WIK-Consult Bericht Studie für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Der deutsche Telekommunikationsmarkt im internationalen Vergleich – Abschlussbericht – Autoren: Dr. Christian Wernick Julian Knips Dr. Sebastian Tenbrock Dr. Sonia Strube Martins Menessa Ricarda Braun Dr. Marcus Stronzik WIK-Consult GmbH Rhöndorfer Str. 68 53604 Bad Honnef Bad Honnef, Juli 2020 Impressum WIK-Consult GmbH Rhöndorfer Str. 68 53604 Bad Honnef Deutschland Tel.: +49 2224 9225-0 Fax: +49 2224 9225-63 E-Mail: [email protected] www.wik-consult.com Vertretungs- und zeichnungsberechtigte Personen Geschäftsführerin Dr. Cara Schwarz-Schilling Direktor Abteilungsleiter Post und Logistik Alex Kalevi Dieke Direktor Abteilungsleiter Netze und Kosten Dr. Thomas Plückebaum Direktor Abteilungsleiter Regulierung und Wettbewerb Dr. Bernd Sörries Leiter der Verwaltung Karl-Hubert Strüver Vorsitzende des Aufsichtsrates Dr. Daniela Brönstrup Handelsregister Amtsgericht Siegburg, HRB 7043 Steuer-Nr. 222/5751/0926 Umsatzsteueridentifikations-Nr. DE 123 383 795 Der deutsche Telekommunikationsmarkt im internationalen Vergleich I Management Summary Die Telekommunikationsindustrie spielt eine zentrale Rolle für die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Hochbitratige Fest- und Mobilfunknetze sind Vorausset- zung für die Umsetzung innovativer Anwendungen und Geschäftsmodelle. Leistungsfä- hige Informations- und Kommunikationsinfrastrukturen stellen ein wichtiges Entschei- dungskriterium bei der internationalen und nationalen Standortwahl von Unternehmen dar. Der Aufbau neuer und der Ausbau bestehender Netze sind damit Voraussetzung für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland, die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land und die gesellschaftli- che Teilhabe. Die vorliegende Studie untersucht die Leistungsfähigkeit der Telekommunikationsinfra- strukturen für Festnetz und Mobilfunk, den Digitalisierungsgrad von Wirtschaft und Gesellschaft sowie die Rolle der öffentlichen Hand in der IKT-Welt in Deutschland im Vergleich zu welt- und europaweit führenden Volkswirtschaften und digitalen Vorreitern. Im Einzelnen werden China, Dänemark, Frankreich, Japan, die Niederlande, Schwe- den, die Schweiz, Spanien, Südkorea, die USA und das Vereinigte Königreich unter- sucht. Mit 87,9 % der Haushalte verfügt Deutschland über eine hohe Abdeckung von Next Generation Access-Breitbandanschlüssen (NGA-Anschlüsse), die Geschwindigkeiten von mindestens 30 Mbit/s im Download bereitstellen. Dieser Wert bewegt sich auf vergleichbarem Niveau wie in Spanien, China und Schweden und ist deutlich höher als der Referenzwert für Frankreich. Deutschland profitiert hierbei von den Kabelnetzen, die 64 % der Haushalte abdecken und durch Aufrüstung Gigabitgeschwindigkeiten erreichen können, sowie von den mit Vectoring- und Super-Vectoring-Technologie aufgerüsteten Kupfernetzen, über die Geschwindigkeiten bis zu 250 Mbit/s im Down- load möglich sind. Betrachtet man die Verfügbarkeit und Marktanteile der leistungsfähigeren Glasfasernet- ze bis ins Gebäude bzw. in die Wohnung (Fibre to the Building bzw. Home - FTTB/H), liegt Deutschland in unserem Ranking auf dem vorletzten Platz. Unsere Analysen deuten vor allem auf zwei Ursachen hin: Zum einen ist die geringe Verfügbarkeit von FTTB/H auf die hohen Ausbaukosten zurückzuführen. Zum anderen hat sich die Priorisierung auf weniger leistungsfähige, aber schneller und kostengünstiger realisier- bare Fibre to the Curb (FTTC)-Anschlüsse negativ auf den Ausbau zukunftssicherer FTTB/H-Netze ausgewirkt. Die deutschen Mobilfunknetze schneiden bei der Netzabdeckung im Vergleich zu den digitalen Vorreitern relativ schlecht ab. Allerdings bestehen zwischen den drei Netzbe- treibern deutliche Versorgungsunterschiede. Anbieterübergreifend sind der Anteil der mobilen Breitbandnutzer an der Gesamtbevölkerung und die mobile Datennutzung pro SIM-Karte in Deutschland unter den untersuchten Ländern am niedrigsten. II Der deutsche Telekommunikationsmarkt im internationalen Vergleich Von hoher gesamtwirtschaftlicher Relevanz im Bereich Mobilfunk ist das Thema 5G. Besonders schnell schreitet der Ausbau von 5G-Sendestandorten in China und Südkorea voran. Die Mehrheit der Anwendungen, die dort bisher über 5G vermarktet werden, sind jedoch dem Consumer-Bereich zuzuordnen und könnten auch über LTE- Technologie realisiert werden. Die von uns betrachteten Indikatoren zum Digitalisierungsgrad von Wirtschaft und Gesellschaft zeigen ein heterogenes Bild. Bei der Zahl der Patentanmeldungen in Relation zur Bevölkerungszahl ist Deutschland unter den europäischen Ländern unserer Stichprobe führend, was auf die Innovationskraft der Wirtschaft hinweist. Bei den übrigen Indikatoren bewegt sich Deutschland im Mittelfeld. Hierfür sind verschiede- ne Ursachen denkbar. Bei gewerblichen Kunden spielen sicherlich Engpässe in der Versorgung (bspw. bei der Glasfaseranbindung von Gewerbestandorten) eine Rolle. Weitere Ursachen könnten die in Deutschland relativ stark ausgeprägten Bedenken bzgl. der Datensicherheit sowie eine gewisse Technologiezurückhaltung in Teilen der Bevölkerung sein. Ein Indiz hierfür ist, dass die Nutzungsintensität von Social-Media- Anwendungen in Deutschland unter den betrachteten Ländern am niedrigsten ist. Die Rolle der öffentlichen Hand für die Entwicklungen in einer von Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) geprägten Welt hängt stark von der jeweiligen Situation vor Ort und historischen Pfadabhängigkeiten ab. Die Entwicklungen in Südkorea, Japan und China sind geprägt durch ganzheitliche, langfristig ausgelegte Digitalisierungsstra- tegien mit einer starken Rolle der öffentlichen Hand. Die umfangreichsten Fördermittel für den Breitbandausbau sehen wir unter den untersuchten europäischen Ländern in Frankreich und Deutschland. Indikatoren für eine intensivere oder stärkere (sektorspezi- fische) Regulierung der Telekommunikationsanbieter in Deutschland haben wir zumindest im Vergleich mit den betrachteten europäischen Ländern nicht gefunden. Der Benchmark zeigt, dass in Deutschland bei der Verfügbarkeit hochleistungsfähiger Netzinfrastrukturen im Festnetz und Mobilfunk Nachholbedarf besteht. Unsere Ergeb- nisse legen nahe, dass der Umfang des Netzausbaus maßgeblich durch die Ausbau- kosten bestimmt wird. Da Deutschland aufgrund seiner Topologie und Besiedelungs- struktur gegenüber einigen der betrachteten Länder (z.B. Südkorea, Japan, UK) strukturelle Nachteile aufweist, sollte der Fokus der öffentlichen Hand darauf liegen, Maßnahmen zu initiieren, welche die Ausbaukosten senken können. Soweit diese bereits angestoßen wurden, wie bspw. im Rahmen der Mobilfunkstrategie, sollten sie zügig umgesetzt werden. Wesentlich erscheinen insbesondere folgende Schritte: 1. Bestehende Hemmnisse für den Einsatz kostengünstiger Verlege- und Ausbau- verfahren (z.B. Trenching, oberirdische Verlegung) sollten beseitigt werden. 2. Genehmigungsverfahren sollten durch Anpassungen im Wegerecht (§ 68 TKG) und eine Sicherstellung der erforderlichen personellen Ausstattung der verant- wortlichen Ebenen beschleunigt werden. Der deutsche Telekommunikationsmarkt im internationalen Vergleich III 3. Als Maßnahme für mehr Transparenz und als Anreiz, entsprechende Ressour- cen auf Ebene der Wegelastträger bereitzustellen, erscheint auch das Aufsetzen eines regelmäßigen Monitorings der Genehmigungspraxis und der Durchlaufzei- ten sinnvoll. Unsere Analysen zeigen, dass kommunale Unternehmen in den skandinavischen Ländern den FTTB/H-Ausbau (auch im ländlichen Bereich) maßgeblich getrieben haben. Die Öffnung der Netze für Dritte und die frühe Etablierung von Marktstandards bei den Schnittstellen und Prozessen (wie sie z.B. in Schweden erfolgt ist) war dabei ein Erfolgsfaktor und Voraussetzung für hohe Take up–Raten, da der Wettbewerb auf dem Netz die Nachfrage befördert hat. 4. Vor dem Hintergrund der Relevanz kleiner lokaler und regional tätiger Unter- nehmen für den FTTB/H-Ausbau auch in Deutschland erscheint es zielführend, den Druck auf die deutschen Marktteilnehmer zur Implementierung einer stan- dardisierten einheitlichen Produktschnittstelle im Markt zu erhöhen. Umsetzbar wäre eine solche Implementierung über eine entsprechende Verpflichtung im Rahmen der Förderauflagen. Unsere Analysen zeigen, dass es in den Ländern, die sich durch eine hohe FTTB/H- Nutzung auszeichnen, auch intensiven Wettbewerb gibt. Essentiell für Infrastrukturwett- bewerb zwischen mehreren FTTB/H-Anbietern sind niedrige Ausbaukosten und eine hohe Bevölkerungsdichte. Entsprechend sehen wir diesen vor allem dort, wo oberirdi- sche Verlegung stattfindet (Japan, Südkorea) oder Zugang zu umfangreichen Leerrohr- kapazitäten zu regulierten Konditionen besteht (Spanien, Frankreich). In Schweden, wo die Kostensituation einen parallelen Ausbau zumindest nicht flächendeckend zulässt, sehen wir einen intensiven Wettbewerb auf dem Netz, befördert durch Wholesale-only- Geschäftsmodelle (d.h. Netzbetreiber, die nicht selbst im Endkundenmarkt tätig sind, sondern ihre Netzinfrastruktur Dritten vermieten), kommerzielle Zugangsvereinbarun- gen und die Regulierung des marktbeherrschenden Unternehmens. 5. Da in Deutschland aufgrund der hohen Ausbaukosten aus heutiger Sicht nur in sehr eingeschränktem Umfang Infrastrukturwettbewerb zwischen mehreren FTTB/H-Netzen zu erwarten ist, benötigen wir für ein innovatives und vielfältiges Marktumfeld mit attraktiven Produkten für private und gewerbliche Kunden auch in Zukunft Wettbewerb auf dem Netz. Dieser kann über Wholesale-only-Modelle,
Details
-
File Typepdf
-
Upload Time-
-
Content LanguagesEnglish
-
Upload UserAnonymous/Not logged-in
-
File Pages201 Page
-
File Size-