Kriegsgedenken in Frankreich (1871-1914)

Kriegsgedenken in Frankreich (1871-1914)

KRIEGSGEDENKEN IN FRANKREICH (1871-1914) Studien zur kollektiven Erinnerung an den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultäten der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg i. Br. vorgelegt von Andreas Metzing geb. Weber aus Bonn Erstgutachter: Prof. Dr. Gerd Krumeich Zweitgutachter: Prof. Dr. Josef Jurt Sprecher: Prof. Dr. Christain Mair Tag der Promotion: 10. Februar 1995 Vorbemerkung Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um meine bereits 1995 fertiggestellte Dissertation, die aufgrund beruflicher Belastungen erst jetzt veröffentlicht werden kann. Die seit 1995 erschienene Literatur konnte nur punktuell eingearbeitet werden. Ich möchte an dieser Stelle allen danken, die mir bei der Erstellung und Publikation der Arbeit geholfen haben. Mein Doktorvater, Herr Professor Gerd Krumeich, hat Ihr Entstehen umsichtig und mit stets konstruktiver Kritik betreut. Viele Frei- burger Kommilitoninnen und Kommilitonen gaben mir in Gesprächen wertvolle Anregungen und haben das Manuskript korrekturgelesen. Die Landesgraduiertenförderung Baden-Württemberg un- terstützte mich durch ein zweijähriges Stipendium. Mein ganz besonderer Dank gilt meinen lieben Eltern Adelheid und Heinz Weber, die mir ein langes und intensives Universitätsstudium ermöglichten und mich auf allen meinen Wegen immer mit Interesse und großer Zuneigung begleitet haben. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Koblenz, im Mai 2002 Andreas Metzing INHALTSVERZEICHNIS EINLEITUNG 6 A. Forschungsüberblick 6 B. Fragestellung 12 C. Theoretische Grundlagen 14 D. Methode und Quellen 18 I. DIE NACHKRIEGSZEIT UND IHRE KRIEGERDENKMALE 20 A. Frankreich nach der Niederlage 20 B. Kampfdenkmale 24 1. Die moralische Botschaft der Kriegerdenkmale: Das Beispiel der Schlachtfelder um Paris 25 a) Champigny-sur-Marne 30 b) Châtillon 31 c) L'Hay-les-Roses 32 d) Le Bourget 33 e) Buzenval 34 f) Zusammenfassung 36 2. Die politische Botschaft der Kriegerdenkmale: Das Beispiel Dijon 37 C. Grabdenkmale 41 1. Das Kriegsgräbergesetz vom 4. April 1873 41 2. Staatliche Ossuarien und Denkmale 43 a) Der französiche Staat und die Kriegserinnerung 43 b) Die Inschriften der staatlichen Denkmale 46 1 c) Ästhetische Gestaltung und Ikonographie der staatlichen Denkmale 48 d) Zusammenfassung 49 3. Private und kommunale Denkmale 52 a) Die Inschriften 52 b) Ästhetische Gestaltung und Ikonographie 58 c) Gedenkkapellen 60 D. Zusammenfassung 63 II. DIE ENTWICKLUNG DES KRIEGSGEDENKENS (1871-1914) 66 A. Das Kriegsgedenken in den 1870er Jahren 66 1. Der Katholizismus als Träger der Kriegserinnerung 67 2. Das Kriegsgedenken der Republikaner 73 B. Das Kriegsgedenken in den 1880er Jahren 81 1. Republikanischer Patriotismus und republikanischer Revanchismus 81 2. "La Défense de Paris" - ein republikanisches Denkmal 85 3. Der Wandel der Patriotenliga 1885-1888 91 4. Das Kriegsgedenken der achtziger Jahre in der Provinz 96 C. Das Kriegsgedenken vom Ende des Boulangismus bis zur Dreyfus-Affäre 103 1. Das neue politische Klima um 1890 103 a) Der neue Stellenwert des Kriegsgedenkens seit Ende der achtziger Jahre 103 b) Die staatlichen Maßnahmen in der ersten Hälfte der neunziger Jahre 113 2. Das Schlüsseljahr 1895 117 a) "Kiel"- Kriegserinnerung als oppositioneller Akt 117 b) Die 25-Jahr-Feiern 126 3. Das Kriegsgedenken während der Dreyfus-Krise (1898-1900) 133 2 D. Das Kriegsgedenken von der Dreyfus-Krise bis zum Ersten Weltkrieg 145 1. Die Legitimationskrise des Kriegsgedenkens (1900-1905) 145 a) Allgemeine Tendenzen 145 b) Der Sonderfall Paris 150 2. Das Kriegsgedenken in der Phase des "nationalist revival" (1905-1914) 154 III. DISKURSE DER ERINNERUNG 161 Kriegsgedenken als "devoir civique": Der republikanische Erinnerungsdiskurs 161 1. Der innenpolitische Aspekt 162 a) Die Gefallenen als Citoyens und "victimes du devoir" 163 b) Die Republik als "Retterin der Französischen Ehre" 166 c) Republikanismus als Lehre aus der Niederlage 167 2. Der universal-humanitäre Aspekt 169 3. Der militärische Aspekt 172 B. "Dieu et Patrie": Der katholische Erinnerungsdiskurs 176 1. Die Sakralisierung von Krieg und Kriegstod 176 2. Der "Gott der Armeen" als Herr der französischen Geschichte 180 3. Der Wandel in den neunziger Jahren 183 C. Kriegsgedenken als vaterländische Sakralhandlung: Der "patriotische" Erinnerungsdiskurs 186 1. Die Ästhetisierung der Niederlage 186 2. Die Transzendierung des Kriegstodes 189 D. Zusammenfassung 196 IV. DIE KRIEGSVETERANEN UND DIE ERINNERUNG AN 1870/71 199 A. Die Entstehung der Veteranenvereine 200 3 B. Der Aufschwung des Veteranenwesens seit der zweiten Hälfte der achtziger Jahre 203 1. Die neuen Vereinsgründungen 203 2. Ein erster Vernetzungsversuch: Die "Fédération des Combattants de 1870-1871" 203 3. Kriegserinnerung und Mutualismus: Die "Vétérans des armées de terre et de mer" 204 4. Gründe für den Aufschwung um 1890 206 a) Die Sorge der Frontkämpfergeneration um ihr Sozialprestige 206 b) Der Revanchismus de Veteranen als Reaktion auf die außenpolitischen Erfolge Frankreichs 208 c) Kriegserinnerung als Bollwerk gegen Pazifismus und Internationalismus 210 C. Der Bedeutungszuwachs der "Vétérans des armées de terre et de mer" seit 1898 211 1. Die Entwicklung des Vereins 211 2. Der Kampf gegen das Vergessen 214 a) Elsaß-Lothringen 215 b) Die Leistungen der Veteranen 218 c) Leid und Härte des Krieges 219 3. Der Kampf um die Gedenkmedaille für 1870/71 220 a) Die erste Demarche im Jahr 1891 220 b) Das Scheitern der parlamentarischen Initiativen 223 c) Der Bedeutungszuwachs der Veteranen seit 1905 und die Stiftung der Medaille 228 1911 4. Die Veteranen im Vorfeld und zu Beginn des Ersten Weltkrieges 237 D. Zusammenfassung 240 SCHLUSSBETRACHTUNG 242 QUELLENVERZEICHNIS 246 4 LITERATURVERZEICHNIS 248 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 263 5 EINLEITUNG Die vorliegende Arbeit untersucht das Gedenken an den Krieg von 1870/71 in Frankreich für die Zeit zwischen 1871 und 1914. Das Interesse daran entsprang - neben der allgemeinen Faszination, die vom Projekt der "Lieux de mémoire"1, also den neueren französischen Ansätzen zur Erforschung der kollektiven Erinnerung ausgeht - zunächst dem Befund, dass das Thema bislang noch nicht sy- stematisch bearbeitet wurde. Dies war umso erstaunlicher, als die mentalitätsgeschichtlich orientierte Forschung in der Auseinandersetzung mit dem Weltkriegsausbruch 1914 mehr und mehr zu der Überzeugung gekommen ist, dass "die Analyse der Formen und Inhalte der Erinnerung an vergan- gene Kriege höchst aufschlussreich [ist], wenn man die Frage beantworten will, in welcher Weise es gelang, ganze Nationen für den Krieg zu mobilisieren". 2 Zudem ist es gängige Forschungsmeinung, dass der Krieg von 1870/71 in vieler Hinsicht die Grundlage für das schwierige deutsch-französische Verhältnis im ausgehenden 19. und im 20. Jahrhundert war und die kollektive Erinnerung an ihn vor 1914 eine eventuell mögliche Annäherung zwischen den beiden Nachbarstaaten verhindert hat.3 A. Forschungsüberblick In vielen der Untersuchungen, die sich bisher mit der öffentlich zelebrierten Erinnerung an den Deutsch-Französischen Krieg in Frankreich auseinandergesetzt haben, gilt dieser Thematik indes nicht das Hauptinteresse, sondern sie wird lediglich als Nebenaspekt übergreifender Fragestellungen behandelt. So analysiert Jean El Gammal in seiner umfangreichen Arbeit über das "Gewicht der Ver- gangenheit" im politischen Leben Frankreichs zwischen 1885 und 1900 sowie in seiner Studie über die Bedeutung des Krieges von 1870/71 im "Gedächtnis" der französischen Rechten4 überwiegend publizistisch-literarische Quellen, Parlamentsdebatten und "professions de foi" der Politiker im Wahl- kampf. Sein Interesse gilt somit in erster Linie dem Rekurs auf die Vergangenheit in der politischen Debatte. Den Erinnerungszeremonien hingegen, deren Untersuchung für eine mentalitätsgeschichtli- che Analyse unerläßlich ist, widmet er nur "un aperçu assez succinct", das zudem, wie er selbst ein- 1 Pierre Nora (Hg.), Les Lieux de mémoire, Bd.1, La République, Paris 1984; Bd. 2, La Nation, Paris 1986 (3 Teilbde.); Bd. 3, Les France, Paris 1992 (3 Teilbde.). 2 Christel Zahlmann, Totaler Krieg erfordert totale Geschichtsschreibung. Deutsche und amerikanische Historiker konferierten über die Zeit vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, in: Frankfurter Rundschau N° 183, 9.8.1994, S. 10. (Bericht von der Tagung "Anticipating Total War? The United States and Germany 1871-1914".) 3 Vgl. Raymond Poidevin/Jacques Bariety, Deutschland und Frankreich. Die Geschichte ihrer Beziehungen 1815-1975, München 1982,S. 223; François Roth, La guerre de 1870, Paris 1990, S. 679, 710-711. 4 Jean El Gammal, Recherches sur le poids du passé dans la vie politique française de 1885 à 1900, Thèse pour le doctorat d'état (histoire), Université de Paris X - Nanterre 1990; Ders., La guerre de 1870-1871 dans la mémoire des droites, in: Jean-François Sirinelli (Hg.), Histoire des droites en France, Bd. 2, Cultures, Paris 1992, S. 471-504; vgl. auch Ders., L'utilisation électorale du passé 1885-1898, in: RH 265.1981, S. 103-130. 6 räumt, auf einer recht mageren Quellenbasis beruht.5 Seine Aussagen bleiben deshalb notgedrungen kursorisch: Während republikanische Redner bei den Gedenkfeiern vor allem auf die Leistungen der Republik seit 1871 hinwiesen, so El Gammal, benutzten die Vertreter der extremen Rechten und insbesondere der Patriotenliga die Erinnerung an den Deutsch-Französischen Krieg, um die Revanche zu propagieren und die parlamentarische Republik zu attackieren. Wesentlich dezidiertere Aussagen macht Antoine

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