Unter Träumern

Unter Träumern

Deutschland chen dürfen.“ Kiefer verweist auf das „in jeder Hinsicht abschreckende“ Modell in Österreich, wo Unterrichtsinhalte und KARRIEREN Lehrpersonal ebenfalls allein von Islam- verbänden bestimmt wurden. Bei einer Un- Unter Träumern tersuchung, so Kiefer, kam heraus, dass mehr als 70 Prozent der Islamlehrer dort über keine pädagogische oder theologische In allen Parteien, außer bei der Linken, wuchern dieser Tage Ausbildung verfügten. 21,9 Prozent von ih- nen lehnten die Demokratie ab, weil sie die Hoffnungen auf einen Posten am neuen sich nicht mit dem Islam vereinbaren lasse, Kabinettstisch nach der Bundestagswahl im September. und 18,2 Prozent zeigten Verständnis dafür, dass „Muslime, die vom Islam abgefallen n der „Muppet Show“ gibt es zwei äl- Es darf hemmungslos gewünscht wer- sind, mit dem Tode bestraft“ würden. tere Herren, oben in der Loge. Sie sit- den. Alles kann, nichts muss. Jeder darf Unter den westdeutschen Kultusminis- Izen dort, verfolgen das große Spiel un- sich wenigstens sechs Monate lang als künf- tern ist auch deshalb unumstritten, dass ten, wissen alles besser und wünschen sich tiger Minister, Fraktionsvorsitzender oder der Staat beim Islamunterricht im Boot offenbar nichts sehnlicher, als selbst noch sonst was Schickes fühlen. bleiben muss. Nordrhein-Westfalen, Hes- mal mitspielen zu dürfen. In der „Muppet In allen Parteien, außer der Linken, wu- sen oder Baden-Württemberg verfolgen Show“ heißen die beiden Herren Statler chern dieser Tage die Hoffnungen. Die zwar offiziell weiter das Ziel eines „ech- und Waldorf. In der Berliner Politik heißen Grünen Renate Künast und Jürgen Trittin ten“ Religionsunterrichts in Zusammen- sie Solms und Brüderle. träumen von einer Rückkehr an den Kabi- arbeit mit den Verbänden. In Wirklichkeit ist vielen Fachleuten in den zuständigen Ministerien aber längst klar, dass eine ak- zeptable islamische Religionsgemeinschaft als Träger eines landesweiten Unterrichts auf absehbare Zeit nicht in Sicht ist. Bayern will vom nächsten Schuljahr an möglichst vielen Schulen im Land einen islamischen Religionsunterricht nach eige- nen, staatlichen Lehrplänen anbieten. Aus- gearbeitet hat die Pläne ein ehemaliger Grundschulpädagoge von der Universität Erlangen-Nürnberg. Das Kultusministe- rium sucht nun nach lokalen islamischen Gruppen oder Organisationen, die dieses Konzept jeweils vor Ort mittragen. Auch die Deutsche Islamkonferenz kann sich inzwischen einen Weg aus der Starre vorstellen. Als „Übergangslösung“, heißt es in einem „Zwischen-Resümee“ der Kon- ferenz, könne man doch einfach so tun, als ob eine solche Religionsgemeinschaft vorhanden sei, und den Unterricht in un- THIEL / IMAGO CHRISTIAN SCHREIBER / AP MARKUS verbindlicher Absprache mit den Verbän- Röttgen Nahles den schon mal einführen. Schließlich ist Ministeraspiranten: Es darf hemmungslos gewünscht werden dafür ein langer Vorlauf nötig: Über 2000 Lehrer müssten bundesweit ausgebildet Seit gefühlt einem halben Jahrhundert nettstisch. CDU-Generalsekretär Ronald werden, schätzen Experten, an den Hoch- hoffen die FDP-Politiker Rainer Brüderle Pofalla träumt davon, mal was Seriöses zu schulen fehlen Studiengänge. und Hermann Otto Solms, dass sie doch machen, Arbeitsminister zum Beispiel. Die Islamverbände sind davon offenbar noch Bundesminister werden dürfen. Dass Andrea Nahles von der SPD träumt das wenig begeistert: Sie befürchteten, dann sie dort mitspielen können, wo es Spaß auch. Ursula von der Leyen würde gern Ge- dauerhaft aus dem Spiel zu sein, heißt es macht: im Kabinett. sundheitsministerin werden, Ulla Schmidt aus Kreisen der Islamkonferenz. Offiziell Das Warten hat sie alt, aber nicht müde würde das gern bleiben. Sigmar Gabriel wollte sich der Koordinierungsrat der Mus- werden lassen, Brüderle mag 63 Jahre alt träumt sowieso ständig davon, was Besseres lime in Deutschland gegenüber dem SPIE- sein, Solms schon 68, aber in diesen zu werden. GEL zu dem Modell nicht äußern. Wochen erleben sie so etwas wie ihren Und selbst Peter Struck, der sich eigent- In mehreren Landesministerien wird vierten Frühling. Die Hoffnung auf Höhe- lich von der Politik verabschieden wollte, diese Marschroute insgeheim längst vor- res lässt sie aufleben. Solms, eigentlich hat noch einen letzten Wunsch: „Verteidi- bereitet. „Wir halten das für den Königs- Prinz zu Solms-Hohensolms-Lich, steigt gungsminister, das wär’s noch mal“, brummt weg“, sagt eine zuständige Behördenchefin jeden Morgen um sechs Uhr aus dem er bisweilen vor sich hin; dann schaut er im Südwesten der Republik. Und auch Is- Bett, um auf seinen Fitnessgeräten zu ra- hinüber zu seinem Sprecher Norbert Bi- lamwissenschaftler Kiefer hält ihn für rich- deln und zu rudern. cher, der all die Jahre mit ihm durch die tig: „Ein anderer Weg bleibt uns nicht, Nicht nur für rüstige Liberale hat die Politik gewandert ist. „Aber nur, wenn Nor- wenn wir islamischen Religionsunterricht Zeit des Träumens begonnen. In der Regel bert noch mal mitkommt.“ Die beiden wir- in Deutschland nicht auf den Sankt-Nim- geht sie ein gutes halbes Jahr vor wichtigen ken wie ein altes Ehepaar. Norbert hat ge- merleins-Tag verschieben wollen.“ Wahlen los und endet erst danach. Es sagt, er wolle sich das noch mal überlegen. Matthias Bartsch, Andrea Brandt, ist die schönste Jahreszeit im Zyklus der Berlin ist in diesem April voll von nied- Michael Sontheimer Politik. Wie Frühling eben. lichen Plänen und schönen Phantastereien. 38 der spiegel 17/2009 Es sind Karrierepläne mit vielen „Wenns“. Röttgen passt vom Typus her besser in damit die derzeit ranghöchste Genossin. Am energischsten wird derzeit in der FDP die moderne Zeit. Er ist einer der wich- Damit steht ihr nach den Regeln der SPD geträumt. Elf Jahre hatten die Liberalen tigsten Vertrauten Merkels, aber er hat ein Ministerium zu. Die Frage ist nur, wel- kein Bundesministerium mehr zu verge- mehrmals deutlich gemacht, welche ihrer ches? Ihr Name taucht auf, wenn es um ben. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie ab Positionen er für falsch hält. Das hat die Ministerposten im Bereich Gesundheit, Herbst mitregieren, ist hoch, entweder in Kanzlerin nicht gefreut, aber es hat ihm Familie oder Arbeit geht. Doch Nahles einer Koalition mit der Union oder in ei- den Respekt der Fraktion eingetragen. träumt wählerisch. nem Ampelbündnis mit SPD und Grünen. Merkel wird nach der Wahl nicht an ihm Sie ist nie Staatssekretärin geworden, Dass Guido Westerwelle in diesem Falle vorbeikommen. weil sie die Sackgassen gesehen hat, in die endlich Außenminister würde, ist gesichert. Ob sie ihm deshalb den Ministerwunsch dieses Amt einen Spitzenpolitiker führt. Komplizierter wird es für Solms und Brü- erfüllt, ist eine andere Frage. Im schlimms- Sie hat sich aufgespart für einen Spitzen- derle. Letztlich wird sich, wenn überhaupt, ten Falle müsste Röttgen Generalsekretär posten. nur für einen von beiden der Traum erfül- werden, falls Ronald Pofalla für seine Jah- Nahles hat zwar die Bürgerversicherung len. Brüderle möchte Wirtschaftsminister re im Adenauer-Haus tatsächlich mit dem entwickelt, aber Gesundheitsministerin werden, Solms Finanzminister, die FDP Arbeitsministerium belohnt wird. will sie jetzt nicht mehr werden. Sie hat ge- wird aber höchstens eines der beiden Das ist das Schöne an der Zeit des Träu- merkt, dass man sich auf diesem Posten Ressorts bekommen. Die zwei aus der mens. Man kann sich Ämter sichern, die nur Feinde macht, selbst wenn man gut ist. Loge blockieren sich gegenseitig. vielleicht nie zur Verfügung stehen wer- Das Familienministerium ist ihr eine Solms und Brüderle mögen die hoff- den. Gut möglich, dass die eigene Partei Nummer zu piefig. Zudem ist es inzwi- nungslosen Fälle unter den Hoffenden sein, nach der Wahl keinen einzigen Minister- schen nicht leicht, ohne eigene Kinder aber sie sind in guter Gesellschaft. Viele posten zu verteilen hat. Aber die Realität Familienministerin zu werden. Mit sieben Nachkommen hat Ursula von der Leyen in dieser Hinsicht die Latte relativ hoch gelegt. Andrea Nahles will daher lieber Arbeits- und Sozialministerin werden. Schwierig ist nur, dass es mit Olaf Scholz bereits einen Arbeitsminister gibt, der auch noch von der SPD kommt. Nahles will ihn beerben, aber nicht verdrängen. Seit ihrer Kampf- kandidatur um das Amt der Generalse- kretärin, in deren Zuge damals Parteichef Müntefering zurücktrat, kämpft Nahles be- dächtiger. Ihre Hoffnung ist, dass Scholz Fraktionsvorsitzender werden könnte. Auf den Fraktionsvorsitz hofft aber auch Umweltminister Gabriel. Selbst Parteichef Müntefering, raunen Genossen, könne im Falle einer Regierungsbeteiligung zusätz- lich dieses Amt übernehmen. Es sind viele Gerüchte in der Luft dieser Tage, das macht die Planung für jene, die zum eigenen Aufstieg entschlossen sind, JOERG KOCH / DDP (L.); HENNING SCHACHT / ACTION PRESS (R.) / ACTION / DDP (L.); HENNING SCHACHT JOERG KOCH so schwierig. Solms Künast Es wäre weniger kompliziert, wenn alle so wären wie Peter Ramsauer. Der ist ein seltenes Wesen in der Politik, er ist der Politiker teilen geradezu den gleichen bremst in dieser Zwischenphase weder Anti-Träumer. Der Landesgruppenchef der Wunsch vom Aufstieg, auch wenn ihre Phantasie noch Ehrgeiz. CSU wünscht sich nichts sehnlicher, als Ausgangssituation sich ebenso unterschei- Zu den forschesten Träumern gehören in nichts mehr zu werden. Sollte sein Partei- det wie ihr Vorgehen. dieser Wahlsaison zwei Frauen, Ursula von vorsitzender Horst Seehofer ihn ins Ka- In der Union hoffen Roland Koch und der Leyen und Andrea Nahles. Die eine ist binett rufen, wäre dies der Alptraum für Norbert

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