GemeindebriefAUGUST 2019 BIS NOVEMBER 2019 Evangelisch - lutherische Kirchengemeinde Wasserburg am Inn mit Albaching - Babensham - Edling - Eiselfing Evenhausen - Griesstätt - Pfaffing - Schonstett Ramerberg - Rott - Schnaitsee - Soyen Durch die Brille des Glaubens?! THEMA (die Brüder), ihr gedachtet es schlecht zu machen mit mir, aber Gott gedachte es gut zu machen.“ Auch einzelne Bibelverse können so eine Sehhilfe auf das eigene Leben sein, z.B. der Konfirmationsspruch. Die Konfirman- dInnen in unserer Gemeinde suchen sich ihren Konfi-Spruch selber aus. Die Vorga- be für die Auswahl heißt: „Such dir einen Spruch, in dem irgendetwas steht, was dir Mut macht, was dir eine Richtung für dein Leben gibt, was die Hoffnung ausdrückt, Liebe Gemeinde die du hast. Und wenn du so einen Spruch in der Kirche ist viel vom Glauben die gefunden hast, dann lerne ihn auswendig. Rede. Denn nur, wenn du ihn in deinem Kopf und Aber – was ist der Glaube eigentlich? Wie in deinem Herzen bei dir hast, kann er sei- erklärt man jemandem, der keine Ahnung ne Kraft entfalten.“ hat, was Glaube ist? Ob ich eine Brille trage oder nicht, dazu muss ich mich entscheiden. Das Titelbild auf diesem Gemeindebrief ist Ich bin als Kind jahrelang kurzsichtig so ein Erklärungsversuch: durch die Gegend gelaufen, weil ich auf Der Glaube als eine Art Brille. keinen Fall eine Brille tragen wollte. Es Der Glaube als Sehhilfe, um die Welt, die hat Jahre gedauert, bis ich soweit war, Menschen und sich selbst anders zu se- dass ich gesagt habe: „Jetzt will ich eine hen. Brille. Ich werde sie aufsetzen, ich will Um Gott in der Welt und im eigenen Leben endlich gut sehen können.“ zu entdecken. Ich denke, darum geht es im Glauben: Ähnlich ist es mit dem Glauben. Auch für Damit zu rechnen, Gott kommt in meinem den Glauben muss ich mich entscheiden. Leben vor. Er mischt sich ein, er hilft, er Ich muss mich entscheiden: Ich will so bringt auf eine bestimmte Bahn. auf die Welt und auf mich selbst schau- Genau hinzuschauen: Hier ist Gott am en, dass ich damit rechne: Gott kommt da Werk. Hier kann ich eine Spur von ihm vor…. Gott ist da mitten drin. entdecken. Die Bibel ist voll von solchen Geschich- Ich wünsche Ihnen spannende Entde- ten, in denen Menschen Gott in ihrem ckungen bei dem Blick durch die Brille Leben entdecken: Ein Klassiker aus dem des Glaubens Grundschul-Religionsunterricht ist Josef, dessen Bilanz nach einem Leben voller Höhen und Tiefen in dem Satz gipfelt: „Ihr Ihre Pfarrerin Cordula Zellfelder - 3 - THEMA Eine Art Sehtest Paar. Genauer: Wir baten Gott um seinen Segen, um das Gelingen einer Partner- schaft, um den Sieg der Liebe. Wir ge- standen ein, dass wir nicht alles selber machen können. Wir bekannten, dass nicht alles von selbst kommt, determi- niert durch Erbgut und Evolution. Dass eine Frau und ein Mann sich finden, überrascht nicht sehr. Aber wie wir mit- einander umgehen, ist damit noch nicht beantwortet. Der Glaube stellt uns vor Gott. Neulich in der Kirche flossen die Trä- nen. Vor Gott stehend, wurde deutlich, wie unglaublich schön die geschenkte Liebe eines Menschen ist. Insoweit trifft unser Bild von der Brille des Glaubens Was soll das sein: Die Brille des Glau- ganz gut. Glaube macht uns wahrhaftig. bens? Wo entsteht denn Wirklichkeit? Glaube erhöht die Sehkraft und lässt uns Braucht der Betrachter eine Sehkorrek- die Liebeswertigkeit eines anderen er- tur, um zu sehen, was da ist? Oder ent- kennen. steht die Wirklichkeit nur durch die Be- trachtungsweise? Jedem seine eigene Ich mag Optiker. Ich mag auch die Op- Wirklichkeit? tikerinnen. Denn an vielen Orten und oft habe ich von ihnen (Seh-)Hilfe erfahren. Neulich segneten wir ein Paar in der Kir- Unser Glaube vor Gott zu leben und mit che. In der Kirche blicken wir durch die ihm unser Dasein zu bestreiten, lässt Brille des Glaubens. Irgendwie kommt uns alles anders und klarsehen. Es gibt hier Gott ins Spiel. Oder vielleicht auch ja nicht nur Liebesgeschichten, es gibt so: Wir lassen Gott einmal mitspielen. auch Schmerz und Krankheit und Ängste. Nicht jeder von uns denkt wie ein Mar- Das alles und noch viel mehr steht - dank tin Luther, der seine Welt ohne Brille des Glaubens - vor Gott. Das ist Trost und betrachten musste, aber trotzdem sein Kraft. Sehkraft und Lebenskraft. Leben vor Gott stellt und sieht, denkt und lebt. Wir stehen nicht nur vor unseren Neulich haben sich alle mit einem Paar Mitmenschen und deren Gedanken, vor gefreut und dann die Kirche verlassen. dem Zeitgeist, was man heute machen Aber schau einmal genau hin, auch jetzt kann oder auch nicht. Wir stehen vor lebst du vor Gott. Siehst du das? Gott! Neulich in der Kirche segneten wir ein Holger Möller, Pfarrer - 4 - THEMA (K)eine eindeutige auch in den Blick. Der andere Mensch, Perspektive? die andere Meinung, die neue Perspek- tive. Ein indianisches Sprichwort sagt: „Man kann einen Menschen erst ver- stehen, wenn man eine Weile in seinen Mokassins gelaufen ist.“ Und nicht zu vergessen: Ich komme mir selbst auch ein wenig auf die Schliche. Nur noch die Hälfte im Glas, das kann auch mein Pes- simismus sein, den ich bislang noch gar nicht entdeckt habe. Eine Gefahr sehe ich freilich auch bei so einer Perspektivenerweiterung gerade im Miteinander. Das ist meine Sicht, das ist deine, und beide Sichten haben ihre Be- rechtigung. Das ist zunächst mal gut, weil es hilft, die eigenen Absolutheitsansprü- che zu überwinden. Nicht nur meine Sicht ist richtig. Manchmal lohnt es sich um eine Sache, Doch gibt es manchmal auch Sichten, eine Frage, ein Problem erst einmal her- da möchte ich ganz klar sagen: „Nein, so umzugehen und sich alles von verschie- nicht! Diese, deine Sicht ist problema- denen Seiten anzusehen. tisch.“ Das setzt natürlich voraus, dass ich da genau hingesehen oder geredet In einem bekannten Bild formuliert: Ist das habe, um zu verstehen. Weil manchmal Glas nun halb voll oder halb leer? Das ist gibt es ja auch Vorurteile, oder ich habe eine Frage der Sicht, der Wahrnehmung, irgendwelche Blockaden im Kopf, lege der Bewertung. Ich verwende dieses Bild mir Denkverbote auf. Ich frage mich dann vom Glas gerne in der Seelsorge. Weil es manchmal: Sind die Dinge wirklich so, wie Menschen manchmal hilft, ein wenig zu- sie mir erscheinen? Vielleicht ist die Sa- rücktreten. Und sich ihr „Glas“ (sprich: che doch noch ganz anders? ihre Situation) vielleicht mal von der an- deren Seite anzusehen. So ein „Umgang“ Wer Beispiele braucht: Da fordern inzwi- kann eben Perspektiven verändern. Viel- schen Menschen Enteignungen von Woh- leicht die eigenen Urteile, Bewertungen. nungsgesellschaften und Verstaatlichun- Ich merke so, wie begrenzt ich doch bin gen. Abgesehen von der Frage, ob das (oder war). geht und wie sinnvoll das ist - wer das vor Die anderen Gedanken, das Fremde, das ein paar Jahren gefordert hätte, wäre „ein Unerhörte, das Abgelehnte kommt so Linker“ gewesen. Jetzt demonstrieren - 5 - THEMA auch politisch konservative Menschen. Lösungen für die Fragen, die uns bewe- Und am andern politischen Ende ist es gen. Gerechtigkeit, Schöpfung, Frieden... ähnlich. Ob es in unserer klein gewor- Diese Liste ist lang. Und ebenso zahlreich denen Welt sinnvoll ist, zu „national“ zu sind die Sichten darauf. Und auch, wenn denken, ist eine bedenkenswerte Frage. es mancher für überholt ansieht, es lohnt Mit dem heutigen Europa hätte es kaum auch mit dieser Glaubensbrille auf diese einen 1. und 2. Weltkrieg gegeben. Ande- Fragen zu sehen. Mit dem „Blickwinkel rerseits: Wer heute „national“ denkt, wird der Ewigkeit“. schnell in die „nationalistische“ Ecke ge- schoben. Irgendwie ist das auch ziemlich Wo der fehlt, da gibt es, wie gesagt auch ungeschickt. Der ehemalige Bundesprä- andere Sichten, zu denen möchte ich ganz sident Joachim Gauck hat es inzwischen klar sagen: „Nein, so nicht! Das ist prob- auch mal öffentlich angesprochen. lematisch.“ Ich sage nicht: „Du bist prob- lematisch.“ Denn auch das zeigt uns die Da wird dann auch die „Brille des Glau- „Brille des Glaubens“, dass wir zwischen bens“ mit ihrer Perspektive wichtig. Ob im einer Person und ihrem Tun unterschei- persönlichen Leben, ob im gesellschaft- den sollten. Nur weil einer Böses tut oder lichen. Ist jede Sicht, jede Perspektive Lebensfeindliches sagt, ist er doch nicht wirklich noch okay? Wenn anderes Leben automatisch ein schlechter Mensch. mit Füßen getreten, beschädigt, bedroht, vernichtet, ausgegrenzt wird. Wenn wir Ein weites Feld, keine Frage. Unsere Welt uns die Gegenwart von der Zukunft leihen, ist komplizierter geworden. Mit so einer weil wir die Erde ausplündern. Wenn nur „Brille des Glaubens“ ist für mich aber die eigenen Interessen zählen, nicht die eine Sehhilfe da, um den richtigen Weg zu der anderen. Wenn Gott verleugnet wird, finden. Den des Glaubens, der Hoffnung, weil sich Menschen an die Stelle Gottes der Liebe. setzen oder ihn schlicht vergessen. Pfarrer Peter Peischl Welche biblischen Gebote das ausformu- lieren, das haben wir doch mal gelernt. „Liebe Gott über alles und deinen Nächs- ten wie dich selbst“. Und auch wenn wir das nicht immer so hinbekommen: Gott hat trotzdem gute Nachrichten für uns. Er lässt uns die Suppe, die wir uns oft genug einbrocken, nicht gnadenlos auslöffeln. Da war doch was, mit Jesus und Karfreitag und Ostern, und ... Die „Brille des Glaubens“ liefert keine - 6 - THEMA Mein Leben mit der „Brille“ ligen Pfarrer von Rosenheim kennenge- lernt. Er lud mich zu seinem Konfirman- Ich wurde gebe- denunterricht ein und so bekam mein ten, mich dazu zu Bund mit Gott und Jesus nach einem Jahr äußern, was mir sogar Brief und Siegel. zur „Brille des Mit 15 Jahren wollte ich dann frei sein. Glaubens“ einfällt Ich habe mich auf eigene Füße gestellt und was mein Le- und bin weggegangen von Rosenheim. ben aus diesem Das sollte für 35 Jahre auch ein Abschied Blickwinkel auf von christlicher Gemeinde sein.
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