November 1918 Manfred Weißbecker – Gescheiterter Aufbruch Hans-Kai Möller – Hamburg Unter Der Roten Fahne Hans Matthaei – Denkmal Für Die Revolutionsopfer

November 1918 Manfred Weißbecker – Gescheiterter Aufbruch Hans-Kai Möller – Hamburg Unter Der Roten Fahne Hans Matthaei – Denkmal Für Die Revolutionsopfer

November- revolution Bewaffnete Arbeiter und Soldaten in Berlin Unter den Linden, 10. November 1918 Reiner Zilkenat – Die Revolution 1918/1919 Klaus Gietinger – November 1918 Manfred Weißbecker – Gescheiterter Aufbruch Hans-Kai Möller – Hamburg unter der roten Fahne Hans Matthaei – Denkmal für die Revolutionsopfer RF-Beilage Die Revolution 1918/19 und ihr Platz in der deutschen Geschichte Am 9. November 1918 wehten rote Fahnen über Berlin. Der General- Lebensmitteln nicht mehr gewährleistet werden. Entbehrungen, streik wurde ausgerufen. Lange Demonstrationszüge hatten sich in Epidemien und Hunger breiteten sich aus, Nahrungsmittel wur- den Vormittagsstunden in den Arbeiterbezirken formiert und bald den zum Teil unerschwinglich. Es entwickelte sich ein blühender das Stadtzentrum erreicht. Auf Transparenten und Schildern wur- „Schwarzmarkt“, auf dem nur diejenigen willkommen waren, die de ein Ende des Mordens an den Fronten und die Beseitigung der über Wertsachen, „Friedensware“, Gold oder Devisen verfügten. Die Hohenzollern-Herrschaft gefordert. Die revolutionäre Bewegung, Stimmung in großen Teilen der Bevölkerung befand sich deshalb die von den Matrosen und Arbeitern in Wilhelmshaven und Kiel seit im kontinuierlichen Sinkflug. In einer Zusammenstellung der dem dem 27. Oktober ausgelöst worden war und seitdem in zahlreichen Innenministerium vorliegenden Lageberichte vom 3. September Städten und Regionen Fuß fassen konnte, hatte die deutsche Haupt- 1918 hieß es: „Der bedauerliche Rückgang der allgemeinen Volksstim- stadt erreicht. Noch am 9. November gab Reichskanzler Prinz Max mung, welcher schon in den beiden Vormonaten zu beobachten war, von Baden eigenmächtig die Abdankung des Kaisers bekannt und ist auch im August noch nicht zum Stillstand gekommen; nicht nur übergab seine Amtsgeschäfte an Friedrich Ebert, den Vorsitzenden vereinzelt wird in den Berichten die Auffassung vertreten, daß die der SPD. Ebert konstituierte als Regierung einen „Rat der Volksbeauf- Stimmung seit Kriegsausbruch noch nie so schlecht gewesen sei als tragten“, bestehend aus ihm, den SPD-Führern Otto Landsberg und in den letzten Wochen.“ Bereits im Jahr zuvor, am 3. Juli 1917, hatte Philipp Scheidemann sowie den USPD-Repräsentanten Emil Barth, das stellvertretende Generalkommando in Düsseldorf gemeldet, daß Wilhelm Dittmann und Hugo Haase. Am frühen Nachmittag des es am 28. Juni in fünfzig Geschäften zu Lebensmittelplünderungen 9. November proklamierten Karl Liebknecht „die freie sozialistische gekommen sei: „Die Polizei schritt mit der Waffe ein; fünfzig Poli- Republik Deutschland“ und Philipp Scheidemann „die Republik zeibeamte wurden verletzt. Alsdann wurde Militär aufgeboten, der Deutschland“. verschärfte Belagerungszustand verhängt und ein außerordentliches Welche Ursachen lagen den revolutionären Ereignissen des Novem- Kriegsgericht eingesetzt, das schon am folgenden Tage auf hohe bers 1918 zugrunde? Wie konnte es zum jähen Ende des deutschen Zuchthausstrafen erkannte. Die Zahl der Verhaftungen betrug 200.“ Kaiserreiches kommen, einer militärischen, politischen und ökono- Am 3. Juni 1918 analysierte das I. stellvertretende Generalkommando mischen Großmacht, die noch vor wenigen Jahren den „Griff nach die entstandene Lage durchaus realistisch mit folgenden Worten: der Weltmacht“ gewagt hatte? „Gerade die niederen Volksschichten sind am stärksten über das Näheren Aufschluß geben uns streng geheime Lageberichte, die von Endergebnis und die Zeitdauer des Krieges beunruhigt, und es ge- den Oberpräsidenten der preußischen Provinzen, vergleichbar den winnt die Ansicht Boden, das arbeitende Volk müsse irgendwie zur heutigen Ministerpräsidenten der Bundesländer, von Bürgermeistern, Beschleunigung des Kriegsendes eingreifen.“ In besonderer Weise Landräten, den stellvertretenden Armeeoberkommandos und an- trug zur Beunruhigung staatlicher Stellen bei, daß sich mittlerweile deren amtlichen Stellen, aber auch von staatlichen Körperschaften „eine recht erbitterte Stimmung auf wirtschaftlichem Gebiete her- außerhalb Preußens, regelmäßig an das Innenministerium in Berlin ausgebildet“ habe. „Sie richtet sich gegen die ungeheuren Gewinne gesandt wurden. Hier wurde bereits seit langem ungeschminkt auf der wirtschaftlichen Trustbildungen und der Kriegswirtschaft“, wie das Anwachsen kriegsgegnerischer und politisch oppositioneller es das XIX. stellvertretende Generalkommando am 3. November Strömungen, nicht nur innerhalb der Arbeiterklasse, hingewiesen. 1917 dem Innenministerium mitgeteilt hatte. Bereits im März 1917 hatte z. B. das württembergische Kriegsmini- Kurzum: Im Verlaufe des Jahres 1917 hatte sich in weiten Teilen der sterium auf eine allgemeine „Kriegsmüdigkeit“ hingewiesen, die sich Bevölkerung eine unübersehbare Stimmungslage ausgebreitet, immer weiter ausbreite. Es werde sogar beobachtet, daß „Krieger- die von einem Verlangen nach möglichst schneller Beendigung frauen von ihren an der Front stehenden Männern vielfach Briefe des Krieges geprägt war und die sich im Verlaufe des Jahres 1918 erhalten, in denen die Frauen von der Zeichnung der Kriegsanleihen beschleunigte und immer größere Bevölkerungsschichten erfaßte. gewarnt werden mit der Begründung, daß durch ihre Zeichnung Aber auch die bedrückenden politischen Verhältnisse – z. B. Pres- der Krieg nur noch verlängert werde“. Am 3. Dezember 1917 teilte sezensur, Versammlungsverbote, eskalierende Repressionen gegen die „Kriegsamtsstelle Danzig“ dem Innenministerium mit, daß sich Kriegsgegner – wurden nicht länger hingenommen. Im April und „die Friedenssehnsucht von Tag zu Tag vergrößert, und nicht selten im November 1917 hatten in vielen deutschen Städten Arbeiter vernimmt man nicht nur in den Kreisen der Minderbemittelten und gegen die Fortsetzung des Krieges und für ein Ende der politischen des Mittelstandes, sondern auch in sogenannten gebildeten und Unterdrückungen gestreikt sowie Massendemonstrationen durch- besseren Kreisen recht herbe und aufreizende Äußerungen über die geführt. Vom 28. Januar bis zum 4. Februar 1918 erschütterten die Länge des Krieges und die Unmöglichkeit des weiteren Durchhaltens.“ Munitionsarbeiterstreiks in Berlin, Bremen, Köln, Leipzig, Magdeburg, Die sich immer mehr verschärfende „Kriegsmüdigkeit“ erreichte im München und in anderen deutschen Städten die fragiler gewor- Sommer 1918 mit der mißlungenen Offensive der deutschen Armeen dene Herrschaft des deutschen Imperialismus. In Berlin hatte sich in Frankreich, der „Operation Michael“, einen neuen Höhepunkt, als ein System „revolutionärer Obleute“ gebildet, die vor allem in den innerhalb weniger Wochen eine Viertelmillion deutscher Soldaten Großbetrieben der Rüstungsindustrie verankert waren und ein neu- getötet oder verwundet wurden. Damit war die strategische Initia- es Element in der Organisierung und Durchführung proletarischer tive an der Westfront endgültig an die französischen und anglo- Massenaktionen darstellten. Unterstützt wurden die Obleute von amerikanischen Truppen übergegangen. Die Kriegsniederlage war der Spartakusgruppe, die innerhalb der im April 1917 gegründeten unabwendbar. Zugleich konnte in Deutschland die Versorgung mit Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) 2 für eine sofortige Beendigung des Krieges ohne Annexionen und eingetreten, um „den Streik zum schnellsten Abschluß zu bringen Kontributionen und für einen revolutionären Sturz des imperialisti- und eine Schädigung des Landes zu verhüten“. Am 10. November schen Herrschaftssystems eintrat. In ihren insgeheim seit Januar 1916 1918 handelte er in ähnlicher Weise. In einem abendlichen Telefo- gedruckten „Spartakusbriefen“ verbreiteten sie ihre Anschauungen, nat mit Generalleutnant Wilhelm Groener, dem faktischen Chef der wobei sie immer wieder durch Nachstellungen der Politischen Po- Obersten Heeresleitung, versicherte er, mit dem Einmarsch „zuver- lizei sowie die Verhaftung ihrer führenden Kader (Karl Liebknecht, lässiger“ militärischer Einheiten in Berlin einverstanden und bereit Rosa Luxemburg, Ernst Meyer u. a.) in ihrer Arbeit behindert wurden. zu sein, eine „restlose Bekämpfung der Revolution, die Wiederein- Eine große Schubkraft erhielt die revolutionäre und Antikriegsbe- setzung einer geordneten Regierungsgewalt, die Stützung dieser wegung in Deutschland durch die Revolutionen des Jahres 1917 in Regierungsgewalt durch die Macht einer Truppe und die baldige Rußland. In den Lageberichten staatlicher Behörden in Deutschland Einberufung einer Nationalversammlung“ herbeizuführen. „Wir haben finden sich hierzu geradezu alarmierende Nachrichten. uns“, so Ebert, „verbündet zum Kampf gegen die Revolution, zum Bereits am 24. März 1917 schrieb der Präsident des Kriegsernäh- Kampf gegen den Bolschewismus.“ Von nun an telefonierten beide rungsamtes Adolf von Batocki in einem Bericht an den preußischen Konterrevolutionäre jeden Abend über eine abhörsichere Leitung Innenminister Friedrich Wilhelm von Loebell: „Die russische Revo- und koordinierten ihr weiteres Vorgehen gegen die Revolutionäre. lution, deren Führer von der Presse in liebenswürdigen Farben mit Doch das Bündnis der Obersten Heeresleitung mit Ebert und sei- deutscher ‚Objektivität‘ geschildert werden, wirkt natürlich ungün- nesgleichen in der SPD-Führung hätte allein nicht ausgereicht, um stig auf den in seinen monarchischen Gefühlen nicht gefestigten die Revolution abzuwürgen. Deshalb wurden Ende des Jahres 1918 Teil der Bevölkerung. Das gilt insbesondere von den wohlwollenden sogenannte Freikorps gegründet, konterrevolutionäre Einheiten aus Berichten über die Friedensziele

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