Herbert Nikitsch Auf der Bühne früher Wissenschaft Aus der Geschichte des Vereins für Volkskunde (1894 - 1945) Auf der Bühne früher Wissenschaft Buchreihe der Österreichischen Zeitschrift für Volkskunde Herausgegeben von Margot Schindler Neue Serie Band 20 Herbert Nikitsch Auf der Bühne früher Wissenschaft Aus der Geschichte des Vereins für Volkskunde ( 1894- 1945) Wien 2006 Selbstverlag des Vereins für Volkskunde Gedruckt mit Unterstützung der Österreichischen Forschungsgemeinschaft, des Magistrats der Stadt Wien, MA 7 - Kultur Referat Wissenschafts- und Forschungsförderung Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © beim Autor Selbstverlag des Vereins für Volkskunde Satz: Herbert Nikitsch Druck: Börsedruck, Wien ISBN 10 3-900358-25-7 ISBN 13 978-3-900358-25-9 Inhalt Einleitung .................... .................. ____........... ..7 1) Gründerjahre. ...... 16 - Fachgeschichtliches Umfeld................. ..................____...................16 - Protagonisten: Michael Flaberlandt & Wilhelm Flein ____ 35 - Gesellschaftliches Umfeld . ........ 56 - Ein Präsident: Joseph Alexander Freiherr von Helfert ___. 63 - Zur „inneren Organisation“ des Vereins .................... 70 - Ein Faktotum: Franz X. Grössl................ 84 2) Konsolidierungen ........ 89 - Von der Vereinssammlung zum k. k. Museum. ................ 89 - Vom Programm zur Propaganda: Der Verein für Volkskunde im Ersten Weltkrieg........................ 129 - Ein „Lehrer-Sammler“ in einem , judenliberalen“ Verein: Fleinrich Moses. ...................................... 149 3) Dienst an der Heimat..................... 175 - Illustrierter Streifzug durch Ästhetik und Ideologie unserer frühen Wissenschaft________ 178 - Stadtheimat ....... 201 - Diener der Heim at.......................................... .....212 - Umbruch und Aufbruch ....... 232 4) Der Verein, Leopold Schmidt und die österreichische Nachkriegsvolkskunde: Ein Ausblick.. _____ 247 Anhang - Literatur .......... 283 -Chronik 1894-1945 .317 -Funktionsträger 1894-1945............................... 407 „Die Frage nach dem Zweck, die Frage Warum? ist durchaus nicht wissenschaftlich. Etwas weiter aber kommt man mit der Frage Wie? Denn wenn ich frage: Wie hat der Ochse Hörner? so führt mich das auf die Betrachtung seiner Organisation und belehrt mich zugleich, warum der Löwe keine Hörner hat und haben kann.“ Eckermann, Gespräche mit Goethe, 20. 2. 1831 Einleitung Wenn der Narr recht hat und die ganze Welt Bühne ist, dann spielt in diesem universalen Theater der Verein als Institution eine besondere und für den Zuschauer dankenswerte Rolle. Ist er doch selbst ein Schau­ spiel im Kleinen - mit statutarisch festgelegtem Programm, das fixen Regeln folgt, Handlung, Dramatis Personae und Requisiten bestimmt und zugleich einen Einblick in die Dramaturgie auch seines weiteren Umfeldes erlaubt: seines zeitpolitisch-gesellschaftlichen Ambientes ebenso wie - handelt es sich um eine wissenschaftliche Gesellschaft - der fachinternen Anstöße und Entwicklungen, die zu seiner Gründung geführt und im weiteren Verlauf der Fachgeschichte seine Aktivitäten geprägt haben. Der „Verein für österreichische Volkskunde“ (später „Verein für Volkskunde in Wien“) gilt landläufig als einer der wichtigsten und nach­ haltigsten Impulsgeber für die hiesige Volkskunde, die sich ja - wie das im gesamten deutschsprachigen Raum der Fall gewesen ist - recht spät (erstmals 1924 in Graz) als akademische Disziplin an den Hochschulen etabliert und zunächst in außeruniversitären Institutionen formiert hat. Und jedenfalls spiegelt diese 1894 gegründete Gesellschaft in ihrer Entstehung und Programmatik die Geschichte der österreichischen Volkskunde und deren staatspolitische Voraussetzungen und in ihren weiteren Aktivitäten den jeweiligen Entwicklungsstand der Disziplin in der gesellschaftlichen und kulturellen Spezifik des nationalen Rahmens. Hier sollen einige Abschnitte aus der Geschichte dieses Vereines dargestellt werden - dargestellt zuweilen in des Wortes eigentlicher Be­ deutung und so in dem konkreten und vielleicht etwas banal anmuten­ den Sinn, den der Satz Walter Benjamins suggeriert, demnach „der Chronist, welcher die Ereignisse hererzählt, ohne große und kleine zu unterscheiden, der Wahrheit Rechnung [trägt], daß nichts was sich jemals ereignet hat, für die Geschichte verloren zu geben ist.“1 1 Walter Benjamin: Über den Begriff der Geschichte. In: Gesammelte Schriften, Band. 1/2. Hg. von R olf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser. Frankfurt am Main 1991, S. 691 - 704, hier S. 694. 8 Einleitung Zum einen wird also diese Geschichte in Geschichten „hererzählt“ werden, erzählt entlang dem Fortgang der „großen und kleinen“ Er­ eignisse des Vereinslebens, das hier von der Gründung des Vereins bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs (bzw. zum Beginn der Zweiten Republik) verfolgt werden soll. Zum anderen will damit allerdings keine, interne Details penibel rekapitulierende ,Vereinsgeschichte‘ im landläufigen Sinn geschrieben werden. Denn wenn sich auch der Anstoß zu dieser Arbeit der seinerzeitigen Absicht der Vereinsleitung verdankt, anno 1994 eine Chronik des Vereins für Volkskunde anlässlich seines 100jährigen Bestehens herauszugeben, wird davon nur mehr wenig zu merken sein. Dies gilt nicht zuletzt für die Haltung zur beschriebenen Gesellschaft, gehorcht doch eine festschriftliche Vereinsgeschichte gewöhnlich den Gesetzen eines Nachrufs und damit der Forderung nach dem Nil nisi bene - und der kann hier selbstverständlich nicht entsprochen werden. Zudem soll auch weniger einer (und schon gar nicht teleologisch ausgerichteten) Chronologie gefolgt sein: Es werden vor allem einige thematische Schwerpunkte bzw. signifikante und die gesamte Vereins- (und Fach-) Geschichte prä­ gende Phänomene behandelt. Das erste Kapitel widmet sich dem fachintemen und -externen Um­ feld der Gründung des Vereins, situiert ihn im zeitgenössischen fach­ geschichtlichen Ambiente und wirft einige Schlaglichter auf sein gesell­ schaftliches Substrat. Im zweiten Abschnitt wird die Phase der allmäh­ lichen Etablierung und Konsolidierung des Vereins skizziert, wie sie sich, ungeachtet seiner langüber ökonomisch prekären Situation, vor allem in der praktischen Umsetzung (teils selbst-, teils fremd­ bestimmter) museal-programmatischer und politisch-propagandistischer Aufgaben manifestiert hat. Das dritte Kapitel, chronologisch den österreichischen Geschichtszeitraum der Ersten Republik, des Austro­ faschismus und des Nationalsozialismus umfassend, nimmt weiterhin das der Volkskunde stets anhaftende „Odium der Grenzverwischung zwischen theoretischer und angewandter Wissenschaft“2 ins Visier und geht am Beispiel einiger in enger Verbindung mit dem Verein stehender Personen und Organisationen ihrer institutionalisierten kulturpolitischen Vermittlungsaktivität nach. Eine kursorische Schilderung der Situation 2 Gerhard Heilfürth: Volkskunde. In: Rene König (Hg ): Handbuch der empirischen Sozial­ forschung 4: Komplexe Forschungsansätze. 3. Aufl., Stuttgart 1974, S. 162-225, S. 204. Einleitung 9 und Entwicklung des Vereins für Volkskunde in der österreichischen Nachkriegszeit und ein Blick auf das Wirken Leopold Schmidts, dieses für den Verein wie für die gesamte österreichische Volkskunde so prägenden Fachvertreters (der 1952 die Direktion des Museums und 1959 die Vereinspräsidentschaft übernommen hat), beschließt die Rück­ schau auf 50 Jahre Vereinsgeschichte. Die Arbeit behandelt nicht viel mehr als die ffälfte dieser Vereins­ geschichte - und das guten Gewissens: weil unter Einhaltung einer historiographischen Distanz, ohne die ein Gegenstand nicht mehr fokussiert werden kann. Freilich, auch dem weitsichtigeren retro­ spektiven Blick stellt sich die Vergangenheit nur zu oft in verzerrter (und gewöhnlich verklärender) Perspektive dar - wird doch in der Regel der oft weitgehend zufällige historische Ablauf der Dinge3 gern post festum zu einer mehr-weniger zielgerichteten sog. Entwicklung“ zurecht­ gestutzt. Und so spiegelt der Titel dieser Arbeit - „Auf der Bühne früher Wissenschaft“ - ihre Intentionen auch nur mit Vorbehalt: „Früh“, das soll schlicht signalisieren, dass es hier um Fachgeschichte geht, nicht aber, dass diese Fachgeschichte als steter Verlauf, als ein - was Art und auch Gehalt der Erkenntnisinteressen der Disziplin anlangt - kumulativer Prozess und Fortgang, also gewissermaßen unter evolutionärem Aspekt gesehen wird. Denn die Annahme eines linearen wissenschaftlichen Fortschritts, der Wissenschaftsgeschichte als die Geschichte berühmter Gelehrter und ihrer bleibenden Erkenntnisse zu schreiben erlaubte, scheint mitt­ lerweile auch in volkskundlicher Historiographie in Mißkredit geraten zu sein. Konnte ihr etwa noch Leopold Schmidt folgen, der in seiner „Geschichte der österreichischen Volkskunde“ nicht weniger als ein halbes Jahrtausend „allmählichen Wachstums“ überblickt hat4, zielen 3 Und gerade dieser zufällige Ablauf ist es ja, der uns ermöglicht, neue Zusammenhänge zu sehen und neue Fragen zu stellen, vgl. Helmut Neuhaus: Der Historiker und der Zufall. In: Frank-Lothar Kroll (Hg.): Neue Wege der Ideengeschichte. Festschrift für Kurt Kluxen zum 85. Geburtstag. Paderborn u.a. 1996, S. 61-80. Ein anschauliches Beispiel, wie verschiedene fachgeschichtliche „Versionen“ diesfalls der deutschen Völkerkunde/Kulturanthropologie sich ausnehmen können, bietet Thomas Hauschild:
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