MAURICE RAVEL Orchestral Works Vol

MAURICE RAVEL Orchestral Works Vol

MAURICE RAVEL Orchestral Works Vol. 2 Ma mère l’oye Pavane pour une infante défunte Shéhérazade: Ouverture Une barque sur l’océan L’éventail de Jeanne: Fanfare Menuet antique Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR Stéphane Denève 02 Maurice Ravel (1875 – 1937) Musikalische Maskenspiele 03 1 Pavane pour une infante défunte [06:12] 9 Une barque sur l’océan [07:29] Maurice Ravels erste veröffentlichte Komposition Celesta waren zwei Harfen vorgesehen sowie zu- erschien 1898 unter dem paradox-anachronisti- sätzlich zur großen Bläserbesetzung ein Sarruso- 10 Ma mère l’oye Shéhérazade. Ouverture de féerie [13:30] schen Titel Menuet antique. Dass das Menuett phon, das im 19. Jahrhundert in Frankreich als Ballett in 6 Bildern für Orchester [29:50] dem Namen nach erst seit dem 16. Jahrhundert kräftigere Alternative zu Oboe und Fagott entwi- Deutsch 2 Prélude [03:35] 11 Menuet antique [07:02] existierte, wusste Ravel selbstverständlich, als er ckelt worden war. Die Uraufführung am 27. Mai 3 Danse du rouet et scène [03:47] die Komposition für Klavier 1895 vollendete. 1899 war nicht nur Ravels Debüt als Dirigent, son- 4 Pavane de la Belle au bois dormant [02:49] 12 Fanfare pour l’éventail de Jeanne [01:50] Dennoch verlieh er der Musik durch bestimmte dern auch ein ziemliches Debakel: „Wenn Herr 5 Les entretiens de la Belle et de la Bête [05:28] harmonische Mittel – etwa durch die Vermeidung Ravel glaubt, dass dies eine Ouvertüre nach der 6 Petit poucet [05:05] des Leittons oder durch einen mixolydischen klassischen Struktur ist [so hatte der Komponist 7 Laideronnette, impératrice des pagodes [05:04] TOTAL TIME [66:20] Schluss – einen Charakter, der antiken Tonarten im Programmheft behauptet], so muss man zuge- 8 Apothéose. Le jardin féerique. nachempfunden war. Womöglich waren Titel und ben, dass Herr Ravel viel Phantasie hat. Seine Art Lent et grave – Carnaval des animaux – Gestaltung sogar als ein ironisches Augenzwin- des Aufbaus erinnert an Grieg und noch mehr an Ma mère l’oye [04:01] kern auf die strenge Form gedacht, die er damals Rimsky-Korsakov oder an Balakirev“, war in der als Student am Konservatorium paukte. Vielleicht Zeitung zu lesen. sind sie aber auch einfach das frühe Zeugnis einer lebenslangen Vorliebe für phantasievolle und ex- Die genannten Einflüsse sind nicht von der Hand travagante Maskeraden. Über dreißig Jahre später, zu weisen, hatte sich Ravel in dieser Zeit doch in- im Jahr 1929, bearbeitete Ravel das Werk für Or- tensiv mit der Musik jener Komponisten befasst. chester und brachte es unter eigener Leitung am Ravel verwarf das Opernprojekt und distanzierte 11. Januar 1930 in Paris zur Erstaufführung. sich später sogar von seiner „miesen“ Shéhérazade- Ouvertüre, „die so viele Ganztonleitern enthält, Im Herbst 1898 komponierte Ravel die Ouvertüre dass mir für den Rest meines Lebens jeglicher Shéhérazade sowie erste Teile einer geplanten Appetit darauf vergangen ist“. Bemerkenswert ist 2 Oper nach den „Märchen aus 1001 Nacht“. Die jedoch, dass hier bereits die Farben des Ravelschen Wahl des Themas war nicht zuletzt dem damali- Orchesterklangs zu hören sind und der Komponist gen Zeitgeist geschuldet: Fremdheit und Exotik – dem Märchenstoff treu blieb: Noch kurz vor sei- ob es sich um Opiumträume des Orients, spani- nem Tod arbeitete er an Skizzen zum Ballett- sche Kastagnetten-Klänge oder russischen Drama Morgiane, das ebenfalls auf dem orienta- Folklorismus handelte – faszinierte die Kolonial- lisch-erotischen Stoff basierte. mächte. Befeuert wurde die Neugierde der Euro- päer durch die Weltausstellungen, die damals Im Jahr darauf erhielt Ravel von „Tante Winnie“ mehrfach in Paris stattfanden. Zu Beginn des 20. den Auftrag zur Pavane pour une infante défunte. Jahrhunderts erschien in Frankreich zudem eine Die Fürstin Edmond de Polignac, geborene Winna- Orchestral Vol. Works neue Übersetzung der „Märchen aus 1001 Nacht“, retta Singer und Erbin des amerikanischen Näh- | unter deren Hauptfiguren sich die schöne Erzähle- maschinenkonzerns, war eine der glanzvollsten rin Shéhérazade befindet. Persönlichkeiten im Paris des Fin de Siècle, hatte sich als Mäzenin einen Namen gemacht und führ- Die Ouvertüre Shéhérazade – nicht zu verwechseln te einen Salon, zu dessen Stammgästen Marcel mit Ravels Gesangstriptychon aus dem Jahr 1903 Proust, Jean Cocteau und Pablo Picasso gehörten. – war sein erstes Werk für großes Orchester: Neben umfangreichen Streichern, Schlagwerk und MAURICE RAVEL MAURICE ORCHESTRA 04 05 In jenen Kreisen sowie bei den höheren Töchtern, kommt in Une barque sur l’océan zum Ausdruck: nierte Ravel vier weitere Sätze, die ebenfalls von 1911 arbeitete Ravel die fünf Stücke als Orchester- die das Klavierspielen erlernten, erfreute sich Das Meer klingt wie in einem unwirklich-phantas- Perraults Märchensammlung Contes de ma suite um, ein Jahr später entwickelte er Ma mère Ravels Pavane für Klavier schnell höchster Beliebt- tischen Traum, es sind weniger die Wellen und der mère l’oye sowie durch Erzählungen von Marie- l’oye zu einem Ballett weiter, indem er der Suite Deutsch heit. Wind, die das Schiff auf dem Ozean hin und her Catherine d’Aulnoy und Jeanne-Marie Leprince ein Prélude, einen Tanz des Spinnrades sowie Inter- Deutsch werfen. Es ist vielmehr ein aufregendes Schwan- de Beaumont inspiriert waren. Dem ersten, bereits ludien hinzufügte. Das etwa halbstündige Ballett Obwohl der Komponist das Werk im Jahr 1910 ken zwischen Impressionismus und Symbolismus, bestehenden Satz in äolischem Kirchenton folgt kam am 28. Januar 1912 nach einem selbstent- noch für kleines Orchester umgearbeitet hatte, das den Reiz des Stücks ausmacht. ein zweiter in c-Moll mit dem Titel Der kleine worfenen Szenario durch Jacques Rouché am rückte er bereits zwei Jahre später von der Pavane Däumling, in dem Ravel den Fauxbourdon, eine Théâtre des Arts in Paris zur Aufführung. ab: „Das Stück ist inzwischen so alt, dass ich als Die Fassung für Orchester entstand im Jahr 1906, Satztechnik des 15. Jahrhunderts, versteckte. Exo- Komponist es längst den Kritikern preisgegeben wurde im Folgejahr unter Gabriel Pierné in Paris tische Anklänge verlieh er Laideronnette, Kaiserin Fünfzehn Jahre später war es erneut Rouché, der habe, und es macht mir nichts aus, darüber zu aufgeführt und 1926 offenbar noch einmal vom der Pagoden durch pentatonische Skalen. Den vier- ein einaktiges Kinderballett herausbrachte. Bei sprechen. Aus der zeitlichen Distanz sehe ich nicht Komponisten verändert. Die neue Fassung blieb ten Satz, die Unterhaltung zwischen der Schönen L’éventail de Jeanne („Der Fächer der Jeanne“) han- mehr, was den Wert der Pavane ausmachen könn- aber unveröffentlicht, der Komponist zog die Or- und dem Biest, komponierte Ravel als langsamen delt es sich allerdings um ein Gemeinschaftswerk te; umso deutlicher erkenne ich leider ihre Män- chestrierung von Une barque sur l’océan sogar Walzer. In der Fassung für Orchester vertraute er mehrerer Komponisten, für das Ravel eine einlei- gel: sie ist allzu offenkundig von Chabrier beein- gänzlich zurück. Von den übrigen vier Teilen der bei der Verwandlung des Biests in einen schönen tende Fanfare komponiert hatte. Auf sie folgten flusst und ziemlich armselig in ihrer Form. Ich Miroirs setzte Ravel lediglich noch Alborada del Prinzen ganz auf die Klangfarben der Instrumente: verschiedene Tanzsätze von Pierre Octave Ferroud, glaube, vor allem die bemerkenswerte Interpreta- gracioso für Orchester (siehe Ravel Orchester- Macht sich das Biest noch durch ein brummendes Jacques Ibert, Roland-Manuel, Marcel Delannoy, tion [Ricardo Viñes’, der sie am 5. April 1902 urauf- werke Vol. 1, SWR music/Haenssler Classic Kontrafagott bemerkbar, verwandelt es sich mit Albert Roussel, Darius Milhaud, Francis Poulenc, geführt hatte], hat diesem unreifen, harmlosen CD 93.305). einem Harfenglissando in einen eleganten, Vio- Georges Auric und Florent Schmitt. Initiatorin des Werk zu einem solchen Erfolg verholfen.“ Hinsicht- line spielenden Prinzen. Mit den schwärmerisch- Werks war die Mäzenin (und Namenspatronin) lich des Titels äußerte sich Ravel zunächst, es Ein Salon, in dem Maurice Ravel in Paris regelmä- impressionistischen Klängen eines großen, farben- Jeanne Dubost, die in Paris eine Ballettschule lei- handle sich um „keine Trauerklage für ein totes ßig verkehrte, war der des Ehepaares Ida und Cyp- prächtigen Feengarten schließt die Suite. tete und in deren Salon die Komposition am 16. Kind, sondern eine Vorstellung von einer Pavane, rian Godebski, die zwar keinesfalls so wohlhabend Juni 1927 informell zur Aufführung kam. Die offi- 2 wie sie vielleicht von so einer kleinen Prinzessin in waren wie „Tante Winnie“. Dennoch galt die Auf- Da die beiden kleinen Widmungsträger sich die zielle Uraufführung folgte am 4. März 1929 an der einem Gemälde von Velázquez getanzt wurde“. nahme in den Kreis der dort verkehrenden Schrift- Uraufführung nicht selbst zutrauten, wurde die Pariser Opéra in einem Bühnenbild von Pierre Le- Später sagte er, der Titel habe gar nichts mit der steller, Musiker und Maler als Ritterschlag im Pari- Klavierfassung von Ma mère l’oye. Cinq pièces en- grain und René Moulaert und mit Kostümen von Komposition zu tun, er habe die Worte lediglich ser Geistesleben der 1920er Jahre. Maurice Ravel fantines im Jahr 1910 von der elfjährigen Jeanne Marie Laurencin. In der Choreographie von Yvonne wegen ihres Klanges und der Assonanzen kombi- gehörte zu den Getreuesten dieses Kreises und Leleu und der zehnjährigen Germaine (oder Gene- Franck und Alice Bourgat waren die elfjährige niert. hatte sich infolgedessen

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