26. Januar 2014 Ostschweiz 21 am Sonntag Leben Im Renndress Von 1972 bis 2010 Die Form des Anzugs ist gleich geblie- ben. Farbe und Muster sagen aber viel über den Geschmack der Zeit aus. ÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏ ÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏ 1972 Sapporo: Marie-Theres Nadig holt in Dunkelblau zwei Goldmedaillen. ÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏ ÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏ 1976 Innsbruck: Heini Hemmi fährt im rot-weiss-blauen Rennanzug und pas- sender Mütze zum Riesenslalom-Gold. Bild: ky/Alessandro della Valle Der Silbermantel passte hervorragend zu Simon Ammann. Den Medaillenregen in Salt Lake City (2002) feierte der Skispringer mit hinreissenden Freudensprüngen. ÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏ ÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏ 1980 Lake Placid: Erika Hess in Rosa – Out im Riesenslalom, Bronze im Slalom. Unsere Skifahrerinnen und Skifahrer sollten auf Piste und Podest gut aussehen. Der Blick einer Stilexpertin auf die Outfits der letzten 40 Jahre zeigt: Es könnte besser sein. Kleider machen ÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏ ÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏ 1984 Sarajevo: Michela Figini, gestreift, Olympiasieger gewinnt die Goldmedaille in der Ab- fahrt. Maria Walliser wird Zweite. KATHARINA BAUMANN & YVONNE STADLER Blansjaar ist Ostschweizerin und hat den Geschmack der Zeit aus. «Klar zu det sie. «Warum müssen gutgebaute während mehrerer Jahre das Ressort erkennen sind die frühen Achtziger – Athleten für eine Eröffnungszeremo- lar, unsere Skifahre- Stil der NZZ am Sonntag geleitet. eine Zeit, in der auch männliche Ath- nie in geschlechtslose Säcke aus rinnen und Skifahrer Heute ist sie als freischaffende Auto- leten ganz unbeschwert rosa tragen Funktionsmaterialien gepackt wer- sollen vor allem auf rin tätig. Ihr Stilratgeber erscheint im durften», so Blansjaar. Die Athleten den?» Gerade an einer Eröffnungs- der Rangliste eine gute April im Verlag Beobachter-Edition. seien heute deutlich muskulöser als feier würde sie sich mehr Eleganz und Falle machen. Wenn Zuerst zu den Skianzügen auf der früher – besonders an Oberschenkeln Stil wünschen. «Stattdessen sehen die sie dann aber auf dem Piste: Den aktuellen Skidress, in dem und Gesäss. «Dunkle Farben und stre- Schweizer wieder einmal so aus, als KPodest stehen, wäre es doch wün- die Athleten in Sotschi den Hang hin- ckende, spitz zulaufende Streifen las- würden sie nach der Eröffnungsfeier schenswert, sie würden auch optisch unterrasen werden, beurteilt Blans- sen die eher kräftig gebauten Ski- direkt auf die Ski steigen.» etwas hergeben. In knapp zwei Wo- jaar als unvorteilhaft, weil die Farbe rennfahrer nicht nur stromlinien- Andere Nationen würden sich da ÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏ ÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏ chen beginnen die Olympischen Weiss dominiert. «Nicht nur, dass förmiger und schlanker, sondern deutlich geschickter anstellen und 1988 Calgary: Pirmin Zurbriggen, noch Spiele, und dann sind die Augen aller Weiss einen runder macht, als man auch schneller aussehen.» Daher ge- hätten sich Hilfe von namhaften Mo- einmal gestreift, siegt in der Abfahrt. – eben auch jener, die sonst nicht zu- tatsächlich ist, auf einer ebenfalls fällt ihr der Dress aus dem Jahr 2006 dehäusern geholt: Die Amerikaner schauen, wie andere Menschen einen weissen Skipiste lässt es darüber hin- in Turin am besten. Die Schweizer bei Ralph Lauren, die Franzosen bei Hügel hinunterfahren – auf die Athle- aus den Athleten fast untergehen.» sahen nicht nur schneller aus, sie Lacoste. «Sie zeigen körpernahe Ele- ten gerichtet. Da müsste eigentlich Besser war der legendäre Käsedress, waren manchmal auch schneller und ganz im Retro-Stil – bei den Franzo- auch der modische Auftritt stimmen. den die Schweizer 1998 in Nagano holten drei alpine Medaillen. sen gar mit unterschiedlichen Jacken Zumal der Austragungsort Sotschi am trugen. «Er sah nicht unbedingt vor- für Mann und Frau.» Schwarzen Meer auch die «Russische teilhaft aus, aber man muss ihn ein- Sotschi 2014: Geschlechtslos Riviera» genannt wird. fach lieben», sagt die Expertin. Und nun die Outfits für die Eröff- Lake Placid 1980: Körperbetont Für die Ostschweiz am Sonntag hat Die Form des Renndresses ist ge- nungszeremonie und abseits der Pis- In Lake Placid schnitt das Schwei- Stilexpertin Katharina Blansjaar die geben und hat sich über die Jahre te. Vom Sotschi-Anzug ist Blansjaar zer Olympiateam mit insgesamt nur Anzüge der Schweizer Olympioniken nicht verändert (siehe Spalte rechts). wenig angetan. «Die Schweizer Out- ÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏ ÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏ unter die Lupe genommen. Katharina Der Aufdruck sagt hingegen viel über fits sind langweilig und formlos», fin- Fortsetzung auf Seite22 1992 Albertville: Steve Locher wird Dritter in der Kombination; die einzige Medaille der Alpinen. Kein Glücksanzug. ÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏ ÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏ 1994 Lillehammer: Vreni Schneider, entflammt, zum dritten Olympiagold. Bild: ky/Eddy Risch Bild: ky/Hansueli Blöchliger Turin 2006: Ganz in Weiss – Achtung vor den Pistenfahrzeugen! Lake Placid 1980: Die Anzüge könnten heute als schicke Retro-Outfits durchgehen. 26. Januar 2014 22 Leben Ostschweiz am Sonntag ÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏ ÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏ 1998 Nagano: Michael von Grünigen im legendären Chäsgwändli: Es reicht für Riesenslalom-Bronze. Didier Cuche ge- winnt, ganz in Käse, Silber im Super G. Kleider machen… Fortsetzung von Seite21 ÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏ ÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏ 2002 Salt Lake City: Sonja Nef, elegant in Schwarz, verhindert, dass die Alpi- nen ohne Medaillen bleiben. Bronze! Bild: ky/Alessandro della Valle Nagano 1998: Leider wirkten die Mäntel nicht elegant, sondern tolpatschig. fünf Medaillen schlecht ab. Modisch einen Mantel – der allerdings aus lief es nicht besser: «Die Schweizer dem gleichen Material gefertigt ist waren gekleidet, als ginge es von der wie eine Skijacke», sagt sie. Eröffnungsfeier sofort weiter zum Gut gemeint, aber doch daneben, Wettkampf – den Unterschied zwi- denn solche Funktionsstoffe seien zu ÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏ ÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏ schen sportlicher Kleidung und hart und zu dick für einen Mantel. «So 2006 Turin: Bruno Kernen, dynamisch Sportbekleidung ignorierte man of- wirken die Athleten in den Outfits gemustert, während der Abfahrt. Ihm fenbar bereits vor über 30 Jahren er- nicht elegant, sondern tolpatschig, gehört am Schluss die Bronzemedaille. Bild: Rodeo folgreich», sagt Blansjaar. «Allerdings denn die Mäntel stauchen die Athle- Sotschi 2014: Langweilig, formlos, geschlechtsneutral. waren die frühen Achtziger körper- ten zusammen und verkürzen in betonter, und die dunkelblauen Ski- Kombination mit den breiten Ski- kombis könnten heute fast schon als hosen die Beine.» schicke Retro-Outfits durchgehen.» Der Silbermantel von 2002 habe nur witzig gewirkt, «wenn man ein Lillehammer 1994: Unmöglich Toggenburger Lausbub ist und ein «Der Schweizer Regenbogendress wenig so aussieht wie Harry Potter – von 1994 erscheint aus heutiger Sicht alle anderen wirken leider eher wie unmöglich, und die Kombination von eine groteske Zwergenparade». Si- pink, türkis und violett schreit ganz mon Ammann in seinem silbernen ÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏ ÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏÏ laut nach Altkleidersammlung», so Zaubermantel – das wurde Kult, er 2010 Vancouver: Carlo Janka, rot-weiss das Urteil der Stilexpertin. «Heute, war zu Gast in grossen amerikani- gestreift am ganzen Körper, ist der 20 Jahre später, sollte eine Mann- schen Talkshows. Auch sportlich war Schnellste im Riesenslalom. In Rot- schaft eine solch kunterbunte Kombi er der Überflieger und holte zwei von Weiss holt auch Didier Defago Gold. (ys) nur noch tragen, um explizit auf die drei Schweizer Goldmedaillen. Rechte von Homosexuellen hinzu- weisen.» Turin 2006: Unauffällig In Turin war Unauffälligkeit ange- Nagano und Salt Lake City sagt: «Die Schweizer konnten direkt In den Outfits für die Olympischen nach der Zeremonie zum Nachtski- Spiele von 1998 und 2002 sieht Blans- fahren», sagt Blansjaar. «Nur vor den jaar dasselbe Konzept: «Um nicht all- Pistenfahrzeugen mussten sie sich in Bild: ky zu sehr so zu wirken, als kämen sie im Acht nehmen – im weissen Anzug auf Lillehammer 1994: Die Farbkombination «schreit ganz laut nach Altkleidersammlung». Skikombi daher, tragen die Athleten Schnee wird man leicht übersehen.» Unkommod Eine Reise in die Welt der Düfte An der russischen Riviera BUCHS. Düfte berühren, Düfte entfüh- ren in andere Welten, Düfte betören, ot. Cool. Yours.» Der bi- vestitionen. Was bekommt Sotschi Düfte können auch stören. Sie sind polare Slogan der Olym- dafür? Gigantische Sportanlagen, mächtig, wecken Erinnerungen, ob «H pischen Winterspiele Malls mit Boutiquen und einen 16 wir wollen oder nicht. Gleichzeitig bringt es überraschenderweise voll Vielleicht denken wir Tage dauernden Rausch. Was kommt sind sie flüchtig, lassen sich nicht auf- auf den Punkt. Man würde gerne, noch, nächstes Mal danach? Wahrscheinlich noch immer bewahren. Düfte können unser Füh- kann aber kaum hinsehen. Denn in müsste man das Ganze kein fliessendes Wasser für Tausende len und Handeln steuern, ihr Einfluss Sotschi manifestiert sich der olympi- in Sotschi und, wie nach jedem ist uns oft nicht bewusst. Heute um sche Megatrend wie noch nie – aus boykottieren. Diesen Rausch, die grosse Ernüchterung. 17 Uhr liest Yvonn Scherrer im fa- Postkarte aus Spiel wird Ernst.
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