44/Exzentriker (Page 152)

44/Exzentriker (Page 152)

Gesellschaft Ihren Ruf als Spaßguerrilleros festigten die beiden Helden durch diverse Scherze: Sie setzten Jour- nalisten per Hubschrauber auf ei- ner einsamen Insel vor der briti- schen Küste aus, oder sie zündeten in Schweden einen Scheiterhau- fen aus Schallplatten an, weil ih- nen die Benutzung eines Sound- schnipsels des Erfolgsquartetts Abba untersagt worden war. Ihre pyromanischen Neigungen lebten Drummond und Cauty nach dem Abschied vom Hitpara- denpop erst richtig aus. Das Witz- bold-Duo firmierte nun als „The K Foundation“ und präsentierte der Öffentlichkeit ein Kunstwerk, das aus auf einem Holzbrett festgena- REDFERNS gelten Banknoten im Wert von ei- Aktionskünstler Cauty, Drummond: Attacken auf die Langeweile des Showgeschäfts ner Million Pfund bestand – zu- gleich boten sie die Skulptur den ten: „Ladies and Gentlemen, The KLF ha- Hütern der Londoner Tate Gallery für EXZENTRIKER ben hiermit das Musikgeschäft verlassen.“ 500000 Pfund zum Kauf an. Als die Tate- Das war 1992. Im August dieses Jahres Leute nicht zugreifen wollten, verbrannten Millionen in erschien im Londoner Stadtmagazin „Time die verkannten Artisten das Eine-Million- out“ eine Anzeige: „Sie sind wieder da. Pfund-Mißverständnis 1994 bei einer spek- Die Erfinder von Trance. Die Lords des takulären Aktion auf der schottischen In- Flammen Ambient. Die Könige des Stadion-House. sel Jura. Die Paten des Techno-Metal. Die beste Für viele Briten hörte angesichts solcher Bill Drummond und Jimmy Rave-Band aller Zeiten! THE KLF.“ Und Umtriebe der Spaß auf – zumal Drummond tatsächlich ist nun eine neue Single unter und Cauty jede Erklärung zu ihrem Treiben Cauty sind berüchtigt für Schock- dem Titel „Fuck the Millenium“ erschienen bis heute ablehnen. So wurden sie als no- Späße – nun verwirrten sie – eine bizarre Bearbeitung des alten KLF- torische Krawallmacher geschmäht und als die Londoner mit einem grotesken Hits „What Time is Love“, und außerdem durchgedrehte Hippies, deren Verstand ir- Jahrtausendwende-Spektakel. haben sich Drummond, 44, und Cauty, 43, reparabel vom Grasrauchen vernebelt sei. einen neuen Bandnamen ausgedacht: Sie Offenbar litten Drummond und Cauty al setzten sie einen Preis aus nennen sich jetzt 2K. unter dem Liebesentzug. Als sie vor ein für den schlechtesten bildenden Ihre Attacke gegen die Langeweile im paar Wochen beim vorläufig einzigen 2K- MKünstler Großbritanniens; mal Popgeschäft starteten die beiden vor zehn Auftritt zu einer knapp 30minütigen Come- stellten sie sich für eines ihrer seltenen In- Jahren; das Kürzel KLF sollte dabei wahl- back-Show antraten, gaben sie sich ver- terviews auf grüner Wiese in die Mitte ei- weise für „Kopyright Liberation Front“ gleichsweise artig. Zwar hatten sie einen ner Schafherde; mal versenkten sie vor (etwa: Befreiungsfront zur Abschaffung des großen, mit Rudern ausgerüsteten See- staunenden Journalisten einen gemieteten Urheberrechts) oder „Kings of the Low mannschor, eine Blaskapelle und ein paar Lastwagen im Meer. Frequencies“ (Niederfrequenzkönige) ste- streikende Liverpooler Dockarbeiter auf Eher nebenbei verkauften die britischen hen. Mit Talent und viel Bombast arran- die Bühne gestellt, die Stars selbst aber Aktionskünstler Bill Drummond und Jim- gierten sie im Studio Hits wie „Justified hatten sich in Rollstühle setzen lassen und my Cauty unter dem Namen KLF ein paar and Ancient“ und „Doctorin’ the Tardis“ – trugen Schlafanzüge. Millionen Platten, und als sie vor fünf Jah- und dazu veröffentlichten sie höhnisch eine Was das nun wieder sollte, war schwer ren ihr Pop-Projekt zu Grabe trugen, be- Anleitung zum Reichwerden im Hand- zu sagen. Trotzdem amüsierte sich das Lon- nutzten sie dazu ausgerechnet jene feierli- buchformat, das sie „How to have a Num- doner Publikum offenbar prächtig, und zu che Gala, bei der sie zur besten Band des ber One the easy Way“ nannten. mächtigen Techno-Beats und der bewähr- Landes gekürt werden sollten. Um ten „What Time is Love“-Melo- den Abgang perfekt zu inszenie- die grölten die Massen bald den ren, schlug Drummond vor, wäh- Fluch auf die Jahrtausendwende rend der Preisverleihung auf offe- – „Fuck the Millenium“ eben. ner Bühne ein totes Schaf auszu- Drummond und Cauty freuen weiden und das Publikum mit den sich nun über Interpreten, die Eingeweiden zu bewerfen. Cauty ihnen einen Anschlag auf Tony dagegen begeisterte sich für die Blairs selbstverliebtes New-La- Idee, daß Drummond die Sieges- bour-England unterstellen. trophäe in die Höhe halten sollte, Noch schwören die 2K-Wirr- um sich dann den Arm samt Pokal köpfe, daß es keine weiteren Mu- mit einem Schlachtermesser ab- sik-Aktionen geben solle, kein zutrennen. neues Album und auch keine Tour. Schließlich erschienen die bei- „Was wir machen, hat mit Spaß den mit einem Maschinengewehr nichts zu tun“, sagt Drummond: zur Feier, feuerten Platzpatronen ALL ACTION „Es ist – glaubt uns doch endlich! ins entsetzte Publikum und brüll- 2K-Auftritt in London: „Ehrliche Arbeit“ – ehrliche, harte Arbeit.“ ™ 152 der spiegel 44/1997.

View Full Text

Details

  • File Type
    pdf
  • Upload Time
    -
  • Content Languages
    English
  • Upload User
    Anonymous/Not logged-in
  • File Pages
    1 Page
  • File Size
    -

Download

Channel Download Status
Express Download Enable

Copyright

We respect the copyrights and intellectual property rights of all users. All uploaded documents are either original works of the uploader or authorized works of the rightful owners.

  • Not to be reproduced or distributed without explicit permission.
  • Not used for commercial purposes outside of approved use cases.
  • Not used to infringe on the rights of the original creators.
  • If you believe any content infringes your copyright, please contact us immediately.

Support

For help with questions, suggestions, or problems, please contact us