E N O T A P S Y D E / K E / C R N E A I K L N L U A M E R G U R T O C E I P G Alt-Nazi Meyer 1959, Sozialdemokrat Schmidt 1958: Die SPD-Spitze war erstaunlich gutgläubig Wilke hat sich die „Hilfsgemeinschaft auf ZEITGESCHICHTE Gegenseitigkeit“ (HIAG) vorgenommen, den 1992 auf Bundesebene aufgelösten Traditionsverband der Waffen-SS, deren Brauner Bluff Unterlagen er auswerten konnte*. Danach gaben sich die Alt-Nazis zwar Auf der Jagd nach Wählerstimmen warben CDU und SPD in der geläutert („Wo das Verbrechen anfängt, hört die Kameradschaft auf“), doch intern Nachkriegszeit um die Veteranen der Waffen-SS. Eine dominierte der braune Ungeist. Das Ent - Studie beschreibt, wie die Volksparteien dabei ausgenutzt wurden. gegenkommen von Demokraten wie Schmidt oder Adenauer blieb im Kern m Abend des 7. August 1953 ist kam. Der Mann ist Sozialdemokrat, ohne Gegenleistung. Stattdessen nutzten der Jugendstil-Saal des Winterhu - Volkswirt, steht damals am Beginn einer HIAG-Vertreter die verbreitete, aber un - Ader Fährhauses gut gefüllt. Grau - beispiellosen politischen Karriere und begründete Angst vor ihrer Klientel, um blauer Zigarettenqualm schwebt über den heißt: Helmut Schmidt. sich eine Altersversorgung zu sichern und Männern mit dem harten Gesicht. Unter Er ist nicht der Einzige, der um die Ve - trugen durch öffentliche Geschichtsklitte - ihrem Hemd tragen viele die Tätowierung teranen der Waffen-SS buhlt. Auch CDU- rung dazu bei, dass Verbrechen jahrelang der Blutgruppe am linken Oberarm. Es Kanzler Konrad Adenauer und SPD-Nach - ungeahndet blieben. Die HIAG schrieb sind Veteranen der Waffen-SS, die sich kriegschef Kurt Schumacher werben um „die Waffen-SS in die ,Legende von der in dem Hamburger Ausflugslokal versam - die Wählerstimmen der früheren Elitetrup - sauberen Wehrmacht‘ ein“, urteilt Wilke. melt haben. pe, die von den alliierten Richtern im Dabei war die braune Truppe während Die Bundestagswahl steht bevor, und Nürnberger Militärtribunal zur „verbre - des Krieges besonders rücksichtslos gegen der Redner, ein kleingewachsener, schnei - cherischen Organisation“ erklärt wurde. Gefangene und Zivilisten vorgegangen. diger ehemaliger Oberleutnant, wirbt um Adenauer besucht sogar Waffen-SS-Gene - Zu den ursprünglich nur aus Freiwilligen, Hitlers einstige Elitetruppe. Als alter ral Kurt Meyer („Panzer-Meyer“), der im dann auch aus Wehrpflichtigen rekrutier - Kriegskamerad müsse er sagen, dass er Gefängnis im westfälischen Werl einsitzt, ten Divisionen, die sich als bewaffneter „immer das Gefühl besonderer Zuver - weil er 1944 in Frankreich etwa 20 kanadi - Teil der SS verstanden, gehörten zudem sicht“ gehabt habe, wenn die Waffen-SS sche Kriegsgefangene hinrichten ließ. die SS-Totenkopfverbände, die die Kon - neben ihm kämpfte. Leider würden deren Später lobten Konservative wie der zentrationslager bewachten. Auch des - Angehörige oft mit denen der Gestapo Philosoph Hermann Lübbe die Gründer - halb warfen die Nürnberger Richter der verwechselt und zu Unrecht angeklagt, generation für ihren sanften Umgang mit Waffen-SS Kriegsverbrechen und Verbre - berichtet später erfreut eine Zeitschrift der SS-Truppe. Die „Integration“ habe chen gegen die Menschlichkeit vor. der Waffen-SS-Veteranen über die Veran - die Stabilität der jungen Demokratie erst Nach 1945 hatten deren Veteranen staltung. sichergestellt. Doch immer wieder wird zwar keine politischen Ambitionen, wohl Die Reaktion des Publikums auf die diese Bewertung von jüngeren Histori - Rede ist nicht überliefert, aber einiges kern angezweifelt. Der Bielefelder Wis - * Karsten Wilke: „Die ,Hilfsgemeinschaft auf Gegen - spricht dafür, dass der Hamburger Ver - senschaftler Karsten Wilke hat diese The - seitigkeit ‘ (HIAG) 1950 –1990“. Schöningh-Verlag, Pa - kehrsdezernent dröhnenden Applaus be - se nun in besonderer Weise erschüttert. derborn; 464 Seiten; 58 Euro. 44 & '% " 42/2011 Deutschland aber wollten sie die gleichen schönen Die SPD-Spitze war erstaunlich gut - Stellungnahmen der Basis fand Wilke Übergangsgelder und Renten wie Wehr - gläubig. Schon Schumacher übernahm „durchgängig antidemokratische, rassisti - machtsangehörige und natürlich eine Re - unbesehen die Behauptung der HIAG, sche und antisemitische Positionen“. habilitation vom Nürnberger Urteil. die Veteranen der Waffen-SS hätten sich So schrieb ein HIAG-Mitglied 1959 an Die HIAG hielt daher nicht nur zur re - überwiegend vom Nationalsozialismus Meyer: „Es ist leider so, dass beinahe al - gierenden CDU engen Kontakt, sondern gelöst und seien in eine „ausgesprochene les, was mit der Öffentlichkeit zu tun hat, auch zu den oppositionellen Sozialdemo - Pariarolle“ geraten, aus der man ihnen von israelischer Seite geführt und wesent - kraten. Die SPD war als Partei des Wi - heraushelfen müsse. lich beeinflusst wird.“ Noch deutlicher derstands eine moralische Instanz. Die Später hielten die SPD-Verteidigungs - wurde ein bayerisches HIAG-Mitglied: Jahre im KZ hatten ihren Vorsitzenden politiker Fritz Erler – auch er einst ein „Das wieder mächtig gewordene Juden - Schumacher zum einbeinigen Krüppel ge - Mann des Widerstands – und Helmut tum (…) würde nicht zögern, jeden Ab - macht. Dennoch empfing er 1951 eine Schmidt den Kontakt zur HIAG. Sozial - geordneten politisch zu zerschmettern, HIAG-Delegation in Bonn und öffnete demokraten traten auf deren Veranstal - der es wagen sollte, für die Rechte der damit den Veteranen eine Tür zur SPD. tungen auf und trugen dazu bei, dass die Angehörigen und Hinterbliebenen der Der Einfluss der HIAG beruhte vor al - rechte Truppe gesellschaftsfähig blieb. Im ehemaligen Waffen-SS einzutreten.“ lem auf maßloser Übertreibung. Ihre Bundestag stimmte die SPD im Einklang Im Jahr 1953 zogen HIAG-Anhänger Sprecher nahmen für sich in Anspruch, mit der regierenden CDU dafür, dass die mit einem martialischen Fackelzug bei ei - bis zu zwei Millionen Menschen zu ver - Waffen-SS in der Rentenfrage nach und ner „Sonnwendfeier“ zur schwäbischen treten, und sie lockten die Sozialde - nach der Wehrmacht zum Teil gleichge - Burg Staufeneck und grölten das Lied mokraten mit der Aussicht, „Millionen stellt wurde. „Das ist die Garde, die Adolf Hitler liebt“. deutscher Stimmen zu gewinnen“. In Kurt Meyer junior, der Sohn von „Pan - Wahrheit lebten gerade einmal 250 000 Das Entgegenkommen zer-Meyer“, schrieb später, ein Foto des Veteranen in Westdeutschland. Nur acht Vaters mit Hitler habe über dem Schreib - Prozent hatten sich bei der HIAG organi - der Demokraten tisch des HIAG-Sprechers gehangen. siert – kein sonderlich eindrucksvolles Po - blieb ohne Gegenleistung. Als Anfang der sechziger Jahre deut - tential. Aber der Bluff gelang. lich wurde, dass für die HIAG keine wei - Schumacher rechtfertigte sein Treffen Immerhin blieb die Bundeswehr, in der teren Vorteile zu erlangen waren, driftete mit dem Hinweis, es sei „keine gute Sache die SS-Offiziere gern ihre Karriere fort - der Verband nach und nach in den offe - für eine junge Demokratie“, wenn sich gesetzt hätten, der HIAG-Klientel weit - nen Rechtsextremismus. So gab der Bun - ein so großer Block Unzufriedener bilde. gehend verschlossen. desverband zeitweise einen Kalender her - Vor allem der aus der Haft entlassene Nach außen gaben sich viele HIAG- aus, in dem nationalsozialistische Ge - und später zum Bundessprecher der Leute geläutert. Der verurteilte Kriegs - denktage eingetragen waren. HIAG aufgestiegene „Panzer-Meyer“ verbrecher Meyer versicherte Erler, Kri - Doch es dauerte bis in die achtziger spielte geschickt mit diesen Ängsten. Mal minelle hätten „in der HIAG nichts zu Jahre, dass erst die SPD und dann auch drohte der charismatische Ex-General, suchen“. Als 1959/60 eine Welle antise - die CDU ihren Kurs offiziell korrigierten. seine Männer könnten „aus Dummheit“ mitischer Schmierereien in der Bundes - Von 1981 an durften HIAG-Mitglieder zu rechtsextremen Parteien abdriften, republik Aufmerksamkeit erregte, bot er nicht mehr Genossen sein. wenn sich die SPD nicht für sie einsetze. öffentlich an, ehemalige Waffen-SSler Danach wurde die Sozialdemokratie Dann wieder erzählte er, der sowjetische könnten vor Synagogen und jüdischen nur noch einmal durch das Thema aufge - Botschafter habe den Kontakt zu ihm ge - Friedhöfen Wache schieben – ein ebenso schreckt. 2006 bekannte der langjährige sucht. Solche Versuche von östlicher Seite geschickter wie zynischer PR-Coup. Sozialdemokrat, SPD-Wahlkämpfer und hätten „gewisse Erfolgschancen“, sollte Natürlich kam es nie dazu, und intern Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass, die „Eingliederung der frühereren Waf - distanzierte sich Meyer von dem Vor - in der Waffen-SS gekämpft zu haben. Al - fen-SS-Angehörigen im demokratischen schlag. Stattdessen hielt die HIAG-Spitze lerdings: Er war nie Mitglied der HIAG. Staat auf Schwierigkeiten stoßen“. Kontakt zu Rechtsextremisten. In den R" B #!$)'! , K"(' W &.
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