiert und somit die entwickelte Methodik überprüft. Das erste Analysekapitel widmet sich mit Hilfe einer vergleichenden historischen Ana- lyse, angelehnt an die Ikonografie, der Bedeutungsebene des Naturmaterials Erde. Im zweiten Analysekapitel wird mit Hilfe eines inspirativen Blicks auf Naturmaterialdar- stellungen in der bildenden Kunst dem sinnlichen Potential der gefundenen Motive nachgegangen. Dabei wird ein besonderer Fokus auch auf formale Mittel gelegt. In der Anwendung des umfangreichen, auf der Integration von Theorie und Praxis beruhen- den Analysemodells wird das Bedeutungs- und Wirkpotential der filmischen Darstel- lungen des Naturmaterials Erde erarbeitet. Abschließend lässt sich festhalten, dass mit Motiven des Naturmaterials im Filmbild stoffliche Motive mit besonders hoher sinnlicher Qualität und zugleich codiertem Sinnpotential vorliegen. Das untersuchte Motiv des Naturmaterials Erde, inszeniert in einer formatfüllenden Explosion, besitzt multidimensionales Bedeutungs- und Wir- kungspotential. Die Wirkmacht dieses Motivs liegt im Zusammenfallen von intensiver ästhetischer und körperlicher Wahrnehmung und kognitiven und affektiv-emotionalen konnotativen Bedeutungspotentialen, wie sie durch natürliche und kulturelle Codes entstehen. Die Arbeit leistet damit einen wichtigen Schritt zu einem interdisziplinären Vorgehen in Bezug auf Bildphänomene, um der Vielschichtigkeit von Bedeutungsgehalten und sinn- lichen Potentialen des Visuellen näher zu kommen. In diesem Sinne folgt die Arbeit der Kurzfassung 5 Tradition Warburgs und Panofskys und auch aktuellen Forderungen vieler Medien- und Kunstwissenschaftler_innen wie Johannes Zahlten, Marion G. Müller oder Martin Warnke zum interdisziplinären Vorgehen und nach einer größeren Methodenvielfalt, um den Potentialen des realen Filmerlebnisses näher zu kommen. Abstract 6 Abstract Natural materials in movies: Development of an interdisciplinary analysis method using the example of the natural material Earth in war films This work’s focus is on the embeddedness of natural materials in common movies. In order to approach the reality of an artifact’s visual perception, the symbolic as well as the presentist potential of film images are investigated. As a theoretical basis, and following Cassirer’s arguments, this work understands every experience as an insoluble unity that is formed through a combination of presentist and representative moments. The present work therefore proceeds from a complex meaning and action potential of natural materials depicted in film images. Doing so, the variety of connotations im- printed into those materials by cultural communication are examined. On the other hand, natural materials have a relevant role in the film's experience of presence and immersion. Hence, this thesis’ aim is to provide a comprehensive strategy for an analy- sis of the visual potential of film motifs, and to take into consideration the connections and potentials of symbolic and sensory perception. Since visual arts and the underlying history of art has extensively dealt with the pro- duction of natural materials in a variety of artistic and communicative contexts, this work is interdisciplinary by nature. Artistic methods, such as iconography and approa- ches to materiality, flatness, and formlessness, are employed for an analysis of the meaning and impact of natural materials in movies as well as for a more general analy- sis of the natural materials in visual media. To this end, the theoretical and practical approaches to media science and methods such as semiotics, haptic film images, me- taphoric theory, and tools such as sequence protocols are combined. The present work starts with an extensive theoretical part that links art-historical and media-scientific approaches. Consequently, the author develops a comprehensive aesthetic analysis model which is based on the methodically-iconographic approaches of Aby Warburg and Erwin Panofsky, which is supplemented by sensory-physical as- pects of aesthetic perception. Furthermore, an integration of cultural coding of empiri- cal discourses is developed. Abstract 7 In order to test the developed methodology, the present work focuses on analysing the natural material Earth in war portraits, as exemplified by war paintings or war films. These kinds of portraits have been chosen because they prove to be particularly productive for the topic. As a prime example, the film FLAGS OF OUR FATHERS (Clint Eastwood , USA, 2006) is used to test the theories developed earlier. As a first step of the iconographic procedure a pre-iconographic image description is pursued. This is carried out with the newly developed media-scientific instrument of an image-related sequence protocol. On that basis, the meaning and impact of the motif found in connection with the natural material Earth is then dissected in two practical parts of analysis. The first chapter of the analysis is devoted to a dissection of the meaning behind Earth as a natural material; this is done via a comparative historical analysis in the tradition of iconography. In the second chapter of the analysis, the sensual potential of the found motifs is investigated with the help of an inspirative view of natural material representations in the visual arts. A special focus is placed on formalistic instruments of film analysis. Meaning and impact of Earth as a natural material on the cinematic representations is developed by an application of the earlier-formed extensive analysis model. Conclusively, the work identifies motifs of the natural material in film pictures as mate- rialistic motifs with particularly high sensual quality and with an encoded meaning. The explored motif of Earth as a natural material, which is staged in a format-filling explo- sion, has a multidimensional
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