„Der Deal Unseres Lebens“ Bertelsmann Hat Sich Zum Medienhaus Mit Angeschlossener Investmentbank Entwickelt

„Der Deal Unseres Lebens“ Bertelsmann Hat Sich Zum Medienhaus Mit Angeschlossener Investmentbank Entwickelt

Wirtschaft MEDIENKONZERNE „Der Deal unseres Lebens“ Bertelsmann hat sich zum Medienhaus mit angeschlossener Investmentbank entwickelt. Der größte Teil des Gewinns wird seit Jahren mit riskanten Börsendeals erwirtschaftet. Die angesammelten Milliarden sollen den Vorstoß an die Weltspitze der Medienindustrie finanzieren. ür Alexander Dibelius war es kein se von Bertelsmann.“ Das ist stark unter- Geld tauscht oder wann der Ausstieg aus guter Tag. Da hatte sich der erfolg- trieben. Im normalen Geschäft erwirt- Firmen nahe liegt, steuert den deutlich Fverwöhnte Investmentbanker von schaften die 76000 Beschäftigten im lau- größeren Betrag bei: 3 Milliarden. So soll Goldman Sachs, ein enger Berater von fenden Geschäftsjahr 1,8 Milliarden Mark es weitergehen: 11 Milliarden Mark Ge- DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp, Gewinn. Eine kleine Truppe von Exper- winn erwartet Bertelsmann allein im Ge- endlich zum Vorstandschef der Bertels- ten, die sich auf Start-ups verstehen, die schäftsjahr 2001/2002 aus derartigen Fi- mann AG vorgekämpft. Artig gratulierte wissen, wie man an der Börse Ideen gegen nanzgeschäften. Auf der Verkaufsliste ste- er zum spektakulären Kauf des TV-Unter- nehmens RTL Group und bot seine Diens- te als Berater an. Und dann das. Thomas Middelhoff hörte am vergange- nen Montag freundlich zu, die Absage fiel dennoch schnörkellos aus: Goldmann Sachs – nein, danke. „Das können wir selbst“, soll Middelhoff den Berater be- schieden haben. Längst sind die Gütersloher, einst als Provinzmanager belächelt, selbst in die Liga der großen Dealmaker aufgestiegen. In den letzten Jahren haben sie das Ge- schäftsmodell ihres Traditionskonzerns ra- dikal verändert. Fast geräuschlos, anfangs tastend, mittlerweile mit vollem Risiko. Kein anderes Unternehmen betreibt die moderne Form der Gewinnmaximierung, von Experten kühl „Portfolio-Manage- ment“ genannt, derart radikal – und bisher zumindest erfolgreich. Normalerweise läuft es in der Wirtschaft so: Eine Schraubenfabrik verdient ihr Geld mit Schrauben, Autokonzerne verkaufen Autos, und Medienfirmen leben davon, dass sie TV-Programme senden, Bücher verlegen und Zeitungen verkaufen. Bei Bertelsmann ist das mittlerweile an- ders. Geredet wird zwar noch immer viel Konzernstratege Middelhoff (vordere Reihe, 2. v. l.), Kollegen*: „Das können wir selbst“ über die so genannten Stammgeschäfte, den Zeitschriftenverkauf, den TV-Markt, die Druckereien; das große Geld aber verdient Kleine Investitionen ... das Unternehmen durch Geschäfte in Wall- Street-Manier. Mini-Firmen werden billig Einstieg bei aufgekauft, mit dem Geld aus dem schnel- 2500 Joint Venture von Lycos AOL Inc. (5%) Einstieg mit 50% len Börsengang aufgepäppelt – und später Inc. mit Bertelsmann 80 Mio. Mark* 40 Mio. Mark mit viel Profit wieder abgestoßen. 2000 Unter Führung von Middelhoff, 47, der gemeinsame Kauf von 17 Mio. Mark im November 1998 den Vorstandsvorsitz Gründung von weiteren übernahm, entwickelt sich Bertelsmann 1500 AOL-Europe, 25% An- spätere An- fang 1996 immer deutlicher zum Medienkonzern mit Gründung mit laufverluste 0,06 Mio. Mark angeschlossener Investmentbank. Ein in- 1000 560 Mio. Mark ternes Dossier resümiert: „Portfolio-Ma- Stammkapital nagement verbesserte die Finanzergebnis- Anlaufverluste Börsen- in den Folge- barometer jahren: 200 * Im Kreis der Führungskräfte, darunter Finanzchef Siegfried Technologie- Mio. Mark Luther (vordere Reihe, 1. v. l.) und der für Mergers & Ac- börse Nasdaq 1995 1996 1997 quisitions zuständige Vorstand Arnold Bahlmann (4. v. l.). 110 der spiegel 7/2001 hen die Internet-Firmen Lycos Europe, Pi- xelpark und ein Aktienpaket von AOL Time Warner. Die Margen im normalen Geschäft kön- nen mit den Gewinnen aus dem Firmen- Monopoly nicht mithalten. Die Buchclubs, einst Keimzelle des Konzerns, werfen kaum Profit ab, im Musikgeschäft fallen derzeit weniger als 5 Mark Gewinn ab, wenn für 100 Mark CDs verkauft werden. Bei den Zeitschriften bleiben immerhin 13 Mark, und im TV-Geschäft, dem profita- belsten Teil des Konzerns, wird eine Ren- DPA dite von über 20 Prozent erwirtschaftet. REA / LAIF Doch im Börsenpoker existieren Ge- Bertelsmann-Größen Middelhoff, Mohn, Partner Frère: Börsengang in drei Jahren winnspannen, die auf herkömmliche Wei- se nirgends zu verdienen sind. Ein Anteil 25,1 Prozent der Bertelsmann AG – die sie Vier Monate später präsentierte Mid- an dem von Steve Case gelenkten Daten- in drei Jahren an die Börse bringen kön- delhoff den Plan, mit dem Online-Riesen dienst America Online hat Bertelsmann nen. Dann soll der deutsche Medienriese – AOL zu einer börsennotierten Firma zu etwa rund 80 Millionen Mark gekostet – eine Sensation für die Branche – in Frank- fusionieren. Doch in diesem Konstrukt hät- und nach fünf Jahren rund 1,7 Milliarden furt sowie in New York gelistet werden. te Bertelsmann als größter Einzelaktionär gebracht. Ein Plus von 2025 Prozent. Middelhoff: „Das ist der Deal unseres Le- nur über 30 Prozent verfügt – der damali- Noch stärker rentierte der Start des 1995 bens, er wird Bertelsmann in ganz andere ge Aufsichtsratschef und langjährige Mohn- gegründeten Gemeinschaftsunternehmens Dimensionen katapultieren.“ Vertraute Mark Wössner, 62, konnte dem AOL Europe: Der vor knapp einem Jahr Denn was bisher nur für Beteiligungs- Plan nichts abgewinnen. beschlossene Verkauf des Bertelsmann-An- firmen galt, der Zugang zum Kapitalmarkt, Er wollte keine fremden Eigentümer, er teils von 50 Prozent bringt bis zum Jahr wird für das Gesamtunternehmen Realität: setzte fast ausschließlich aufs angestamm- 2003 einen Spitzenbetrag von 15 Milliarden Die weltweiten Anleger könnten ihre Mil- te Mediengeschäft, in dem er sich zu Hau- Mark in die Kasse. Dem stehen nur An- liarden direkt beim Konzernchef abgeben. se fühlte. Doch auch Mohn kam schließlich laufverluste von 560 Millionen Mark ent- Einmal an der Börse präsent, ist alles zur Erkenntnis, dass Wössners Methode gegen. Ein Plus von 2580 Prozent. möglich: Die anderen Kapitaleigentümer, im globalen Wettlauf mit börsennotierten Sogar die kleine Technikfirma Media- die Bertelsmann-Stiftung (57,6 Prozent) Riesen wohl im Abseits enden würde. ways mit ihren 220 Angestellten (Investiti- und die Familie des Konzernpatriarchen In Wössners Schlussära als Konzernchef onssumme für Bertelsmann: 200 Millionen) Reinhard Mohn (17,3 Prozent), bräuchten war das Betriebsergebnis um sieben Pro- brachte beim Verkauf 3,3 Milliarden Mark. nur einer Kapitalerhöhung zuzustimmen, zent auf 1,4 Milliarden Mark gefallen, nur Ein Plus von 1550 Prozent. schon wäre neues Investitionsgeld da. durch außerordentliche Erträge wurde dar- Vergangene Woche verkündete Middel- Vor kurzem galt ein Börsengang des aus ein Plus (siehe Grafik Seite 112). Die hoff den vorläufigen Höhepunkt der Kauf- Mutterhauses als undenkbar. Noch im Au- Kriegskasse füllte Wössner, der vom Bör- und Verkauf-Strategie: In Kürze über- gust 1999 erklärte Eigentümer Mohn, 79: sentreiben nicht viel hielt, mit gerade mal nimmt Bertelsmann die Mehrheit beim „Jeder Unternehmensbereich, der geeig- 1,4 Milliarden auf. Fernsehkonzern RTL Group und bezahlt net ist, kann an die Börse gehen. Nur die Middelhoffs Strategie dagegen zahlte den Kauf von 30 Prozent der Anteile mit Bertelsmann AG nicht.“ sich schnell aus. Wie ein Befreiungsschlag einem stattlichen Paket eige- ner Aktien. Die Vertrags- partner, die Finanziers Börsenkapitalwert der verbliebenen Verkauf von Börsengang von Bertelsmann-Beteiligungen Albert Frère aus Mediaways Lycos Europe Brüssel und Paul Erlös Emissionserlös in Millionen Mark, Stand 8. Februar Desmarais aus 3300 Mio. Mark 1500 Mio. Mark Montreal, erhalten Verkauf von AOL-Inc.- Lycos Europe Anteilen Bertelsmann-Anteil 20% 491 ... die sich auszahlen Erlös Christoph Mohn 12,1% gemeinsam 32,1% Media-Investments 1700 Mio. Mark und -Verkäufe des Bertelsmann-Konzerns Verkauf von Börsengang von AOL-Europe Barnesandnoble.com 50 Barnesandnoble.com Erlös in drei Bertelsmann-Anteil 39,4% Tranchen Emissionserlös 15 000 Mio. Mark 792 Mio. Mark Pixelpark Börsengang Bertelsmann-Anteil 60% 451 von Pixelpark Emissionserlös Einstieg mit weitere 176 Mio. Mio. Mark * 50% für 352 Mio. Mark* Mark Investitionen 118 Umrechnungskurse zu Jahresdurchschnittswerten AOL Time Warner Inc. 1727 1998 1999 2000 2001 Bertelsmann-Anteil 0,385% der spiegel 7/2001 111 Wirtschaft Trennung öffentlich, der altgediente Ma- nager musste später alle Jobs räumen, die an der Spitze des Aufsichtsrats und der Bertelsmann-Stiftung. Damit war Middelhoffs Position gestärkt, gleichzeitig sicherte Mohn seiner Familie entscheidende Rechte: Sie soll auch künf- tig bei Entscheidungen ein Vetorecht haben – so wie es der Firmenpatriarch innehat. Zudem dürfen die Familienmitglieder nun an Sitzungen des Aufsichtsrats teilnehmen, Reinhard Mohns Frau Liz zieht nach SPIE- GEL-Informationen in Kürze sogar in das Kontrollgremium ein. Sie soll die Wahrung der Unternehmenskultur garantieren. Seit der Neuordnung spielt Middelhoff befreit auf. Seine Portfolio-Strategen ha- W. M. MCLEOD M. MCLEOD W. REUTERS ben derzeit die Multimediaagentur Pixel- Napster-Chef Fanning, AOL-Chef Case: „Führende Position wiedergewinnen“ park auf ihrer Liste. Die Firma finanziert ihre Verluste zwar aus dem beim Börsen- wirkte der Verkauf des defizitären Pay-TV- telsmann seit kurzem. Vorstand Arnold gang erlösten Geld, nun aber soll sie rich- Senders Premiere, der Bertelsmann jähr- Bahlmann ist für „Formulierung und tige Erlöse erbringen – die Bertelsmänner lich mehrere hundert Millionen Mark ge- Durchsetzung einer verbindlichen Portfo- haben ihre 60-Prozent-Beteiligung

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