1 Bamberger Beiträge zur Linguistik Der Verein Deutsche Sprache Hintergrund, Entstehung, Arbeit und Organisation eines deutschen Sprachvereins von Karoline Wirth UNIVERSITY OF BAMBERG PRESS Bamberger Beiträge zur Linguistik 1 Bamberger Beiträge zur Linguistik hrsg. von Thomas Becker, Martin Haase, Sebastian Kempgen, Manfred Krug und Patrizia Noel Aziz Hanna Band 1 University of Bamberg Press 2010 Der Verein Deutsche Sprache Hintergrund, Entstehung, Arbeit und Organisation eines deutschen Sprachvereins von Karoline Wirth University of Bamberg Press 2010 Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Informationen sind im Internet über http://dnb.ddb.de/ abrufbar Diese Arbeit hat der Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften der Otto-Friedrich- Universität als Dissertation vorgelegen 1. Gutachter: Prof. Dr. Helmut Glück 2. Gutachter: PD Dr. Friederike Schmöe Tag der mündlichen Prüfung: 2. Juli 2009 Dieses Werk ist als freie Onlineversion über den Hochschulschriften- Server (OPUS; http://www.opus-bayern.de/uni-bamberg/) der Universitätsbibliothek Bamberg erreichbar. Kopien und Ausdrucke dürfen nur zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch angefertigt werden. Herstellung und Druck: docupoint GmbH, Magdeburg Umschlaggestaltung: Dezernat Kommunikation und Alumni © University of Bamberg Press Bamberg 2010 http://www.uni-bamberg.de/ubp/ ISSN: 2190-3298 ISBN: 978-3-923507-65-8 eISBN: 978-3-923507-66-5 URN: urn:nbn:de:bvb:473-opus-2415 Danksagung Herzlicher Dank geht an Prof. Dr. Helmut Glück, der diese Arbeit be- treut hat, und an PD Dr. Friederike Schmöe, meine Zweitgutachterin. Danken möchte ich auch Prof. Dr. Walter Krämer, der mir für die Re- cherchen seine Archive zur Verfügung gestellt hat und mir erlaubt hat, alle Materialien auch zu verwenden. Außerdem danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ver- einszentrale für ihre Hilfe bei den Recherchen, allen voran Christiane Dahl, Sabine Riga, Monika Elias und Dr. Holger Klatte, die mir in all den Jahren auch bei zeitraubenden Recherchen immer wieder geholfen haben. Ebenso sei der Otto-Friedrich-Universität Bamberg gedankt, die die Re- cherchen für diese Arbeit finanziell unterstützt hat. Für kritische Anmerkungen und für ihre Hilfe danken möchte ich auch meinen Eltern und Geschwistern sowie Dr. Wieland Eins, Katrin Sell M.A., Björn Schimmeyer und den Bamberger Freunden des Problems. Karoline Wirth V Vorwort In diesem Buch geht es um einen deutschen Sprachverein, der kurz vor dem Ende des 20. Jahrhunderts gegründet wurde. Der Anlaß für diese Gründung war ein verbreitetes Mißvergnügen an der damaligen Sprachentwicklung, namentlich an der Vielzahl der Anglizismen in der alltäglichen Sprachverwendung. Die Gründer dieses Vereins kamen aus verschiedenen Berufen, Germanistikprofessoren waren nicht darunter. Sie nannten ihren Verein anfangs „Verein zur Wahrung der deutschen Sprache“. Recht bald strich man das Attribut „zur Wahrung“ und nann- te ihn kurz und knapp „Verein Deutsche Sprache“ (VDS). Über diese Namensänderung wurde viel diskutiert, weil einige Kommentatoren glaub(t)en, mittels der Vokabel Wahrung einen anachronistischen Ge- sinnungsnachweis führen zu können: wer etwas (be-)wahren will, so die Unterstellung, muss rückwärtsgerichtet und fortschrittsfeindlich sein. Der VDS wuchs rasch und ist seit Jahren der an Mitgliedern weitaus reichste deutsche Sprachverein. Der VDS entstand aus einem weiteren Mißvergnügen heraus. Seine Gründer waren der Auffassung, dass der „offiziöse“ deutsche Sprach- verein, die „Gesellschaft für deutsche Sprache“ (GfdS), sich zu wenig Sorgen mache im Hinblick auf die Sprachentwicklung, vor allem wie- derum im Hinblick auf die Anglizismen. Als „offiziös“ kann man die GfdS deshalb bezeichnen, weil sie, anders als der VDS, im wesentlichen aus öffentlichen Mitteln finanziert wurde und wird. Eigentlich wollten die VDS-Gründer die GfdS dazu bewegen, sich stärker mit der Angli- zismen-Frage zu befassen. Als ihnen klar wurde, dass ihnen das nicht gelingen würde, schritten sie zur Gründung eines eigenen Vereins. Dieses Buch behandelt die Gründungsphase und die ersten zehn Jahre der Existenz des VDS, beginnt aber mit germanistischen Erörterungen und Analysen. Es referiert die weit zurückreichenden Bemühungen um kategorial angemessene und funktional brauchbare Definitionen der zentralen Beschreibungsbegriffe „Fremdwort“ und „Lehnwort“, disku- tiert die (wenig fruchtbaren) Versuche, „Anglizismus“, „Britizismus“ und „Angloamerikanismus“ voneinander abzugrenzen und gibt einen Überblick über die Terminologie der rezenten Sprachpflegedebatten. Karoline Keßler (sie heißt seit 2009 Karoline Wirth) zeigt hier, wie prob- VII lematisch und theorieabhängig bereits die Terminologie ist und erklärt es für nützlich, konzeptionell zwischen „Fremdwort“ und „fremdem Wort“ zu unterscheiden. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird immer wieder der Vorwurf refe- riert, linguistische Laien hätten keinen elaborierten Fremdwortbegriff und sollten deshalb lieber ganz den Mund halten. Dieser Vorwurf relati- viert sich erheblich durch den Sachverhalt, dass sich die Germanistik ihrerseits damit schwertut und den Begriff „Fremdwort“ seit Peter von Polenz’ (1967) Verdikt immer wieder für obsolet, fremdenfeindlich oder sonstwie politisch unkorrekt erklärte. Man hat verschiedentlich das Fremdwort einfach wegdefiniert. Die Fremdwörter waren dann allenfalls noch als „schwere Wörter“ im Rahmen der Verständlichkeitsforschung und in der „Internationalismenforschung“ als Sache, nicht aber als Terminus geduldet. Allerdings sind weder „schwere Wörter“ noch „In- ternationalismen“ deckungsgleich mit dem, was der hergebrachte Fremdwortbegriff meint. Im „Metzler Lexikon Sprache“ definiert Frie- derike Schmöe „Fremdwort“ so: Fremdwort Entlehnung aus einer fremden Sprache, die nicht oder nur sehr gering in das phonologische, morphologische und graphe- matische System der Nehmersprache integriert ist. Fremdwörter gel- ten (im Dt.) zumeist als akzeptiert, wenn sie einer Fachsprache zuzu- rechnen sind. Insbesondere Latinismen und Gräzismen werden als ›gebildete‹ Ausdrucksweisen geschätzt. Dagegen werden alltags- sprachliche Fremdwörter (z. B. aus dem Engl., siehe Anglizismus) seit einigen Jahren wieder stärker negativ belegt, da sie in den Augen mancher das Deutsche ›überfremden‹, lächerlich wirken oder nicht verständlich sind; siehe Denglisch, siehe Fremdwortdiskussion, siehe Verein Deutsche Sprache. Schmöe spricht von „Integrieren“. Integration ist ein Vorgang, ein Pro- zess, der eine zeitliche Ausdehnung hat, bei dem ein Vorzustand von einem Nachzustand zu unterscheiden ist. Sprachhistorische Gesichts- punkte, nach denen Wörter in erster Linie auf ihre Herkunft untersucht und danach in native Wörter, Lehn- und Fremdwörter eingeteilt werden, spielen allerdings in vielen neueren Untersuchungen leider keine Rolle mehr. Damit ist nicht gesagt, dass solche „synchronen“ Herangehens- weisen bei lexikologischen Untersuchungen aus methodischen Grün- den prinzipiell verwerflich wären. Es ist damit allerdings gesagt, dass sie für die Bearbeitung von sprachlichen Austausch- und Beeinflussungs- prozessen ungeeignet sind, denn wenn nach der Herkunft von Affixen, VIII Wörtern, Wendungen usw. gefragt wird, ist eine „diachrone“ Perspekti- ve unvermeidlich. Gerhard Stickels Aufruf: „Werft das Fremdwort zum alten Eisen!” (1985) geht deshalb an der Sache vorbei: Man kann einen faktisch vorhandenen, historisch gewordenen linguistischen Gegens- tand nicht dadurch entsorgen, dass man seine Existenz bestreitet, ihn begrifflich weghext. Das mag in einem Voodoo-Ritual funktionieren, ist aber keine rationale Methodik in der Sprachforschung. Die Essener Schule der Internationalismus-Forschung nahm Stickels Aufruf wörtlich. Sie wollte das Konzept des Fremdworts durch das des Internationalismus ersetzen. Man solle „Internationalismen“ mittels eines „rein synchron argumentierende[n], deskriptiv-strukturelle[n] Konzept[s]” untersuchen, weil alle „historischen Kriterien sekundär und für die Klassifikation irrelevant” (Volmert 2003, S. 35) seien. Dieser the- oretisch dürftige Ansatz entwertet alle eigensprachlichen Entwicklun- gen, zu denen nicht zuletzt gezielte Ersetzungen von Internationalis- men gehören. Der Absicht, Entlehntes durch natives lexikalisches Mate- rial zu ersetzen, liegen in der Regel demokratische, aufklärerische Moti- ve zugrunde: eigensprachliche Bildungen sind nämlich oft, wenn auch keineswegs immer, transparenter und verständlicher als Internationa- lismen. Vor die Wahl gestellt, einen Dermatologen, einen Ophthalmolo- gen und gar einen Otorhinolaryngologen aufzusuchen, müssten die meisten Leute erst einmal ein Wörterbuch konsultieren, um herauszu- finden, zu wem von ihnen man mit welchem Leiden geht, und der sach- liche Unterschied zwischen einem Pädiater und einem Päderasten wird auch nicht vielen klar sein. Womit sich ein Hautarzt, ein Augenarzt, ein Hals-, Nasen- und Ohrenarzt oder ein Kinderarzt befasst, verstehen sie sofort, denn das drückt die deutsche Bezeichnung unmittelbar aus. Es ist deshalb keineswegs ein Gebrechen, dass „sich das Deutsche Ei- genbildungen wie Fernsehen, Fernsprecher, Hubschrauber, Rundfunk, Hörfunk [leistet]” (Schaeder 1990, S. 36). Das Deutsche „leistet“ sich allerhand, was aus seiner Geschichte stammt, nicht nur seinen Erbwort- schatz, und das tun andere Sprachen auch. Im Tschechischen nennt man das Theater divadlo und den Bahnhof
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