Leben und Wirken Hermann Scherer 1893 August Hermann Scherer wird am 8. Februar 1893 als erstes von vier Kindern des Bauern Friedrich August Scherer (1858 bis 1940) und seiner aus Britzingen stammenden Frau Frieda geb. Sütterlin (1867 bis 1900) in Rümmingen geboren. Er wächst in bescheidenen Verhältnissen auf dem kleinen Bauerndorf nahe Lörrach auf. 1900 bis 1905 Seine Mutter stirbt im Jahre 1900. Für den 7 Jahre alten Hermann ein tiefer, lebensprägender Einschnitt. Er wächst nun meist auf sich alleine gestellt auf. Trotz seiner körperlich 1910 bis 1911 schwächlichen Kondition, behauptet er Nach der Lehre zieht Scherer nach sich unter der Dorfjugend, fällt in der Basel, dem prosperierenden Volksschule durch seine Begabung auf wirtschaftlichen und kulturellen und entwickelt zeichnerische Zentrum am Oberrhein. Er findet Arbeit Fähigkeiten. In der freien Zeit nutzt er bei Bildhauer Carl Gutknecht (1878- jede Gelegenheit zum Lesen von 1970), der sich auf Bau- und Büchern, um so sein Wissen zu Brunnenplastiken für öffentliche erweitern. Vor allem Geschichtsbücher Gebäude und Anlagen spezialisiert interessieren ihn. hat. 1906 1912 bis 1913 Der Vater heiratet am 1. November Scherer geht, wie damals unter 1906 in zweiter Ehe Eva Scherr. Mit Gesellen üblich, auf Wanderschaft. seiner Stiefmutter versteht sich Koblenz und Köln sind Stationen. Hermann nicht besonders gut. Ob er damals Ausstellungen von Wegbereitern der modernen Kunst 1907 (Van Gogh und Munch, Ernst Ludwig Am Ende der Schulzeit sieht er im Kirchner) besucht, ist nicht bekannt. Erlernen eines Handwerks die Chance, aus der Enge des Dorfes und der 1914 bis 1917 bäuerlichen Umgebung auszubrechen. Als im August 1914 der Erste Weltkrieg Er lässt dem jüngeren Bruder Adolf ausbricht, ist Scherer bereits wieder in gerne den Vortritt, im elterlichen Hof Basel. Bis Kriegsende meidet er mitzuarbeiten. Bei Steinmetzmeister Besuche in Deutschland. Von seiner Schwab in Lörrach tritt er eine Lehre Heimat entfremdet er sich in der als Steinmetz an. Scherer fällt bald Kriegszeit immer mehr. Im Taglohn durch seine handwerkliche verdient er an zahlreichen Orten in Geschicklichkeit auf. Basel seinen Lebensunterhalt mit Baudekorationen. Er findet erste Kontakte zu Bildhauern. treffen sich hier. Es ist der Ort für Otto Roos (1887 bis 1945) zieht ausgelassene Feste und Diskussionen Scherer zur Mitarbeit bei über Kunst, Literatur, Politik und Steinskulpturen hinzu und stellt ihm Revolution. Enge Kontakte verbinden einen kleinen Raum für ein Atelier und ihn unter anderen mit dem Advokaten zum Wohnen zur Verfügung. Er wagt und späteren sich an Rötelzeichnungen von Verwaltungsratspräsidenten in Basler Aktfiguren, um Anatomiekenntnisse zu Unternehmen Ernst Saxer, mit dem erlangen. linkssozialistischen Politiker und Erste plastische Werke entstehen. späteren Professor für Theologie an Bekannt ist seine Gipsbüste von Albert der Uni Basel Fritz Lieb und dem Müller. späteren Direktor des Kunstmuseums Basel Georg Schmidt. Die Arbeit an Carl Burckhardts Brunnenanlage „Rhein“ und „Wiese“ vor dem Badischen Bahnhof gestaltet sich für Scherer zu einer physisch wie psychisch harten Prüfung. Burckhardt überwacht jeden Schritt seines Assistenten. 1921 Zum zweiten Mal stellt Scherer in der Kunsthalle aus. Er wendet sich von Burckhardts ästhetischen und weltanschaulichen Positionen ab und 1918 bis 1919 zerstört einen großen Teil seines bis dahin entstandenen plastischen Der renommierte Bildhauer Carl Werkes. Er lehnt fortan jede Burckhardt engagiert Hermann klassizistische Kunstauffassung ab. Scherer zur Mitarbeit an der Von jetzt an bis zuletzt ist seine Kunst Brunnenanlage „Rhein“ und „Wiese“ von seinem Mut zu innerlicher vor dem Badischen Bahnhof. Jetzt Gestaltung geprägt – „von einem kann er sich einen größeren direkten Bekenntnis seiner innerlichen Atelierraum an der Missionsgasse Erlebnisse, Sehnsüchte und leisten. Spannungen“, schreibt Georg Schmidt. 1920 Erstmals stellt Scherer zusammen mit 1922 anderen Künstlern in der Kunsthalle Erstmals nach den Kriegsjahren reist Basel 11 Plastiken und 9 Zeichnungen Scherer zusammen mit Fritz Lieb nach aus. In 3 Reliefs klingt erstmals eines Deutschland. Die beiden treffen mit der Leitmotive von Scherers Schaffen dem Theologen Karl Barth zusammen an: die Begegnung von Mann und und besuchen führende Avant- Frau. Scherer bezieht am Galerien in Berlin. In der Kunsthalle Steinenbachgäßlein einen neuen und Basel ist er mit einem Selbstbildnis größeren Atelierraum. Hier lebt er bis vertreten. Kunstkenner sprechen von zu seinem Tod. Das neue Atelier wird seinem bis dahin reifsten Werk. schnell zum Mittelpunkt von Scherers Der Besuch einer Ausstellung von Freundeskreis: Künstler, Architekten, Edvard Munchs Werken in Zürich gibt Politiker, Publizisten und Theologen ihm den entscheidenden Anstoß, selbst Maler zu werden. Scherers erste dominierten Kunstszene keine Malversuche widerspiegeln sich in Unterstützung. Scherer ruft im Vorfeld Porträts von Freunden, der traditionellen Selbstbildnissen und Akten. Er beteiligt Weihnachtsausstellung die jungen sich an Kunstwettbewerben, findet Basler Künstler zum Boykott auf: „Die zunächst aber keinen Zuspruch. alten Onkel begegnen einem mit Neid und Verbitterung, die sie nicht einmal 1923 verstecken können, es ist gemein“, Scherer beginnt im Freien zu malen. schreibt er. Bei einer Ausstellung in der Kunsthalle An Silvester kommt es zu einem lernt Scherer den Maler Ernst Ludwig Ereignis, das in der Geschichte der Kirchner (1880 – 1983) kennen. Schweizer Kunst des 20. Jahrhunderts Kirchner lädt ihn nach Davos ein. Eingang gefunden hat: Auf Initiative Scherer hält in seinen Skizzenbücher von Scherer kommt es im Tessin fest, was ihm zu Gesicht kommt: (Mendrisiotto) zur Gründung der Menschen, Tiere, Häuser, Bäume und Künstlervereinigung „Rot-Blau“. Ihr Gebirgslandschaften. Aus den gehören neben Scherer Albert Müller, Kontakten mit Kirchner entsteht eine Paul Camenisch und Werner Neuhaus Freundschaft. an. Sie erhoffen sich in Basel mehr in Beachtung bei den Jurien und Kommissionen von „Kunstkredit“ und „Kunstverein“. 1925 Die Kunsthalle sichert der Vereinigung eine Ausstellung zu. Angesichts der Schaffenskraft von Scherer – es sind 16 Holzskulpturen in etwas mehr als einem Jahr entstanden – ändert Kirchner seine Meinung über Scherer. Er bezichtigt ihn „sklavischer Nachahmung“ seiner eigenen Kunst. 1924 Seine Zusage, mit den Rot-Blau- Im Frühjahr malt er zusammen mit Künstlern in der Kunsthalle Kirchner in Davos seine ersten auszustellen, zieht er zurück. Die Bergbilder und vertieft seine Ausstellung wird auch noch durch ein Kenntnisse in der Holzschnitttechnik. anderes Ereignis in Frage gestellt. Holzskulpturen entstehen. Er findet Fünf der neuen Skulpturen von Freude am Bearbeiten von Scherer werden aus „sittlich- Baumstämmen. Die rasch erworbene moralischen“ Gründen“ aus der Sicherheit im Umgang mit dem neuen Ausstellung entfernt. Man einigt sich Werkstoff und der neuen schließlich auf einen Kompromiss: Die Bearbeitungstechnik überrascht seinen zensierten Werke können von den „Lehrmeister“ Kirchner. Scherer wird Kunstvereinsmitgliedern in den zu einer Ausstellung „Neuerer Kunst“ Magazinräumen der Kunsthalle in die Staatliche Gemäldegalerie besichtigt werden. Im Tessin bilden die Stuttgart eingeladen. Er stellt drei Rot-Blau-Künstler, zu denen jetzt auch seiner Holzskulpturen aus. In Basel Otto Staiger zählt, eine stoßen „moderne“ und „alte“ Kunst Arbeitsgemeinschaft. Im Tessin aufeinander. Die jungen Künstler entstehen zahlreiche Landschaften finden in der von Eliten alter Schule und Figurenbilder. Kirchner versöhnt sich wieder mit Morgenstunden des 13. Mai versagt Scherer. Er besucht ihn auf einer das Herz. Scherer stirbt im Alter von Reise nach Deutschland in Basel. 34 Jahren an den Folgen einer Streptokokkeninfektion im Bürgerspital. Am 16. Mai wird er auf dem Kannenfeldgottesacker Basel beigesetzt. An der Trauerfeier sprechen Albert Oeri, Fritz Lieb, Georg Schmidt, Wilhelm Barth, Otto Staiger und Scherers Lehrmeister Schwab aus Lörrach. 1928 Die Kunsthalle Basel richtet Scherer im Februar eine Gedächtnisausstellung aus. 225 Werke Scherers werden gezeigt. Die Fülle von plastischen Arbeiten, Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen und Druckgraphiken 1926 zeigen, dass sich Scherer vor allem in Im März stellt sich die Gruppe Rot-Blau den letzten vier Jahren in seinem erstmals im Kunsthaus Zürich vor. künstlerischen Fortkommen Auch dort werden drei Holzskulpturen verausgabt hat, ohne auf seine von Scherer als „anstößig“ Gesundheit Rücksicht zu nehmen. zurückgewiesen. Zusammen mit In seinem Katalogbeitrag schreibt Kirchner stellt Scherer erstmals in Kirchner: „Um Scherers Person Dresden auf internationaler Ebene aus. gruppierte sich ein Kreis von Mit seinen Werken ist er auch in Kunstmenschen, denen Scherers Wort Berlin, Karlsruhe und Hannover und Meinung Richtschnur war; man vertreten. Scherer malt wieder im vertraute ihm, weil man seine Tessin, das zu einem der beliebtesten künstlerische Unbestechlichkeit Aufenthaltsorte für Basler Künstler kannte. Man sagte oft von Scherer, geworden ist. Scherer malt viel: Der dass er nur eine pessimistische impulsive Farbauftrag wird Einstellung zur Welt habe: das ist nicht differenzierter und lockerer; die Farben ganz richtig, denn er war daneben leuchten intensiv rot, gelb, blau und religiös, sogar christlich religiös und violett. Daneben schnitzt er eine erlebte alles gewissermaßen in einer stattliche Reihe von Holzschnitten, die tragischen Mystik.“. in ihrem Darstellungsgegenstand aufs engste mit den gleichzeitigen
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