Jelena Rakin Jelena Rakin Die nachträgliche Kolorierung des schwarzweißen Film Farbe Fläche Materials war in der Stummfilmepoche eine verbrei- tete Praxis. Die Filme wurden hand- oder schablo- Ästhetik des kolorierten Bildes nenkoloriert, viragiert und getont. Die häufig osten- tativ ausgestellte Materialität der aufgetragenen im Kino 1895–1930 Farbe stand in einem Spannungsverhältnis zum fotografischen Bild und bewirkte eine spezifische Dynamik zwischen dem Eindruck von Flächigkeit und Plastizität. Kolorierungen kamen in Serpen- tinentanzfilmen, den ornamentalen Motiven der Féerien, in Trickfilmen oder Moderevuen besonders zur Geltung. In dieser Hinsicht weisen die applika- tiven Farbtechniken des Films viele Parallelen zu anderen farbigen Bildmedien der Epoche auf (wie Gebrauchsgrafik oder Modeillustration). Zudem zeigt der kolorierte Film seine Nähe zur industriali- sierten Ästhetik, vornehmlich zur visuellen Form kommerzieller Farbpaletten. In dieser Studie wird die farbige Fläche des kolorier- ten Films im Kontext einer intermedialen Geschichte des Ästhetischen untersucht. Farbe als Attraktion, Film Farbe Fläche ostentative Materialität und Element medialer Selbstreflexion der Kunst tritt aus dieser Perspek- tive als eine Sinnfigur der chromatischen Moderne und der populären visuellen Kultur des frühen 20. Jahrhunderts hervor. Jelena Rakin ist Oberassistentin am Seminar für Filmwissenschaft in Zürich, wo sie an einer Ha bilitationsschrift zur Ästhetik von Kosmos- bildern arbeitet. ISBN 978-3-7410-0344-8 ZÜRCHER FILMSTUDIEN 44 Jelena Rakin Film Farbe Fläche ZÜRCHER FILMSTUDIEN BEGRÜNDET VON CHRISTINE N. BRINCKMANN HERAUSGEGEBEN VON JÖRG SCHWEINITZ UND MARGRIT TRÖHLER BAND 44 JELENA RAKIN FILM FARBE FLÄCHE Ästhetik des kolorierten Bildes im Kino 1895–1930 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich im Herbstsemester 2018 auf Antrag der Promotions- kommission Prof. Dr. Jörg Schweinitz (hauptverantwortliche Betreuungs- person) und Prof. Dr. Frank Kessler als Dissertation angenommen. Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Publiziert von Schüren Verlag GmbH Universitätsstr. 55 • D-35037 Marburg www.schueren-verlag.de © Jelena Rakin 2021 Alle Rechte vorbehalten Lektorat: Andrea Beutlhauser / Christina Walker / Marc Frank / Philipp Brunner Gestaltung: Erik Schüßler Umschlaggestaltung: Bringolf Irion Vögeli GmbH, Zürich Gesamtherstellung Schüren Verlag GmbH, Marburg ISBN (Printausgabe) 978-3-7410-0344-8 ISBN (Open Access ebook) 978-3-7410-0343-1 DOI: 10.23799/9783741003431 Das vorliegende Werk steht unter einer Creative Commons CC BY-NC-ND 3.0-Lizenz. Sie dürfen das Werk für nichtkommerzielle Zwecke vervielfältigen, verbreiten und öffentlich zugänglich machen. Sie müssen dabei den Namen des Autors nennen. Das Werk darf nur bearbeitet oder in anderer Weise verändert werden, wenn Sie es nicht verbreiten. Eine Zusammenfassung der Lizenz und den Lizenztext finden Sie unter https://creativecommons.org/licenses/by- nc- nd/3.0/deed.de. Inhalt Dank 9 Einleitung 11 Ostentative Oberfläche 11 Zur Gliederung der Studie 15 Stand der Forschung 16 Methodisches 19 Das farbige Bild im filmtheoretischen Kontext der Stummfilmzeit 21 Kulturelle und kunstsoziologische Kontexte des farbigen Filmbildes um 1900 27 I. Serpentinentanzfilme – Farbe, Fläche, Materialität 31 Farbe und Stofflichkeitseindruck 33 Die Bildspannung und der doppelte Charakter des Bildes – einige Konzepte aus Kunstphilosophie und Bildwissenschaft 38 Materialität des filmischen Bildträgers 44 Farbspannung als ein ‹Aufeinander› und ‹Ineinander› der Bildschichten in Serpentinentanzfilmen 47 Kolorit als Inkarnat 50 Die Frau als Fläche für die Farbe – Das Kostüm als Double der Leinwand 54 Farbe und unbeständige Körper in La Danse du feu und Loïe Fuller 59 Farbe und Materialität in der Moderne 63 II. Trickfilme und Féerien – Schichtungen und Transparenzen des kolorierten Bildes im frühen Kino 69 Schichtung als Grundprinzip des Filmbildes 71 Ästhetik der Schichtung als Attraktion der Bildmaterialität 74 Mehrfachbelichtungen im kolorierten Bild und die selbstreflexiven Tendenzen des frühen Kinos 75 6 Inhalt Manipulation des Bildes als Gegenstand der Fotografie- und Filmhandbücher um 1900 80 Kolorierter Trickfilm, transparente Motive und die Bildschichtung durch Mehrfachbelichtung 84 L’Hallucination de l’alchimiste (1897) 84 Le Chaudron infernal (1903) 86 Dekor in der Mise en Scène als Bildschicht 88 La Légende de Rip Van Winkle (1905) 93 Le Palais des mille et une nuits (1905) 96 Geflechte der Bildebenen: Dekor, Einbelichtung und Kolorierung 99 Le Royaume des fées (1903) 99 Schichtungen im monochromen Bild 108 Farbe als Teil des Tricks 113 Le Spectre rouge (1907) 119 Transparenz und die applizierte Farbe im historischen und theoretischen Kontext 122 III. Farbe, Intermedialität, Produktionskontexte – Schablonenkolorierung in Kunstgewerbe, Grafik und Film 125 Ästhetische Diskurse am Übergang von kunstgewerblicher zu industrieller Produktion 126 Pochoir im Produktionskontext der Industrialisierung 131 Anleitungen für die Schablonenkolorierung um 1900 im Vergleich zum Film 136 Plastizität und Flächigkeit in den Diskursen um 1900 143 Figur-Grund-Wechselbeziehung und Pochoir-Technik 150 Rahmungen in den Figur-Ornament-Kompositionen 156 Räumliche Spannung: Das Verhältnis der Bildbewegung zur Bildrahmung 167 Weiblichkeit, Massenkultur und das Dekorative: Intermedialität der visuellen Ideen im kolorierten Film vom Art nouveau zum Art déco 173 Synergie von Film, Mode und Interieur-Design 178 Schablonenkolorierung und Handschiegl-Verfahren: Die Farbe als formgebende Instanz 186 Schablonenkolorierung und Warenfetisch in der Konsumgesellschaft 191 Inhalt 7 IV. Farbpaletten – Die Attraktion der Farbe und die Industrialisierung der Ästhetik 195 Farbindustrie und Farbmusterbücher um 1900 196 Die Farbpalette im kolorierten Film 208 Virage und Tonung als Manifestationen von zeitlichen Farbpaletten 223 Virage und Tonung im Kontext der Industrialisierung und Standardisierung des Films 228 Aufmerksamkeit als diskursive und ästhetische Kategorie der industriellen Moderne 242 Der populäre Farbgeschmack und die ästhetische Farberziehung in den Diskursen um 1900 252 Der kolorierte Film und das kunsthistorische Denken über die farbige Bildfläche in der Moderne 261 Schlussgedanken 265 Anhang 270 Glossar zu den Farbverfahren 270 Literaturverzeichnis 273 Bildnachweise 286 Filmverzeichnis 287 Personenverzeichnis 290 Dank Dem Seminar für Filmwissenschaft der Universität Zürich für die hervorragende Forschungsstruktur, mehrjährige Anstellung und vielfa- che Unterstützung, die die Verfassung und Fertigstellung dieser Studie ermöglichten. Meinem Erstbetreuer, Prof. Dr. Jörg Schweinitz, der meinen Themen- vorschlag annahm und mir über die Jahre die Freiheit gab, im Rahmen sei- ner Forschungsgruppe «Visuelle Ästhetik des vorklassischen Stummfilms» eigene Schwerpunkte und methodische Herangehensweisen zu verfolgen. Für seine unersetzliche fachkundige Unterstützung bei den verschiedenen Schritten des Erarbeitens und Vorstellens meiner Studie in wissenschaft- lichen Kreisen sowie beim Verfolgen eines einjährigen Forschungsaufent- halts in den USA und schließlich auch für die Unterstützung der Publika- tionsvorbereitung. Meinem Zweitbetreuer, Prof. Dr. Frank Kessler, dessen langjährige Unterstützung und reichhaltiges Wissen im Bereich des Frühen Kinos kon- stitutiv für das Entstehen dieser Arbeit waren. Für seine fachlichen Hin- weise und die redaktionelle Arbeit an einer vorausgehenden Publikation sowie für seine Empfehlung in der Vorbereitung meines Princeton-Auf- enthalts. Meinem Betreuer an der Princeton University, Prof. Dr. Thomas Y. Levin, für eine großzügige Unterstützung meines Aufenthalts in den USA, dank der ich nicht nur die einschlägigen Filmarchive in den USA besuchen, sondern auch die Princetoner Sammlung der Charles Rahn Fry Pochoir-Grafiken studieren konnte, der sich schließlich das dritte Kapitel dieser Arbeit verdankt. Allen Professorinnen des Seminars für Filmwissenschaft in Zürich, Prof. Dr. Barbara Flückiger, die immer bereit war, mir ihr tolles Farbfilm- material zur Verfügung zu stellen, Prof. Dr. Margrit Tröhler und Prof. Dr. Fabienne Liptay, die gemeinsam mit Prof. Dr. Jörg Schweinitz für ein gesi- chertes und produktives Arbeitsumfeld für das Verfassen dieser Studie gesorgt haben. Für einen langjährigen wertvollen Austausch allen Mitarbeitenden des Seminars für Filmwissenschaft in Zürich, die mit mir sowohl in der Institutscafeteria, in den Forschungskolloquien als auch im Kino zusam- men saßen; insbesondere Daniel Wiegand, auf dessen filmhistorisches Wissen ich mich bei Fragen immer verlassen konnte, sowie Philipp Brun- ner für seine sorgfältige Unterstützung in der Druckphase dieser Schrift. 10 Dank James Layton, Laurel Howard und Brian Real, die mich bei der US-ame- rikanischen Archivrecherche in George Eastman House International Museum of Photography and Film und The Library of Congress unterstützt haben. Peter Ellenbruch, bei dem ich meine erste filmwissenschaftliche Arbeit über Farbe im Kino geschrieben habe und der mir häufig das Film- material für diese Schrift bereitstellte. Nia Perivolaropoulou für die inspi- rierenden und produktiven
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