„Die sind doch alle gleich!“ Programmatische Unterschiede in der deutschen Parteienlandschaft Ein Methodenexperiment Franziska Fislage, Sebastian Graf, Tobias Montag www.kas.de Impressum Herausgeberin: Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. 2019, Sankt Augustin/Berlin Umschlagfoto: © katatonia82/shutterstock Kapiteleinstiege: S. 4 © niroworld/Adobe Stock; S. 6 © frankix/istockphoto by Getty Images; S. 16 © pavel nekoranec/unsplash; S. 44 © katatonia82/ shutterstock Gestaltung und Satz: yellow too, Pasiek Horntrich GbR Diese Publikation ist lizenziert unter den Bedingungen von „Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international”, CC BY-SA 4.0 (abrufbar unter: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/ legalcode.de). ISBN 978-3-95721-515-4 Inhaltsverzeichnis Einleitung 5 Die Methodik 7 Die Wahlprogramme 7 Die Themenfelder 7 Arbeitsmarkt und Rente 7 Finanzen und Steuern 7 Innere Sicherheit 8 Migration und Asyl 8 Außenpolitik 8 Die Kodierung mit MAXQDA 9 Aufbau von MAXQDA 9 Vorteile von MAXQDA 9 Logik des Kategoriensystems: Das III-Stufen-Modell 10 Qualität der Kodierung 12 Methodik der Kongruenzwertanalyse 12 Die Analyse 17 Positionsvergleich und inhaltliche Tiefe 17 Dokumentportraits 19 Dokumentportrait: CDU/CSU 20 Dokumentportrait: SPD 20 Dokumentportrait: Die Grünen 21 Dokumentportrait: FDP 22 Dokumentportrait: Die Linke 22 Dokumentportrait: AfD 23 Kongruenzwertanalyse 23 Kongruenzwerte der CDU/CSU 25 Kongruenzwerte der SPD 29 Kongruenzwerte der Grünen 32 Kongruenzwerte der FDP 35 Kongruenzwerte der Linken 38 Kongruenzwerte der AfD 41 Alle Parteien sind gleich? – Schlussbetrachtung 45 Die Autorin und die Autoren 46 Ansprechpartner in der Konrad-Adenauer-Stiftung 47 Einleitung „Die sind doch alle gleich!“ – so lautet in der politi- Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat die Bundes- schen Debatte oft ein Vorwurf gegenüber politi- tagswahl 2017 zum Anlass genommen, um die schen Parteien in Deutschland. Die Parteien seien Wahlprogramme von CDU/CSU, SPD, Bündnis ­­ sich zunehmend ähnlicher geworden, ließen sich 90/Die Grünen, Die Linke, FDP und AfD mit dem inhaltlich kaum mehr voneinander unterscheiden Analyseprogramm MAXQDA in fünf Themen- und würden die gleichen Standpunkte ver- feldern zu vergleichen. Ziel dieses Vorgehens treten. Die vermeintliche Ähnlichkeit der Parteien war es, verschiedene Auswertungsmöglich- wird dabei oft als Grund für die Wahlabstinenz keiten zu nutzen, um die Wahlprogramme mit angeführt und als Ausdruck einer Krise der Demo- den vielfältigsten Fragestellungen konfrontieren kratie gewertet. Die repräsentative Demokratie zu können. Dabei wurden die Wahlprogramme lebt schließlich davon, dass verschiedene Par- kodiert und u. a. die programmatischen Überein- teien die unterschiedlichen Teile der Gesellschaft stimmungen (Kongruenzwerte) berechnet. Die repräsentieren und sich im Wettbewerb für das Kongruenzwertanalyse ist von besonderem Inte- Wohl des Ganzen einsetzen. Unterscheidbarkeit resse, weil sie den prozentualen Anteil an pro- und Repräsentationsfunktion gehören demnach grammatischer Übereinstimmung in den Wahl- zusammen. programmen angibt. Hierbei wird zusätzlich zu den konkreten Maßnahmen auch die über- Der Vorwurf einer mangelnden Unterscheid- geordnete Richtung – die Tendenz – einbezogen.1 barkeit wird damit anschlussfähig für die poli- tische Auseinandersetzung. In Wahlkämpfen Untersucht wurde, inwieweit sich die Parteien dient er oftmals dazu, politischen Gegnern ein in den Themenfeldern Migration und Asyl, Innere eigenständiges Profil in Abrede zu stellen und Sicherheit, Arbeitsmarkt und Rente, Finanzen und sich selbst in ein besseres Licht zu rücken. Oder Steuern sowie Außenpolitik in ihren programmati- aber man konstruiert damit einen vermeint- schen Positionen voneinander unterscheiden bzw. lichen „Mainstream-Goliath“, um bei den Wäh- einander ähneln. Anhand der Befunde soll die lern gewissermaßen als heldenhafter „David“ Aussage, dass die Parteien alle gleich seien, empi- Sympathiepunkte zu gewinnen. Verfangen kann risch geprüft werden. dieses Vorgehen freilich nur, weil in der Regel die meisten Bürger nicht die Mühe auf sich nehmen, In dieser Publikation wird zunächst die Metho- die doch sehr umfangreichen Wahlprogramme zu dik erläutert. Die Analyse der in MAXQDA kodier- studieren und zu vergleichen. Aber selbst profes- ten Wahlprogramme sowie die Darstellung der sionelle Beobachter des Politikbetriebs verirren Kongruenzwerte folgen in einem weiteren Kapitel. sich mitunter in den Details der Programme und In der Schlussbetrachtung wird aufgezeigt, dass verlieren die grundsätzlichen Unterschiede aus die populäre These von der programmatischen den Augen. Einheitlichkeit der Parteien hinsichtlich der Wahl- programme nicht zutrifft. Einen Ausweg aus dieser Unübersichtlichkeit bie- ten Programmsynopsen. Diese können jedoch im selben Maße unübersichtlich werden wie ihre Vor- lagen und weisen nur eine geringe Funktion und Flexibilität hinsichtlich ihrer Auswertungsmöglich- keiten auf. Außerdem können Zuordnungen 1 Der Kongruenzwert wird davon beeinflusst, wie umfang- von Einzelpersonen zu einer Subjektivität füh- reich die Äußerungen der Parteien im Wahlprogramm zu einem Thema sind und ob Themen überhaupt plat- ren, die nur mit weiterem Personal- und Zeitauf- ziert werden. Eine Nicht-Thematisierung bedeutet eine wand eindämmbar ist. Der Einsatz eines Analyse- Nicht-Übereinstimmung. Vor diesem Hintergrund sind programms könnte hier Abhilfe schaffen. Es soll auch die im Vergleich geringen Kongruenzwerte der AfD zu die notwendige Objektivität sicherstellen und mit betrachten. Zudem findet keine Gewichtung einzelner Teil- aspekte statt, auch wenn diese im Mittelpunkt der öffentli- überschaubaren Ressourcen arbeiten können. chen Debatte stehen. 5 Die Methodik Die Wahlprogramme Die Themenfelder Die inhaltliche Grundlage der Wahlprogramm- Arbeitsmarkt und Rente analyse bilden die offiziellen Wahlprogramme Dieser Themenblock unterteilt sich in drei Unter- zur Bundestagswahl 2017. Die Auswertung kategorien: Arbeitsmarktpolitik, Rentenpolitik sowie beinhaltet die Wahlprogramme der folgenden Wirtschaftspolitik. sechs Parteien: › Arbeitsmarktpolitik: Neben den Aspekten der › Christlich Demokratische Union Deutsch- Arbeitsbedingungen (Gehälter, Arbeitszeiten lands/Christlich-Soziale Union in Bayern etc.) sowie Beschäftigungspolitik (Arbeitslosig- (CDU/CSU): Für ein Deutschland, in dem wir keit, prekäre Beschäftigung etc.) ist zudem gut und gerne leben – Regierungsprogramm der Aspekt der Aus- und Weiterbildung auf- 2017–2021. genommen worden, da Qualifizierung als initialer Bestandteil von Arbeitsmarktpolitik › Sozialdemokratische Partei Deutschlands zu sehen ist. Akademische Ausbildung, For- (SPD): Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit: schung und Hochschulpolitik sind hier nicht Zukunft sichern, Europa stärken – Das enthalten. Regierungsprogramm 2017–2021. › Rentenpolitik: Beinhaltet die Positionen der › Bündnis 90/Die Grünen (Die Grünen): Parteien zur gesetzlichen, privaten sowie Zukunft wird aus Mut gemacht – Bundestags- betrieblichen Altersvorsorge. wahlprogramm 2017. › Wirtschaftspolitik: Hier liegt der Fokus auf › Die Linke (Die Linke): Die Zukunft, für die wir wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die kämpfen: Sozial. Gerecht. Frieden. Für Alle. einen starken arbeitsmarktpolitischen bzw. Programm zur Bundestagswahl 2017. beschäftigungsfördernden Ansatz haben. Dabei wird vor allem der Umgang mit kleinen › Freie Demokratische Partei (FDP): Schauen und mittelständischen Unternehmen sowie wir nicht länger zu. Programm der Freien Demo- mit Start-Ups/Unternehmensgründern bzw. kraten zur Bundestagswahl 2017. Selbstständigen adressiert. Die deutsche Standortpolitik bzw. die industrielle Wirt- › Alternative für Deutschland (AfD): Programm schaftspolitik wird hier ausgeklammert. Diese für Deutschland – Wahlprogramm der Alter- Unterkategorie wird in der folgenden Analyse native für Deutschland für die Wahl zum Deut- nicht separat betrachtet, da die Nennungen schen Bundestag am 24. September 2017. hierzu zu gering sind. Alle Wahlprogramme sind von den offiziellen Finanzen und Steuern Webseiten der Parteien im PDF-Format herunter- Der Themenblock Finanzen und Steuern ist in geladen worden. Zur einfacheren Kodierung in zwei Dimensionen – international und national – MAXQDA wurden diese in ein Textformat (DOCX) unterteilt: konvertiert. Dabei sind unnötige Formatierun- gen sowie grafische Elemente entfernt worden, › Nationale Finanz- und Steuerpolitik: Thema- sodass das Wahlprogramm – möglichst – in rei- tisierung von unterschiedlichen nationalen ner Textform vorliegt. Inhaltliche Veränderungen Steuern und Abgaben sowie der deutschen bzw. Modifikationen am Programmtext fanden Haushaltspolitik. Dabei ist anzumerken, dass nicht statt. Investitionsbereiche bzw. Schwerpunkte in der Haushaltspolitik bzw. den Ressorts nicht kodiert worden sind. Dies liegt darin begründet, dass hier keine ausreichende 7 Die Methodik Differenzierung der Parteien erkennbar Außenpolitik war – alle Parteien wollen am liebsten in allen Der Themenblock Außenpolitik unterteilt sich in Bereichen mehr Mittel verorten. drei Teilaspekte: › Die internationale Finanz- und Steuerpolitik › Die erste Unterkategorie thematisiert die thematisiert vor allem die Aspekte Banken diplo matischen Beziehungen sowie politischen und Finanzmarkt (Regulierung) sowie Inter- Positionen Deutschlands in der Weltpolitik, nationale Steuerpolitik (Besteuerung von wobei stets das Verhältnis Deutschlands Unternehmen und Kampf gegen Steuerflucht). gegenüber
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