Moderne trifft ModerneGeschichte Baukunst · Architektur · Leben Näher als Sie glauben. Wussten Sie sKulturchon, dass … … Bernau bei Berlin ein abwechslungsreiches Kulturprogramm bietet? … es in Bernau bei Berlin zahlreiche Denkmäler verschiedener Epochen gibt? … Bernau bei Berlin ein lebendiger Kulturort ist! BERNAU BEI BERLIN – Baukunst · Architektur · Leben 4 Moderne trifft Geschichte Vorwort Professor Herwig Pöschl Genau diesen Eindruck kann der Besucher von Bernau bei Berlin gewinnen. Sieht man sich am Rande der Innenstadt noch umgeben von einer historischen Stadtmauer mit gut erhaltenen Lughäusern, Türmen und dem Steintor, so eröff- 10 net sich beim Durchqueren des Tores die Sicht auf die syste- Das Baudenkmal matische Bebauung der mittelalterlich angelegten Straßen- züge. Lässt man den Blick weiter schweifen, so entdeckt man Bundesschule Bernau liebevoll restaurierte Gründerzeitbauten und Jahrhunderte alte Fachwerkhäuser. Moderne Neubauten werden überragt von einer imposanten gotischen Backsteinhallenkirche. 20 Eingebettet in diese wechselvolle Architektur findet man in Phönix oder Pechvogel? Bernau bei Berlin verschiedene Museen und Kunstgalerien, Die Bernauer Innenstadt die sowohl für Geschichtsfreunde als auch für Liebhaber der Modernen Kunst einiges zu bieten haben. Mehr als zehn wiederkehrende Veranstaltungen verteilen sich über das 24 Kulturjahr der 37.000-Einwohner-Stadt im grünen Norden Berlins. Bernauer und Besucher können bei vielseitigen Die Schlossanlage Musikfestivals unterschiedlichste Stilrichtungen genießen, Börnicke in die Vergangenheit eintauchen oder auf einer der Vernis- sagen Bildende Kunst bewundern. Und nicht zuletzt können Kultur dank zahlreicher engagierter Vereine Kunst und Kultur in 30 Bernau bei Berlin lebendig gestaltet werden. Historie in Besuchen Sie die moderne Kleinstadt im historischen Bernau bei Berlin Rahmen, entdecken Sie Kunst und Kultur in Bernau bei Berlin! Planung 3 P Rof. HERWIG PöScHL ModerneVorwort trifft Geschichte Die mehr als 750-jährige Geschichte Bernaus ist dokumentiert durch beeindruckende Baudenkmäler. Im Zentrum der Stadt, die von einer nahezu vollständig erhaltenen mittelalterlichen Stadtmauer wie ein Juwel eingefasst ist, findet sich die 1519 eingeweihte spätgotische St. Marienkirche mit einem flügelaltar aus der Schule des Renaissance-Malers Lucas cranach des Älteren. Der Aufstieg Bernaus zu einem Zentrum der mittelalterlichen Tuchproduktion ist mit dem St. Geor- gen Hospital, einer Stiftung der Tuchmachergilde von 1328 dokumentiert. Das Kantorhaus als ältestes Wohnhaus aus dem 16. Jahrhundert und das klassizistische Rathaus von 1805 sind Zeugen ihrer Zeit. Das Industriedenkmal Gasometer, einer der letzten erhaltenen Scheibengasbehälter, empfängt Besucher, die aus Richtung Berlin anreisen. Wende zur Moderne Das 1909/11 umgebaute Schloss Börnicke liegt in einem Bernauer ortsteil, welcher erst im Zuge der Gebietsreform 2002 eingemeindet wurde. Das Schloss markiert mit dem Architekten Bruno Paul einen Wendepunkt zur Moderne. Es gilt selbst nicht als Bauwerk der Moderne, sondern gehört mit seinem bei Berliner Großbürgern beliebten »klassischem Stil« zu den herausragenden Herrenhäusern in Brandenburg. Eine großzügige Schlossanlage und der einmalige Landschaftspark mit einem kleinen See als Zentrum weisen auf eine Architektur hin, die Bau und Landschaft als Einheit begreift. Der »modern« wirkende Stil erklärt sich aus der Persönlichkeit des Architekten Bruno Paul, welcher die Wende vom Jugendstil hin zum funktionalistischen Bauhaus, vor allem mit späteren Bauten, verkörpert. Vorwort 5 Merkmal der Moderne: Das Baudenkmal Bundesschule des ADGB Im nördlichen Stadtgebiet Bernaus befindet sich das bedeutendste Bauhausobjekt neben dem Bauhausgebäude in Dessau. Das Bauhaus ist die herausragendste Kunstschule des 20. Jahrhunderts. Die zwischen 1928 und 1930 von den Architekten Hannes Meyer und Hans Wittwer entworfene und gebaute ehemalige Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerk- schaftsbundes (ADGB) gilt einerseits bis heute als paradigmatisches Beispiel einer funktionalen Architektur, andererseits gehen Idee, Konzept und Realisierung weit über die Aufgabe hinaus, einen Raum für eine Schule zu schaffen. Architektur baut hier ein positives Menschenbild und eine neue organisation des Zusammenlebens in Entwicklungsräumen, die öko- logisch in die Landschaft eingepasst sind. So wird ein Besuch der Bundesschule eine Begegnung mit einer spürbaren und nicht nur ästhetisch beeindruckenden Architektur. Seit 2001 ist die Handwerkskammer Pächter der Bundesschule. Betreiber ist der Internationale Bund mit einem Seminar- und Lehrgangshotel. Ab 2003 wurden Sanierungs- und Rekonstruktionsarbeiten zur denkmalgerechten Wiederherstellung des Meyer-Wittwer-Baus von den Brenne Architekten aus Berlin durchgeführt. Der World Monuments Fund (WMf) in New York hat die Architekten 2008 für die Instandsetzung mit dem »World Monuments fund/Knoll Modernism Prize« ausge- zeichnet. Die 2011 gegründete Stiftung »Baudenkmal Bundesschule« soll sich unter anderem um die Aufnahme in den Katalog des UNESco Welterbe bemühen. Prof. HerwiG PöScHl ist heute Kunstkurator der Stadt Bernau und unterrichtet an den Universitäten Bologna, Lugano und Turin. Er ist Mitbegründer der Stiftung Fitzcarraldo in Turin, welche von den wichtigsten italienischen Kulturmachern für kulturpolitische Forschung und Kulturmanagement gegründet wurde. Er hat in den letzten 20 Jahren mehr als 1.000 Kulturmanager/innen in 60 Ländern ausgebildet, in Salzburg das Kolleg St. Josef als Denkmal der Moderne gerettet und für Salzburg bzw. Industrieregionen kulturelle Planungen erarbeitet. Er lebt heute in Berlin. Wende von der Moderne Durch Putz überformte fachwerkhäuser prägten bis 1975 den historischen Stadtkern von Bernau, konnten allerdings aus ökonomischen und situativen Bedingungen heraus nicht so renoviert werden, dass sie den Bedürfnissen und Standards der Zeit entsprachen. Mit dem Anspruch eine Musterstadt zu entwickeln, wurden große Teile der Altstadt abgetragen und durch die industriell vorgefertigte, nahezu kubistische Architektur des Plattenbaus ersetzt. Es wurde dabei aber besonders darauf geachtet, dass sich die Architektur in das Stadtbild einfügt. Heute geht es längst um eine differenzierte Betrach- tung dieser Stadtentwicklung, weg von deren vordergründiger Geringschätzung hin zu Neubewertungen und spannenden Sanierungs- sowie Stadterneuerungsprojekten. Bernau bei Berlin bietet so neben dem Schwerpunktprojekt Baudenkmal Bundesschule vielfältige und erweiterbare Mög- lichkeiten für die Entwicklung des Themenkreises Architektur mit Menschen im Zentrum des Gestaltens. Prof. Herwig Pöschl Vorwort 7 BAUK UNST • ARcHITEKTUR • BENLE ZeitzeugenModerne der Moderne in Bernau bei Berlin In Bernau bei Berlin stehen Bauwerke unterschiedlicher Architekturepochen harmonisch nebeneinander. Darunter befinden sich auch einige Zeugnisse der Deutschen Moderne. Lassen Sie sich beeindrucken vom Baudenkmal Bundesschule Bernau – einem der bedeutendsten Bauensembles der Moderne in Deutschland. Verfolgen Sie die dramatische Überformung der mittelalterlichen Bernauer Innenstadt – eine experimentelle, bauwissenschaftliche, städtebaulich-architektonische sowie soziale Herausforderung mit versöhnlichem Ende. Entdecken Sie auf den folgenden Seiten auch die vom Wendearchitekten Bruno Paul umgebaute Schlossanlage in Börnicke. Zeitzeugen der Moderne 9 P Rof. ARTHUR RÜEGG, ZÜRIcH Das BaudenkmalBundesschule Bundesschule Bernau Der Schweizer Architekt Hannes Meyer (1889–1954) gilt als radikaler Exponent eines »verwissenschaftlichten« Entwurfsprozesses. Während der kurzen Zeit seines Direktorats am Bauhaus Dessau (1928–30) konnte er zusammen mit seinem Partner Hans Wittwer (1895–1952) und der Bauabteilung des Bauhauses die Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) in Bernau errichten, die als »gebautes Manifest« seiner Ideen gilt – als Versuch, sämtliche Randbedingungen einer Aufgabe objektiv zu erfassen und direkt in einen Bau zu übersetzen, ohne »auf einen Stil auszugehen« (Behne). Kulturland Brandenburg 2011 Die Bundesschule wurde außerhalb der an ein Schwimmbecken und den See Stadt behutsam in eine Waldlandschaft angrenzende Schulgebäude mit seinen mit einem kleinen See eingebettet. Die drei Hörsälen, der Bibliothek, den Semi- Z-förmige Anlage ist in mittelgroße Teile narräumen und einer Turnhalle. Meyer aufgelöst, die durch einen großzügig schlug also nicht nur eine außergewöhn- verglasten Gang verbunden sind. Die liche Bauanlage vor, sondern – nach einzelnen Trakte wurden auf rechtecki- eigenen Worten – »eine neuartige gen Grundrissen aufgebaut, doch die sozial-päda gogische Organisation«. Die lebhafte Staffelung auf dem leicht be- Wettbewerbsbeiträge der anderen Kon- wegten Gelände ergab ein zwangloses kurrenten (Aloys Klement, Max Taut, Max Arrangement, das völlig undogmatisch Berg, Willy Ludewig, Erich Mendelsohn) wirkt. Offensichtlich zielte das didakti- hatten nicht die selbe knappe Eleganz in sche Konzept der Bundesschule nicht der Umsetzung reformerischer Anliegen nur auf die Vermittlung von Wissen, zu erreichen vermocht. Der geschmeidig sondern auch auf die Förderung sozialer ins Gelände gelegte Zweckbau verzichtet Kompetenzen durch gemeinsames fast ganz auf repräsentative Gesten. Das Lernen in unhierarchischen Struktu- Erscheinungsbild wird direkt von den ren und mit starkem Bezug zu einer verwendeten Baumaterialien und deren ruhigen, aber durch die architektonische werkgerechter Verarbeitung geprägt, Komposition poetisch
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