Farbstoffe 1

Farbstoffe 1

TEXTILCHEMIE – Farbstoffe 1 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Lernstoff : Seiten 2 – 21, ausgenommen der Tabellen 1, 2, 3, 4, 5. FARBSTOFFE 1. Allgemeines und Definitionen 1.1 Geschichtlich (kein Prüfungsstoff) Bereits in prähistorischer Zeit färbte der Mensch Pelze, später Textilien und andere Gegenstände mit Naturstoffen (vor allem pflanzlichen, aber auch tierischen Ursprungs). Die Ägypter beherrschten schon vor über 4000 Jahren die Kunst der Indigo-Färbung durch Verküpung; die Phönizier färbten mit antikem Purpur (Dibromindigo). Binden von ägyptischen Mumien aus der 12. Dynastie (etwa 2500 v.Chr.) waren bereits mit Safran gelb gefärbt. In Korinth und in Ägypten fand man über 2000 Jahre alte Türkischrot-(Alizarin-)Färbungen. Weitere Farbstoffe des klassischen Altertums waren Alkanna (Tuchfarbe und rote Schminke), Kermes, Luteolin (von den Römern aus dem „Wau“ gewonnen), Lackmus, schwarze Farbstoffe aus Eichenrinden usw. Diese Farbstoffe gelangten zusammen mit Cochenille, Blau- und Rotholz-Farbstoff auch während des Mittelalters und in der Neuzeit bis um die Mitte des vorigen Jh. ausschließlich zur Verwendung. Heute sind die Natur-Farbstoffe durch die synthetischen Farbstoffe fast vollständig verdrängt worden. 1771 gewann Woulfe durch Oxidation von Indigo Pikrinsäure als ersten synthetischen Farbstoff. Die ersten wissenschaftlichen Grundlagen für die Farbstoff-Industrie wurden 1834 durch Runge geschaffen, der im Steinkohlenteer Phenol und Anilin entdeckte, weshalb die aus diesen gewonnenen Farbstoffe auch generell Teer- oder Anilin-Farbstoffe hießen. Auf Anregung von A. W. Hofmann stellte Perkin 1856 das Mauvein durch Oxidation von Toluidin-haltigem Anilin her. Rasch folgten die Entdeckungen der Farbstoff Fuchsin (Verguin, 1858), Anilinblau und -violett (Girard und de Laire, 1861), Chrysoidin und Anilingelb als erste Azo- Farbstoff (1864–1866), Methylviolett (Poirrier und Chapat, 1867), Alizarin (Graebe und Liebermann, 1869), die Phthaleine (A. v. Baeyer, 1874), Methylenblau (1877), Malachitgrün (O. Fischer und Döbner, 1878), Biebricher Scharlach (Nietzki, 1879), Baumwoll-Farbstoff (Bisazo-Farbstoff, die Baumwolle ohne Beize direkt färben, Böttiger, 1884), Schwefel-Farbstoff (Vidal, 1893), Indigo (Heumann, 1897) und die ersten Indanthren-Farbstoffen (Bohn, 1901). In neuerer Zeit entstanden die Phthalocyanin-Farbstoffe (Linstead, ab 1934) und die Reaktiv-Farbstoffe [etwa ab 1952 (Wolle) bzw. 1956 (Cellulose)]. Obwohl die ersten Teer-Farbstoffe vielfach im Ausland synthetisiert wurden, erlangte die deutsche Farbstoff-Industrie – zwischen 1860 und 1870 entstanden die wichtigsten Farbstoff- Fabriken Deutschlands: Bayer, Hoechst, Kalle (alle 1863), BASF (1865), Agfa (1867), Cassella (1870) – bald eine Vormachtstellung, und 1913 entstammten 127000 t = 80% der Farbstoff-Weltproduktion der deutschen Farbstoff-Industrie. Verständlicherweise war diese Rolle mit dem 1. Weltkrieg beendet und konnte auch mit der I. G. Farben nicht zurückgewonnen werden. TEXTILCHEMIE – Farbstoffe 2 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Indigo und zur Jahrhundertwende Schwefel- und Anthrachinonfarbstoffe synthetisiert. Später wurden Metallkomplex-, Dispersions-, Pigment- und Reaktivfarbstoffe entwickelt. 1.2 Farbmittel Sammelbezeichnung für alle farbgebenden Stoffe, die nach DIN 55944 (Nov. 1973) eingeteilt werden in anorganische und organische Farbmittel und diese jeweils in natürliche und synthetische. Die anorganischen Farbmittel sind Pigmente (unlöslich) und haben ggf. auch Füllstoff-Charakter, während die organischen Farbmittel sowohl Pigmente als auch Farbstoffe umfassen. 1.3 Struktur der Farbstoffe 1.3.1 Beziehungen zwischen Konstitution und Farbe: Das Charakteristikum aller Farbstoffe ist ihre Fähigkeit, Energie des Teils der elektromagnetischen Strahlung zu absorbieren, der für das menschliche Auge sichtbar ist. Vom gesamten Spektrum der elektromagnetischen Schwingungen ist der Bereich von Mikrowellen, des infraroten, sichtbaren, und ultravioletten Lichtes für die Chemie wichtig, weil die Moleküle bei der Bestrahlung unter Energieaufnahme in (energiereichere) angeregte Zustände übergehen. Bei Mikrowellen- und Infrarot- Einstrahlung wird die relativ geringe Energie als Rotations- bzw. als Molekül- und Atomgruppenschwingungen aufgenommen. Die höhere Energie des sichtbaren und ultravioletten Lichtes bringt jedoch Elektronen in angeregte Zustände. γ Strahlung absorbiert durch ν ν 10mm 1cm-1 Mikrowellen Rotation der Moleküle, 1011Hz Elektronen-Spin- 1 mm Umorientierung, 10 cm-1 (Fernes) Inversionsschwingungen 1012Hz 100 μm 100 cm-1 13 Infrarot Schwingungen der 10 Ηz Atomrümpfe u. Gruppen -1 10μm gegeneinander, Valenz- u. 1000 cm Deformationsschwingungen 1014Hz 1μm (Nahes) 104 cm-1 Anregung der 1015Hz Sichtbares Licht Valenzelektronen, 100 nm Dissoziation, 105 cm-1 Ultraviolett Ionisation 1016Hz 10 nm 106 cm-1 (Weiche) 17 Rumpfelektronen 10 Hz 7 1 nm Röntgenstrahlung 10 cm-1 1018Hz 100 pm (Mittlere) 108 cm-1 TEXTILCHEMIE – Farbstoffe 3 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Farbigkeit entsteht durch Wechselwirkung eines π-Elektronensystems (Farbstoffchromophor) mit Licht. Infolge selektiver Absorption bestimmter Wellenlängen kommt es zur elektronischen Anregung des Moleküls. Der Farbstoffchromophor muß so aufgebaut sein, daß die Energiedifferenzen der π- Elektronenzustände : ΔE=E1-E0 mit der Energie E = h.c/λ =h.ν des absorbierten Photons übereinstimmt E0 : Grundzustand, E1 : angeregten Zustand ν : Frequenz (Hz) c : Lichtgeschwindigkeit (299792458 ms) -34 h : Planck’sche Konst (= 6,626 10 J.s). Jeder Absorptionsbande läßt sich eine Wellenlänge λmax bei maximaler Lichtabsorption zuordnen. Lage und Form der Bande bestimmen die Farbe des Farbstoffes (schmale Banden ergeben leuchtende, breite Banden stumpfe Töne). Neben der Wellenlänge einer Absorption ist ihre Intensität von außerordentlich großer Bedeutung für die technische Farbstoffchemie. Ein Maß dafür ist der molare Extinktionskoeffizient ε (l.mol/cm) des Lambert-Beer’schen Gesetzes: log (I0/I) = E = ε.d.c I0, I : Intensität des eingestrahlten bzw. durchgelassenen Lichtes E : Extinktion oder optische Dichte ; d : Schichtdicke (cm); c : Konzentration (mol/l) 1.3.2 Farbstoffchromophore Eine farbige Verbindung baut sich grundlegend aus drei Teilsystemen auf, nämlich Chromophoren, Chromogenen und Auxochromen. Chromophore Von griech.: chroma = Farbe und phoros = tragend abgeleitete Bezeichnung für Atom-Gruppierungen, die einer Verbindung durch selektive Lichtabsorption „Farbigkeit“ verleihen; im allg. handelt es sich bei den chromophoren Gruppen um π- Elektronensysteme. Verbindungen, die nur 1 derartige ungesättigte Atom- Gruppierung (z.B. C=C, C=O, C=S, N=O, C=N) enthalten, erscheinen dem menschlichen Auge noch farblos: ihre Absorption liegt im kurzwelligen Bereich, der nur durch UV-Spektroskopie untersucht werden kann. Dennoch spricht man davon, daß auch solche Moleküle (Bsp.: Olefine, Ketone und Aldehyde, Imine) einen Chromophor enthalten. Erst wenn dessen π-Elektronen mit denen weiterer ungesättigter Atom-Gruppierungen, die man in das Molekül einführt, durch Konjugation in Wechselbeziehung treten können und sich die Einzelchromophore zu einem Gesamtchromophor vereinigen können, wandert die Absorptionsbande in das Gebiet des Sichtbaren. Das Vorhandensein eines hochkonjugierten Systems ist also mit dem Auftreten einer Farbe verbunden (Beisp.: Carotin, Benzochinon, Azobenzol). TEXTILCHEMIE – Farbstoffe 4 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Dementsprechend enthalten organische Farbstoffe stets Azo-, Azoxy-, Imino- und/oder Chinon-Gruppierungen; häufig sind die Chromophore darüber hinaus gekreuzt-konjugiert (chinoide und indigoide Systeme). Aromatische Verbindungen sind per se meist farblos, was mit der gleichmäßigen Verteilung ihrer π-Elektronen über das gesamte Ringsystem zusammenhängt (Delokalisierung); durch die Einführung von Auxochromen (griech.: auxanein= wachsen, Substituenten mit freien Elektronenpaaren, wie NR2,OR,COOH, SO3H usw) werden sie jedoch zu Farbstoffen. Man bezeichnet daher solche aromatischen Verbindungen, die durch die Einführung zusätzlicher Chromophore farbig werden, auch als Chromogene. Bewirkt der Eintritt der auxochromen Gruppe in das Chromogen eine Vertiefung (Intensivierung) des Farbeindrucks, ohne daß sich die Farbe ändert, so spricht man von einem hyperchromen, bei einer entgegengerichteten Wirkung (Aufhellung) von einem hypochromen Effekt. Verschiebt die neu eingetretene auxochrome Gruppe die Farbe in der Richtung längerer Wellelängen, nennt man diese Verschiebung bathochromen Effekt (griech.: bathos=Tiefe, Rotverschiebung, z.B. NH2, OH, OCH3 etc.) und eine Verschiebung zu kürzeren Wellenlängen hypsochrom (griech.: hypsos=Höhe, Blauverschiebung, z.B. Alkyl). Beisp.: Azobenzol (H5C6–N=N–C6H5 orange-rot) als Chromogen gibt durch Substitution mit einer Amino-Gruppe (bathochrom) den kräftig gelben Farbstoff Aminoazobenzol H5C6–N=N–C6H4–NH2 Demgegenüber können die von Wizinger-Aust als Antiauxochrome (antiauxochrome Gruppen) bezeichneten Carbonyl- oder die Nitro-Gruppen nur durch Mesomerie mit Auxochromen über das konjugierte Doppelbindungssystem eines Chromogens Farbverstärkung hervorrufen. Zur Erklärung der Farbigkeit von Farbstoffen

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