28. September 2018 Peter Ruzicka Wenn Er [Hanslick] Über Mein 1

28. September 2018 Peter Ruzicka Wenn Er [Hanslick] Über Mein 1

28. September 2018 Peter Ruzicka Wenn er [Hanslick] über mein 1. Violin-Concert, ein Werk, welches seit 18 Jahren Gemeingut aller Geiger der Welt ist, und über der Kritik steht, noch Anno Domini 1884 die unsägliche Dummheit schreibt: „für die temperamentlose Gescheidtheit des Bruch’schen Violinconcertes können wir uns nicht erwärmen“, so kann er mir gestohlen werden. Ich habe diesen verd - - ten Unsinn selbst gelesen! Das Finale des 1. Concertes soll kein Temperament haben – nun, da hört denn doch alles auf!“ Max Bruch, 13. Juni 1885 an Fritz Simrock 4 PROGRAMM 5 Fr 28. September 18 20 Uhr Konzerthaus Berlin RSB Konzerthaus-Abo Silber RSB Abo Silberne Mischung Peter Ruzicka Peter Ruzicka George Enescu Ray Chen / Violine (geb. 1948) (1881 – 1955) Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin „Elegie“ – Erinnerung für Orchester „Nuages d’automne sur les forêts“ aus „Voix de la Nature“ – Max Bruch Fragment für Orchester 18.45 Uhr (1838 – 1920) › Andante non troppo Ludwig-van-Beethoven-Saal Konzert für Violine und Orchester Einführung von Steffen Georgi Nr. 1 g-Moll op. 26 George Enescu › Vorspiel. Allegro moderato Sinfonie Nr. 4 e-Moll › Adagio (beendet von Pascal Bentoiu) › Finale. Allegro energico › Allegro appassionato › Un poco andante, marziale › Allegro vivace – Non troppo Pause Konzert mit und Live-Übertragung. Europaweit. In Berlin auf 89,6 MHz; Kabel 97,55; Digitalradio (DAB); Satellit; online und per App. Wir bitten um etwas Geduld zu Beginn der beiden Konzerthälften. Es kommt zu kleinen Verzögerungen wegen der Abstimmung mit dem Radioprogramm. 6 7 Steffen Georgi In Wagnertreue „In Wagnertreue“ - mit diesen Peter Ruzicka Worten versah der Komponist „Elegie“ – Peter Ruzicka die Widmung des Erinnerung für Orchester Orchesterwerkes „Elegie“ 2014 an Christian Thielemann. Ur- Besetzung sprünglich sollte Thielemann die 3 Flöten (3. auch Altflöte) Uraufführung dirigieren, musste Schlagzeug sie dann jedoch aus gesundheit- Streicher lichen Gründen dem Kollegen David Robertson überlassen. Ru- Verlag zicka hätte die Widmung nicht so Sikorski Internationale formuliert, wenn es damit nicht Musikverlage, Hamburg eine inhaltliche Bewandtnis hät- te. In der Tat kreist die „Elegie“ Dauer um die letzten dreizehn Takte, die ca. 10 Minuten Richard Wagner komponiert hat. Ruzicka greift Wagners Töne auf Entstanden und denkt sie weiter, indem er 2014 zurückschaut auf die Umstände ihrer Entstehung. „Die letzten Uraufführung 13 Takte, die Richard Wagner 16. April 2016 schrieb und am Vorabend seines Staatskapelle Dresden Todes im Palazzo Vendramin David Robertson, Dirigent Freunden vorspielte, sind eine Liebeserklärung an Cosima – in Gestalt einer geheimnisvollen Frage. Die ‚Elegie‘ erscheint wie eine musikalische Selbstbeob- achtung, die wie von Ferne auf den ‚Tristan‘ und die Gescheh- Peter Ruzicka 8 PETER RUZICKA – „ELEGIE“ 9 nisse seiner Entstehung verweist. Wagner hat den an sich unauf- So mag dem „Parsifal“ der Rang nach. Jedes einzelne Streichinstru- Wagners Klavierskizze beschäf- fälligen musikalischen Gedanken des letzten Werkes gebühren, ment schickt er auf eine eigene tigte mich schon seit langer Zeit. nach Abschluss des „Parsifal“ in dem „Tristan“-Umfeld jedoch melodische Spur, was nicht nur Ihre Offenheit und Unbestimmt- jener Villa an der Piazza di Poraz- gehört über Wagners Tod hinaus der Partitur riesenhafte Dimensio- heit veranlasste mich zu einem zi in Palermo niedergeschrieben, der Nimbus des Sehnsüchtigen, nen verleiht, sondern vor allem ‚Fortdenken‘, zu einer sehr per- wo er im März 1882 logiert und Geheimnisvollen, Ungelösten, ein faszinierendes Klangerlebnis sönlichen musikalischen Annähe- daselbst die Partitur des „Par- Unaussprechlichen... erlaubt. Wie häufig bei Ruzicka rung und Entfernung. Ich wählte sifal“ beendet hat. Unter dem beginnt die Musik gleichsam hierfür das klangliche Potential 2. März 1882 notiert Cosima Annäherung und aus dem Nichts und endet in eines Streichorchesters, dem Im- in ihr Tagebuch: „… er schreibt Entfernung solchem, als ob das Klangkonti- pulse und ‚Schattenklänge‘ dreier eine Melodie nieder, zeigt sie mir nuum schon immer da wäre und Flöten und des Schlagzeugs un- dann und sagt, er habe endlich Immer wieder greift Peter Ruzicka der aktuelle Musiker für eine Zeit terlegt sind. Wagners Frage bleibt die Linie, wie er sie wünschte.“ in seinem Œuvre das Moment darin einstimmen, mitschwimmen bestehen. Und sie erscheint auch Auch wenn sich nicht definitiv des Erinnerns auf. Zahlreiche dürfte. Freilich bleibt es nicht heute unbeantwortbar…“ (Peter nachweisen lässt, dass Wagner seiner Werke sind in memoriam bei diesem keuschen „Mitsin- Ruzicka). just dieses nur 37 Sekunden geschrieben, setzen sich mit gen“, sondern Ruzicka spiegelt lange Thema in der letzten Nacht dem Tod auseinander. Das zweite seine eigenen Erkenntnisse und Das Porazzi-Thema seines Lebens den Freunden Streichquartett ist als Requiem Erfahrungen, nämlich die eines vorgespielt hat, so birgt es doch für Paul Celan entstanden. Das veritablen Komponisten des Ruzicka schließt sich damit einmal mehr die rätselhafte, ins dritten Streichquartett zitiert im 20. und 21. Jahrhunderts, in der jenen Kollegen an, welche die oft Offene führende musikalische Titel Boulez’ Nachruf auf Adorno: zehnminütigen Komposition. Was fragmentarischen letzten Skizzen Denkweise, die spätestens seit „… über ein Verschwinden“. „Tom- nicht heißt, der er nicht immer großer Vorgänger aufgegriffen „Tristan und Isolde“ sein Werk beau“ erweist sich als Gedenken wieder auch in die Welt Wagners und auf ihre Weise fortgeführt vielfach beeinflusst hat. an den Flötisten Karl-Bernhard eintauchte, um sich in deren nie haben. Schon Haydn tat dies mit Der Wagner-Biograph Martin Sebon. „Memorial“, das Peter altmodischem harmonischem Mozart, Rachmaninow mit Tschai- Gregor-Dellin misst dem „Porazzi“- Ruzicka 2004 beim RSB dirigiert Zauber zu bewegen. Die Unbe- kowsky, aber auch Strawinsky Thema, dieser letzten musikali- hat, ist komponiert aus sponta- antwortbarkeit der bereits von mit Pergolesi, Berio mit Schubert schen Arbeit Wagners, keine be- ner Betroffenheit wenige Tage Wagner in seinem rätselhaften oder Reimann mit Schumann. sondere Bedeutung bei, handele nach dem Tod des Dirigenten Thema aufgeworfenen Frage, Auch Wagners letzte Gedanken es sich doch lediglich um eine und Komponisten, Arztes und veranlasst Peter Ruzicka, sich inspirierten bereits vor Ruzicka abgerundete Variante einer zur Psychologen Giuseppe Sinopoli, eines weiteren Musikerkollegen mehrere Komponisten vor allem Zeit des zweiten „Tristan“-Auf- „Erinnerung“ für Klarinette und respektvoll zu erinnern: Charles im englischen Sprachraum zur zuges notierten melodischen Orchester (2006 beim RSB unter Ives. Dessen „Unanswered musikalischer Fortführung, über- Erfindung. Das wiederum würde Ruzickas Leitung und mit dem question“, von einer einsamen wiegend in apologetischem Stil. Wagners letzten musikalischen Solisten Jörg Widmann) nimmt Trompete vorgetragen, versuchen Im Falle von Wagners letzten Gedanken noch einmal in die sich unter anderem der Klangrei- ebenfalls drei Flöten (vergeblich) komponierten Takten handelt es Nähe von Mathilde Wesendonck ze von Mozart und Mahler an. zu beantworten, während ein sich um jene, die als sogenanntes rücken, jedenfalls seine auch hier In „Elegie“ spürt Peter Ruzicka Streichorchester das Kontinuum „Porazzi“-Thema in die Musik- unüberhörbare Libido nicht aus- dem Potential von Richard Wag- ewiger Sphärenharmonien darun- geschichte eingegangen sind. schließlich auf Cosima beziehen. ners Klangrätsel auf subtile Weise ter legt. 10 11 Schande dem Scheußlichen! Als Max Bruch im Jahre 1913 Max Bruch seinen 75. Geburtstag feierte, Konzert für Violine und war Mahlers sinfonisches Gesamt- Orchester Nr. 1 g-Moll op. 26 werk bereits Geschichte, Stra- winsky erhitzte die Gemüter Besetzung mit „Le Sacre du printemps“, 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, Schönberg beunruhigte Wien, 2 Fagotte, 4 Hörner, Debussy unterwanderte Paris. 2 Trompeten, Pauken, Violine Reger, Pfitzner, Strauss gaben solo, Streicher den Ton in der deutschen Musik an – und wurden zu Max Bruchs Dauer bestgehassten musikalischen ca. 25 Minuten Widersachern. Wenn Giuseppe Verdi einmal über Hector Berlioz Verlag sagte, er wäre „ein armer, kranker C.F. Peters Frankfurt, Leipzig, London, Mensch“ gewesen, „der gegen New York alle wütete, heftig und bösartig war. Er konnte sich nicht mäßi- Entstehung gen; es fehlte ihm die Ruhe und 1866 die Ausgewogenheit, aus der sich erst die vollendeten Kunstwerke Uraufführung ergeben“, so schien er seinen 5. Januar 1868 jüngeren deutschen Kollegen Bremen Max Bruch noch nicht zu kennen. Der nämlich teilte hemmungslos und pausenlos aus, sein Leben lang, und zwar im Rundumschlag. Er nannte alle seine Zeitgenossen „Kunstverderber“, „Radikale“, „Sudler“ und „Schmierfinken“, die Max Bruch 12 MAX BRUCH – VIOLINKONZERT NR. 1 13 von ihnen komponierten Werke sich keinerlei Spuren vom ästhe- das 1. Concert vorspielen; ich Joachim sei Dank „unerträgliche Produkte“ und die tischen Aufbruch um die Jahrhun- bin schon grob geworden, und darin vorkommenden Dissonan- dertwende in seinen Kompositio- habe ihnen gesagt: Ich kann dies Eigentlich entstand die Idee, ein zen „scheußlich“. Er selbst blieb nen, überall herrscht betörender Concert nicht mehr hören, habe Violinkonzert zu komponieren, dem Romantik-Ideal des 19. Jahr- Plüschklang, gefälliges Ebenmaß, ich vielleicht bloß dies eine Con- eher zufällig. Ein Geiger, Johann hunderts uneingeschränkt treu, konfliktlose Eleganz – ein Hort cert geschrieben? Gehen Sie hin Naret-Koning,

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