Beiträge Zur Vergleichenden Psychologie. Die Seele Und Ihre

Beiträge Zur Vergleichenden Psychologie. Die Seele Und Ihre

S 5ti EThG SDbS HUBffiHycBIif MEPlGaMB; awD)MniBaii.sBiEM^> Digitized by Goo; DIgitized by Google Digilized by Google BEITRÄGE ZUR VERGLEICHENDEN PSYCHOLOGIE DIE SEELE UND IHRE ERSCHEINUNGSWEISEN IN DER ETHNOGRAPHIE A. BASTIAN, MED. ET PHIL.^ Dr. BERLIN FERD. DÜMMLER’S VERLAGSBUCHHANDLUNG HARKWITZ UND GOSSMANN 1868 . Digitized by GoogI( - 1 V 0 r w 0 r Aus gleichartigen Ursachen gehen gleiche Wirkungen hervor, wenn immer diese Ursachen zu Wirkungen werden, und die Manifestationen der Naturgesetze müssen stets dieselben bleiben, so lange unsere Natur fortfahrt denselben Gesetzen unterworfen zu sein. Wie im anorganischen Reich nur eine bestimmte Zahl von Grundsubstanzen sich in primitiven Bil- dungen verwirklicht, wie wir in der Botanik die Urformen würden auszählen können, unter denen die Species oder doch die Genera hervortreten, sobald ein statistisch vollständiger Ueberblick in der Pflanzengeographie gegeben wäre, so läfst sich auch die künftige Möglichkeit einer festen Zifler in den Grundelementen des Gedankenreiches annehmen, da es immer dieselben wirkenden Ursachen des Makrokosmos sind, die in die empfängliche Masse des Mikrokosmos einfallen. Mit den Primitivstofien im anorganischen Reich ist auch zu- gleich die ganze Fülle ihrer Combinationen gegeben, wenn man sich der Mühe ihrer Ausrechnung unterziehen will, nicht dagegen im organischen Reich, wo die M glichkeit der aus inneren Bildungsprocessen hervorwachsenden Verände- rungen eine unübersehbare bleibt, und noch weniger im Reiche des Gedankens, der die Bande von Raum un i Zeit durch- brechend an der Peripherie des Kreislaufes als Tangente in die Unendlichkeit fortgeht. Wie aber im Pflanzenreich die unbegrenzten Mannigfaltigkeiten'der Gebilde, trotz ihrer nach Digitized by Google IV den Species verschiedenen Wandlungen stets durch dieselbe Kette stereotyper Phänomene in der Entwicklungsreihe des ZeUbildungsproccsses regiert sind, so auch wallt es organisch im Gedankenreich, wenn aus den Wurzeln tief geschichteter Naturvölker die Ideen emporsteigen zur Blüthe der Cultur. Vor jeder weiteren Eintheiliing bedarf es eines statistischen Ueberblicks über die iga Gebiete des Denkens überhaupt möglichen Grundelemente, und einige Beiträge zu dieser wünschenswerthen Gedankenstatistik sollen auf den folgenden Seiten geboten werden. Um allmählig eine Vollständigkeit herbeizuführen, %ird es am vortheilhaftesten sein, diejenigen Natürobjecte, die von jeher die hauptsächlichen Gegen- stände des Denkens gebildet haben, einer vergleichenden Be- trachtung zu unterwerfen, und werden wir vornehmlich auf religiöse und sociale Anschauungen angewiesen sein, über die das meiste Material aus den verschiedenen Erdtheilen zu Gebote steht. Das vorliegende Buch beschäftigt sich nur mit einigen der Erscheinungsweisen, unter denen die Seele in der Ethnologie auftritt. Die Vorstellungen vom Fortleben der Seele lassen sich allgemein in drei Rubriken zusammenfassen, einmal die Auf- fassung des beim Tode Ueberbleibenden, als unstät umher- schwankendes Gespenst, dann seine Entrückung nach einem aulserweltlichen Aufenthalt oder nach bestimmten Abtheilungen desselben für Belohnungen oder Strafen, und drittens seine verdienstgcmäfse Einkörperung auf eine Stufe der Wesens- reihe, bis die in der Meditation potenzirte Geisteskraft die Fesseln der Seelenwanderung durchbricht. Das erste ist die im Zustande roher Uncultur nothwen- dige und natürliche Auffassung, bei Wilden sowohl, die ihre massiven Nervenstränge noch nicht zur Denkfähig- keit abgeglättet haben, wie bei sensitiven Spiritualisten, die ihre zarten Nervenfaden in Empfindeleien verbrauchten. Die zweite Auffassung ist die des Theismus mit Annahme eines allmächtigen Schöpfers, der bald mit absoluter Willkühr, bald im Sinne unpartheiischer Gerechtigkeit die Welt regiert, Guten und Bösen nach dem Tode durch sein Urtheil Be- lohnungen oder Strafen zuerkennend, die sie während ihres Digitized by Google V Lebens nicht erhalten zu haben scheinen. Hierbei ist einmal das kosmologische System der adoptirten Mythologie mafs- gebend, um die über- oder unterirdisch gedachten Räum- lichkeiten passend zu fixiren, und dann hängt es von der Erfindungsgabe der Phantasie ab, ob sie dieselbe in eine hinlängliche Zahl von Parcellen zu theilen und somit dem Gerechtigkeitssinn zu genügen vermag, der für den schweren Sünder auch härtere Strafen, für die besonders Tugendhaften einen desto höheren Lohn erwartet. Vielfach spielt bei der zweiten AuflFassung noch die erste hinein, wenn das psycho- logische System des Naturvolkes in dem ihm künstlich ge- lehrten der mythojogischen Kosmogonie nicht für alle seine Bedürfnisse hinlängliche Auskunft findet. Bald sind es die Seelen gewaltsam Umgekommener, die unstät auf der Erde umher zu schweifen fortfahren und nicht in die Ruhe des Himmels einzugehen vermögen, bald dagegen mufs umgekehrt die Seele in voller Jugendkraft fortgerafft sein, um sich fähig zu zeigen, zu den seligen Bergesspitzen in den Himmelshöhen aufzusteigen, während sie sich im langsamen Siechthum des hinschwindenden Alters ganz verzehrt. Für alle diese Theorien finden sich im Folgenden Belege die Hülle und Fülle, um sie genugsam als Elementargedanken zu beweisen. In der Seelen- wanderung kommt die Auffassung einer graduellen Entwicke- lung im Thierreiche zur Geltung, und wird häufig bis auf Pflanzen, und selbst auf leblose Dinge ausgedehnt, in dem ge- suchten Fortschrittsgange vom Stein zum Menschen. Was in allen diesen Fällen unter dem Ueberlebenden, oder in einem unbestimmt allgemeinem Ausdruck unter der Seele, verstan- den wird, begreift häufig auch zugleich solche Nervenfunk- tionen, die jetzt ganz in das physiologische Gebiet gerechnet werden, aufserdem aber diejenigen Erscheinungen des Psy- chischen, deren Zusammenhang mit Nerventhätigkeiten man aus unbegründeter Furcht vor Consequenzen sich lange ge- weigert hat anzuerkennen. Philosophische Systeme suchen später Ordnung in die Geistesvermögen zu bringen, uiid müssen sich dann, so gut es ihnen möglich ist, mit den mytho- logischen Hypothesen, die sie schon vorfinden und mit der zu ihrer Berücksichtigung vorliegenden Naturpsychologie ab- Digitized by Google TI zufinden suchen. Die dacaus fliefsenden Folgerungen sind aus den gegebenen Beispielen * leicht zu ersehen. * Die Gelegenheit sei benutzt, um einige Worte beiznfügcn über meine bisherigen Schriften, die in die Gefahr gerathcn, unter verkehrten Wappen- schildern in die Literatur eingefiihrt zu werden, so ungern ich den Schritt auch thue, in eigener Angelegenheit ein halb-polemisches Feld zu betreten. Die in den letzten Jahren erschienenen Reisewerke haben der Hauptsache nach in d?n Händen der Kritik eine Aufnahme gefunden, mit dar ich mich nur befriedigt erklären kann, da ich manche Belehrungen daraus schöpfte und durchgehends diejenige Anerkennung fand, die der beste Lohn für über- standene Mühseligkeiten und Beschwerden ist. Indefs hat man zu häufig das Prinzip übersehen, das bei Abfassung dieser Bücher Äls leitendes zu Grunde lag, man ist mit den ihrer Tendenz fremdartigsten Anforderungen an die- selben herangetreten. Ja man hat sie geradezu verpflichten wollen, dasjenige zu beweisen, dessen Widerlegung sie sich zur Aufgabe gestellt haben, so dafs ich den Recensenten für ihren Langmuth und die mäfsigen Grenzen, in denen sie ihre Einwürfe gegen diese vermeintlich fragmentarische Behand- lungsweisc gehalten haben, nur um so verpflichteter zu bleiben hätte. Die mir zu Gesicht gekommenen Besprechungen tadeln die Anhäufung von Bei- spielen, die Herbeiziehung vergleichender Analogien aus den verschieden- sten Ländern und Völkern, ohne die geschichtlichen Beziehungen genügend ansznfolgen. Wären die letzteren mein Augenmerk gewesen, so hätte ich vielleicht nicht mehr gesündigt als manche Symboliker vor mir, aber meiner stibjectiven üeberzeugung nach wären dann höchst leichtfertige und oberfläch- liche Bücher in die Welt gegangen, die in eben so strengen Ausdrücken Ver- urtheilnng verdienten, wie ich sie selbst oft genug gegen Jene nur Verwir- rung stiftende Behandlungsweise gerichtet habe. Weit entfernt, geschichtliche Beziehungen zu betonen oder vermnthen zu wollen, geht im geraden Gegen- theil mein ganzes Studium dahin, für Erkenntnifs der Bildungsgesetze in der Denk-Entwickelung zunächst das allgemein Menschliche in den psychologischen Grundelementen auszusichten- und durch eine Accümulation von Analogien aus den entferntesten und beziehungslosesten Völkern, durch eine möglichst erdrückende Masse von Beispielen, die Negation geschichtlicher Beziehungen oder wenigstens das Unstatthafte nachzuweisen, sie schon auf Grund der schwankendsten Achnlichkeiten praesupponiren zu wollen, wenn nicht eine mit schärfster Klärung und weitester Umsicht angestellte Analyse sic inner- halb der Gebiete gegebener Culturkreise als durchaus nothwendig, und 'dann als desto folgenreicher, beweist. Wenn nun allerdings der Versuch der deductio ad absurdum in dieser apagogischen Beweisführung nicht als solcher aufgefafst wird, wenn man das principium exclnsi medii übersieht und das Dritte vielmehr substituiren zu müssen meint, so ist es nur zu verwundern, dafs die dann auf Jeder Seite durch falsche Beleuchtung hervorgernfenen Zerrbilder über- haupt eine ernstliche Berücksichtigung gefunden haben. Ich erkenne leider, dafs die Strömung noch stark in der Richtung der F.ntlehnungstheorien geht. Digitized by Google VII Es ist manchmal behauptet worden, dafs wilde Stämme von Geisteskrankheiten eximirt seien, und jedenfalls kommen jene complicirten Formen von Irrsinn, die, wie die Monoma-

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