Der Stille Bach Benediktinische Wasserbewirtschaftung Zwischen Schlier Und Weingarten

Der Stille Bach Benediktinische Wasserbewirtschaftung Zwischen Schlier Und Weingarten

Der Stille Bach Benediktinische Wasserbewirtschaftung zwischen Schlier und Weingarten Die Benediktiner von Weingarten (Lkr. Ravensburg) hinterließen mit dem Ka- nalsystem des Stillen Baches eine wasserwirtschaftliche Meisterleistung. Natür- liche Quellbäche wurden verschiedenen Kunstbetten zugeleitet. Auf seiner Strecke von über 11 km Länge überwindet der Hauptstrang verschiedene Was- serscheiden (Abb.1). Bis heute beeindruckt das vermessungstechnisch kompli- zierte Werk mit einem zeitweiligen Gefälle von nur 0,05 Prozent. Zudem sorgt ein Geflecht von Stauseen für berechenbare Abflussmengen. Seit 1990 erläu- tern differenzierte Medien des Landkreises Ravensburg bzw. der Stadt Wein- garten die bemerkenswerte Symbiose von Technik und Natur. Teile seines Ein- zugsgebietes unterliegen den Richtlinien europäischer Flora-Fauna-Habitate. Dies gestattet eine traditionelle Ausrichtung ihrer fischereiwirtschaftlichen Nut- zung sowie eine gezielte Besucherlenkung, die dem Schutz des Wasserbewirt- schaftungssystems zugutekommt (Abb.6). Im Jahre 2014 erfolgte schließlich die Anerkennung als Kulturdenkmal der Bau- und Kunstdenkmalpflege sowie der Archäologie. Lutz Dietrich Herbst Eingriffe in den Wasserhaushalt seit der gebiet inszeniert. Verbunden mit Aussagen über Jungsteinzeit religiöse Fastenregeln, die bei genauerer Betrach- tung den Boom des mittelalterlichen Wasserstaus Jede kulturelle Epoche führte in Oberschwaben zu kaum veranlasst haben. Bis heute zählen diese Ein- Eingriffen in den Wasserhaushalt der Landschaft. griffe in den Naturhaushalt des Bodenseehinter- Seit 2900 v.Chr. schufen Menschen im Zentrum landes zu den wohltuenden Charakteristika der ge- des Federseebeckens von Bad Buchau (Lkr. Bibe- samten oberschwäbischen Klosterlandschaft. rach) Querbauwerke in Form mehrlagiger wasser- Weitaus schwerer lassen sich jene wasserwirt- stauender Bohlenwege. Auch andere wasserab- schaftlichen Bauwerke vermitteln, die zeitgleich hängige Ökotope Oberschwabens, deren Lebens- oder gar früher auf Initiative anderer Orden ent- gemeinschaft zumindest in der überwiegenden standen sind. Von wasserwirtschaftlichen Zeug- Zeit des Jahres an eine hohe Feuchtestufe gebun- nissen des oberschwäbischen Adels, der Reichs- den ist, wurden mit ähnlichen Bauwerken bis in die städte und Spitäler einmal ganz abgesehen. heutige Zeit verändert. Diese beeinflussten die je- weiligen Wasserkörper des Untergrundes und der Medienwirksam: benediktinischer Oberfläche. Trotz ihrer Beeinträchtigungen des Na- Wasserbau in Oberschwaben turhaushalts lösten sie teilweise erhebliche Natur- schutzeffekte aus. Der Blick richtet sich auf das ehemals mächtige Be- Das Landschaftsbild im Umfeld oberschwäbischer nediktinerkloster Weingarten. Dieses hat ebenso Benediktiner-, Zisterzienser- und Prämonstraten- wie Salem vor allem im südlichen Oberschwaben serklöster lässt vielfältige Symbiosen zwischen verschiedene beeindruckende Zeugnisse der Was- technischen Eingriffen in dessen Wasserhaushalt serbewirtschaftung hinterlassen. Als Wasserbau- und natur- sowie denkmalschutzfachlichen Qua- pioniere waren die Weingartener Benediktiner ih- litäten erkennen. Energiewirtschaftlich motivierte ren Salemer Glaubensgeschwistern ebenbürtig, Gewässerausbauten sind seit dem 8. Jahrhundert wenn nicht gar mit dem künstlichen Kanal- und belegt. Ferner werden als Exklusivmerkmal zister- Stauseenverbund ihres Stillen Baches sogar deut- ziensischer Raumwirksamkeit der Stefansfelder lich überlegen. Dessen öffentlichkeitswirksame Kanal von Salem mit dem benachbarten Weiher- Präsentation mit differenzierten Medien gilt seit 200 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 3 | 2018 1990 sogar als Modell für ähnliche Vorhaben wie sie Mitte des 9. Jahrhunderts vom schwäbischen 1 Überblick über das zum Beispiel im Umfeld des niedersächsischen Zis- Zweig der maas-moselfränkischen Welfen. Diese System des Stillen Baches. terzienserklosters Loccum bei Hannover. Gemein- errichteten auf der südlich gegenüberliegenden sam mit dem Erlebnisweg der Salemer Kloster- größeren, mit Quellen reichhaltiger ausgestatteten weiher und zwei weiteren Wanderwegen entlang Terrasse einen neuen Verwaltungssitz. Die Kon- hanggeführter benediktinischer Kanäle in Och- trolle über den strategisch günstigeren Martins- senhausen (Lkr. Biberach) und Ottobeuren (Lkr. berg überließen sie 1056 den Benediktinern von Unterallgäu) wurde der wasserbauhistorische Altomünster. Wanderweg von Weingarten 2005 in das Netz- Dem exponierten Standort mangelte es an ergie- werk der Mühlenstraße Oberschwaben mit ihren bigen natürlichen Wasserquellen. Diese traten erst nahezu 100 Stationen zwischen Donau, Iller und jenseits einer lokalen Wasserscheide aus, die den dem Bodensee aufgenommen. Seit 2014 ist das Martinsberg von der Ankenreuter Höhenplatte System nun auch als Kulturdenkmal der Archäo- trennt. Als Kocherbach floss dort ihr Wasser zur logie sowie der Bau- und Kunstdenkmalpflege mit etwa 80 Höhenmeter tiefer eingeschürften Scherz - regionaler Raumwirksamkeit eingetragen. ach hinab. Vor seinem jähen Absturz durch die 2 Wasser entlang des enge Schlucht des Hochtobels sammelte es sich Steilhangs: die Hoch - Unbekannter Baubeginn am Stillen Bach in einer natürlichen Senke. Für das Westufer die- tobeltrasse. Was veranlasste überhaupt die Weingartener Be- nediktiner, sich als wasserwirtschaftliche Pioniere zu betätigen? Ohne eine verlässliche Zuleitung grö- ßerer Mengen an Brauchwasser hätten weder das Plateau ihres zentralen Sitzes, des Weingartener Martinsberges, noch die sich von ihm aus hinauf- ziehende Ostflanke des Schussenbeckens mit Müh- len, Weihertreppen, Wohn-, Verwaltungs- und Sa- kralbauten ausgebaut werden können. Archäolo- gische Funde unterstreichen die herausragende Stellung der Örtlichkeiten ab dem frühen 5. Jahr- hundert. Um 700 unterstellten fränkische Verwal- tungsleute den stets kultisch genutzten Ort ihrem Patron Martin von Tours und verwalteten von dort aus die Grafschaft Schussengau. Abgelöst wurden 3 Naturidyll aus ses um 1155 in einer staufischen Urkunde als lacus von 210°, um dann in eine gewagte Trasse entlang Menschenhand: der Grindel bezeichneten Sees sind bereits bronze- des bautechnisch äußerst anspruchsvollen Süd - Kehrenberger Mühlkanal. zeitliche Funde belegt. Wann jener mächtige West- abhangs des Lindenberges einzumünden. Diese damm, der die Senke am Südwestfuß des Wolfs- überwindet mit einem wunderschönen begleiten- 4 Wasserverteiler nord- berges in zwei Bereiche teilt, aufgeschüttet wurde, den Revisionsweg in beeindruckender Weise die östlich des Rössler - ist unbekannt. Bis heute staut er das Wasser zum lokale Wasserscheide (Abb. 2; 5), bevor sie dann in weihers. Rösslerweiher auf. das ebenfalls schon früh genannte nach Westen geneigte Wiesenland von Nessenreben einmün- Einzigartige Trasse am Hochtobel det. Am Nordwestrand von Nessenreben staut ein weiterer mächtiger Damm den Kanal zum Mahl- Weiter westwärts am abschließenden Rand der weiher auf. Seit 1910 verbindet eine unterirdische dortigen Mieswiesensenke lassen eigentümliche Druckrohrleitung diesen Stausee unbekannten Geländeformationen auf Überreste eines früheren Alters mit der Weingartener Oberstadt. Dem un- Dammes schließen. Dieser riegelte den Abfluss zur verändert erhalten gebliebenen Turbinenkraftwerk Hochtobelschlucht ab, bis er eines Tages durch- Habisreutinger (Abb. 8) ging die benediktinische brach. Eigenartigerweise nutzt der Stille Bach dort Obere Sägemühle an der als Langenlachen bezeich - auf wenigen Metern dessen Krone zu einer Kehre neten Kanaltrasse voraus. Paradoxerweise saßen 5 Beinahe mystisch: der Durchstich durch den Lindenberg. 202 die Benediktiner auf dem Martinsberg zwar auf dem Trockenen, doch mangelnde Wasserkraft musste man dank des gefällereichen übereigneten Kanal- laufes hoch über dem stets hochwassergefähr - deten und daher schlecht beherrschbaren engen Scherzachtal überhaupt nicht fürchten. Eine weitere Stauferurkunde von 1143 nennt den „mulibach“ als Bindeglied zwischen dem Rössler- weiher und dem Martinsberg. Sie bestätigt, dass sich dieser im Besitz des Klosters befindet. Es sind in Süddeutschland keine klösterlichen Bauwerke der Wasserwirtschaft bekannt, die mit der Hoch- tobeltrasse des Stillen Baches verglichen werden könnten und noch immer funktionieren. Und dies sogar ohne Einfassungen oder Sohlen aus Stein oder gar Beton! Ausbau als Wasserkraftachse zwischen 1431 und 1603 ein verholfen. Gleichzeitig waren sie an die natür- 6 Nach dem Abfischen lichen Grenzen der Ausbaufähigkeit gestoßen werden die Karpfen nach Der Ausbau des damaligen Mühlkanals zu einem (Abb. 1). Größe sortiert. weitverzweigten Kanal- und Weihersystem nahm ab dem 14. Jahrhundert bis heute erkennbare Kon- Technisches Bauwerk mit turen an (Abb. 3). Stückweise brachten die Mön- Erholungsfaktor che weitere Quellaustritte oberhalb des Rössler- weihers unter ihre Kontrolle, fingen ihr Wasser in Anschließend konzentrierten sich daher die Be- weiteren Kunstbetten auf, um es zentralen Ver- mühungen auf das wasserwirtschaftliche Herz- teilern zuzuleiten. Kurze Zeit später machte sich stück des Stillen Baches auf der ersten weiträumi- auch im benachbarten Ravensburg der in allen gen Höhenterrasse über dem Martinsberg: Nes- Städten gefürchtete Notstand an Antriebsenergie senreben und die bucklige Landschaft um den bemerkbar. Die dort bestehenden Papier-, Säge- Rösslerweiher. Der Nessenreben nach Osten be- und Mahlmühlen beanspruchten das gesamte grenzende Moränenwall des Lindenberges, Stand- Glossar Nutzgefälle des Flappachs allein für sich und ließen ort einer mittelalterlichen

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