Ausstellungsstück Nation

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Gesprächskreis Geschichte Heft 59 Moritz Mälzer Ausstellungsstück Nation Die Debatte um die Gründung des Deutschen Historischen Museums in Berlin Friedrich-Ebert-Stiftung Historisches Forschungszentrum 2 Für meine Eltern Herausgegeben von Dieter Dowe Historisches Forschungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung Kostenloser Bezug beim Historischen Forschungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung Godesberger Allee 149, D-53175 Bonn Tel.: 0228 – 883-473 E-mail: [email protected] © 2005 by Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn (-Bad Godesberg) Umschlag: Pellens Kommunikationsdesign GmbH, Bonn Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany 2005 ISSN 0941-6862 ISBN 3-89892-371-1 3 Zum Geleit 5 1. Einleitung 7 1.1 Fragestellung und Ziele der Untersuchung 8 1.2 Gliederung des Quellenmaterials 11 2. Das Geschichtsmuseum als umstrittene erinnerungs- kulturelle Ressource 13 2.1 Kulturelles Gedächtnis und Erinnerungskultur 13 2.2 Geschichtspolitik und Politisierung der Erinnerung 17 3. Geschichte im Museum 19 3.1 Historische Museen in der deutschen Museumslandschaft 19 3.2 Vier Mal deutsche Geschichte im Museum 24 3.2.1 Das Museum für Deutsche Geschichte in Ost-Berlin 25 3.2.2 „1871 - Fragen an die deutsche Geschichte“ im Berliner Reichstag 29 3.2.3 Die Erinnerungsstätte für die Freiheits-Rewegungen in Rastatt 33 3.2.4 Das Historische Museum Frankfurt am Main 38 3.3 Große historische Ausstellungen und das ZeitphänomenMusealisierung 42 4. Die Kontroverse um das Deutsche Historische Museum 47 4.1 Die Berliner Debatte 48 4.1.1 Preußen-Ausstellung und wiedererwachtes Geschichtsinteresse in beiden deutschen Staaten 48 4.1.2 Zwei Konzepte für ein Museum 53 4.1.3 Ein Museum neben dem Gedächtnisort 63 4.1.4 Öffnung zur Diskussion: Ein Forum für Geschichte und Gegenwart 68 4.1.4.1 Zwischen Labor und Identitätsfabrik: Aufgaben des Geschichtsmuseums 71 4.1.4.2 Der VW-Käfer in der deutschen Geschichte: Sammlung und Vermittlung 77 4.1.4.3 Form folgt Funktion: Forum oder Museum 82 4 4.1.5 Bilanz der Berliner Debatte 87 4.2 Die Politisierung des Museumsprojektes 88 4.2.1 Bonn, Bitburg, Berlin: Zwei Geschichtsmuseen und der Umgang mit nationaler Geschichte 92 4.2.2 Die Geschichte wiederholt sich: Ein neuer Standort für das Museum 97 4.2.3 Die Konzeption des Museums 103 4.2.3.1 Das Gutachten der Sachverständigenkommission 105 4.2.3.2 Der Holocaust auf fünfzehn Zeilen: Die Kritik der Konzeption und der „Historikerstreit“ 112 4.2.3.3 Das Scheitern einer Überarbeitung der Museumskonzeption 119 4.2.4 Eine unendliche Geschichte: Der Aufbau des Museums 125 5. Resümee: Ein Geschichtsmuseum, das Geschichte macht 131 6. Quellen- und Literaturverzeichnis 135 Personenregister 144 5 Zum Geleit „Nie geraten die Deutschen so außer sich, wie wenn sie zu sich kom- men“: Moritz Mälzer zitiert das Wort von Kurt Tucholsky in der Ein- leitung zu seiner Studie über die erregten Debatten, die in den achtzi- ger Jahren des letzten Jahrhunderts der Errichtung eines Deutschen Historischen Museums (DHM) in Berlin vorausgingen. Was der Au- tor, gestützt auf ein breites Quellenmaterial, darlegt, ist geeignet, Tu- cholsky recht zu geben. Mit souveräner Sicherheit ordnet Mälzer sein engeres Thema in den größeren Zusammenhang des kollektiven Gedächtnisses und der Erin- nerungskultur im geteilten Deutschland ein. Er läßt die großen histori- schen Ausstellungen der siebziger und achtziger Jahre - über Staufer, Wittelsbacher und Preußen - Revue passieren, ehe er sich dem Bera- tungs- und Diskussionsprozess zuwendet, den der Berliner Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Richard von Weizsäcker 1981 mit dem Vorschlag auslöste, ein Deutsches Historisches Museum in Ber- lin zu errichten. Die öffentliche Auseinandersetzung begann zwei Jahre später, nachdem Bundeskanzler Helmut Kohl der Berliner Ini- tiative die Unterstützung des Bundes zugesagt hatte: Kritiker, unter ihnen Günter Grass und Jürgen Habermas, sahen in dem Projekt den Versuch, mit Hilfe eines nationalen Geschichtsmuseums eine konser- vative, ja apologetische Deutung der deutschen Geschichte durchzu- setzen. Was öffentliche Debatte, Expertenkommission und Hearings bewirk- ten, lässt sich bei Mälzer nachlesen. Er zeichnet die Bemühung von Historikern und Praktikern nach, eine innovative Museumskonzeption zu entwerfen und diese mit einer zustimmungsfähigen Version der deutschen Geschichte zu verbinden - ein Unterfangen, das fast der Quadratur des Kreises gleichkam. Besondere Aufmerksamkeit widmet der Autor der tiefen Zäsur von 1989/90: Durch die „friedliche Revolu- tion“ in der DDR und die Wiedervereinigung änderten sich die Rah- menbedingungen für das Vorhaben eines Deutschen Historischen Museums radikal. Erst durch den Beitritt der DDR zur Bundesrepu- blik wurde möglich, wovon die Fürsprecher des Projekts vor 1989 nicht einmal zu träumen gewagt hatten: die Unterbringung des DHM im ehemaligen Zeughaus Unter den Linden, das die DDR zum Sitz ihres Museums für deutsche Geschichte gemacht hatte. 6 Es ist eine facettenreiche und urteilsfreudige Untersuchung, die Mo- ritz Mälzer mit seiner an der Humboldt-Universität zu Berlin angefer- tigten Magisterarbeit vorgelegt hat. Er zeigt, wie das 1994 eröffnete DHM wurde, was es heute ist. Der Autor leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Erforschung deutscher „Geschichtspolitik“ und Erinne- rungskultur vor und nach der Überwindung der Teilung Deutschlands. Berlin, im März 2005 Heinrich August Winkler 7 1. Einleitung Im Herbst 2005 soll in Berlin das Deutsche Historische Museum seine Dauerausstellung eröffnen.1 Rund 20 Jahre werden dann seit der Be- kanntgabe seiner Gründung durch den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl vergangen sein. Die Diskussionen und Planungen zu diesem Museum gehen sogar noch weiter zurück, bis an das Ende der 1970er Jahre. Wenn der Besucher nun die zwei großen Stockwerke des Zeughauses Unter den Linden durchschritten hat, wird er ganz am Ende der Ausstellung einige Hinweise zur Entstehungsgeschichte dieses Geschichtsmuseums finden.2 Möglicherweise wird dort auch eine Stiftungstafel aus Bronze stehen mit der Aufschrift: „Hier ent- steht das Deutsche Historische Museum. Die Bundesrepublik Deutschland schenkt das Museum dem Land Berlin zum 750-jährigen Jubiläum der Stadt. 28. Oktober 1987.“ Während diese Stiftungstafel heute ein Ausstellungsstück in diesem Museum ist, war sie noch we- nige Jahre zuvor im Spreebogen aufgestellt, quer gegenüber dem Reichstagsgebäude und exakt an der Stelle, wo heute der Neubau des Bundeskanzleramtes steht. Der italienische Architekt Aldo Rossi soll- te dort einen Bau errichten, der nach den damaligen Plänen rund ein Drittel größer geworden wäre als die heutige Regierungszentrale und somit ausreichend Platz für ein groß angelegtes Panorama der deut- schen Geschichte geboten hätte. Wo eigentlich Museumsbesucher die deutsche Vergangenheit besichtigen sollten, wird heute versucht, die Gegenwart zu gestalten. Der Enthüllung dieser Stiftungstafel und der damit verbundenen Gründung war eine jahrelange und streckenweise erbittert geführte Auseinandersetzung über Sinn und Zweck eines nationalen Ge- schichtsmuseums vorausgegangen. Politiker aller Parteien äußerten damals unterschiedlichste Vorstellungen davon, ob so ein Museum 1 Vorbemerkungen: Alle Zitate sowohl aus Quellen als auch aus der Fachliteratur sind in ihrer originalen Schreibweise belassen worden und nicht den Regelungen der Rechtschreibreform angepasst worden. Die Formulierung des Obertitels geht auf eine Sammlung von Aufsätzen der Berliner Geschichtswerkstatt zurück: Geschichtswerkstatt Berlin (Hrsg.): Die Nation als Ausstellungsstück: Pla- nungen, Kritik und Utopien zu den Museumsgründungen in Bonn und Berlin, Hamburg 1987. (=Geschichtswerkstatt, 11) 2 So war zumindest die Planung Ende 2003, als die Dauerausstellung vom heutigen Generaldirektor, Prof. Hans Ottomeyer, am 3.12.2003 in ihren Grundzügen vorgestellt wurde. 8 überhaupt eingerichtet werden sollte und wie es aussehen könnte. Historiker und Museumsfachleute schrieben Gutachten, äußerten sich zur Darstellung deutscher Geschichte auf Anhörungen, veranstalteten eigens Podiumsdiskussionen und Tagungen. Auch die verschiedenen Medien berichteten rege von den Planungen im nicht nur in geogra- phischer Hinsicht fernab gelegenen West-Berlin. Diese Debatte, deren Hauptteil in die Jahre 1982 bis 1987 fällt, war in vielerlei Hinsicht ein Seismograph für das Verhältnis der Gesellschaft der alten Bundesre- publik zur deutschen Geschichte - kurz vor der unerwarteten politi- schen Wiedervereinigung. Die deutsche Geschichte war damals eben- so umstritten wie die Form, in der man diese Geschichte in allen ihren Facetten überhaupt erinnern könnte. 1.1 Fragestellung und Ziele der Untersuchung Die Kontroverse um das Deutsche Historische Museum in Berlin hat als Untersuchungsgegenstand der historischen Forschung zwar wie- derholt Interesse gefunden, doch soweit Darstellungen sich mit der Debatte befasst haben, behandelten sie diese stets im Zusammenhang mit dem so genannten Historikerstreit. Zwar sind Überschneidungen zeitlicher, inhaltlicher und auch personeller Art zwischen beiden Aus- einandersetzungen zu konstatieren, aber die Anfänge des Museums- projektes und der sich darum rankenden Auseinandersetzung gehen doch wesentlich weiter zurück. Die Schwerpunkte dreier bisheriger Untersuchungen, die sich jeweils kurz nach dem Historikerstreit - und übrigens alle mit der Perspektive von außerhalb Deutschlands - mit dem Museumsprojekt beschäftigt haben, sollen kurz vorgestellt werden. Charles Maier widmete der

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