Eichmann Vor Jerusalem Page 3 23-JAN-14

Eichmann Vor Jerusalem Page 3 23-JAN-14

62269 | ROWOHLT TB | Stangneth | Eichmann vor Jerusalem Page 3 23-JAN-14 EICHMANN VOR JERUSALEM Das unbehelligte Leben eines Massenmörders Bettina Stangneth Rowohlt Taschenbuch Verlag 62269 | ROWOHLT TB | Stangneth | Eichmann vor Jerusalem Page 4 23-JAN-14 Für Dieter, den Fixstern meiner Reisen durch die Nacht. Die Originalausgabe erschien 2011 bei Arche Literatur Verlag AG, Zürich–Hamburg Lektorat Willi Winkler Register Gunnar Szymaniak Veröffentlicht im Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, März 2014 Copyright © 2014 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg Umschlaggestaltung ZERO Werbeagentur, München, nach dem Original des Arche Literatur Verlages (Illustration: © Andrea Schneider, Max Bartholl, b3k-design) Druck und Bindung CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISBN 978 3 499 62269 4 Das für dieses Buch verwendete FSC®-zertifizierte Papier Holmen Book Cream liefert Holmen, Schweden. 62269 | ROWOHLT TB | Stangneth | Eichmann vor Jerusalem Page 5 23-JAN-14 Inhalt Einleitung »Mein Name wurde zum Symbol« 1. Der Weg in die Öffentlichkeit Selbstentwurf einer Elite-Einheit 30 Der kleine Ministerpräsident 31 Der Zar der Juden 34 Ein Mann von Wichtigkeit 39 Gewinn noch aus dem Scheitern 44 Der perfekte Hebraist 48 Das ideale Symbol 52 Öffentlichkeitsarbeit 55 Der teuflische Verführer 59 Gute Presse, schlechte Presse 62 »Ich war hier und überall« 67 Der Freund des Großmufti 71 Der Wahnsinnige 78 Kriegsverbrecher Nr. 14 … 9 … 1 83 2. Die Nachkriegskarriere eines Namens »Ich würde lachend in die Grube springen …« 91 Besonnene Fluchtpläne 94 Das Gespenst von Nürnberg 96 62269 | ROWOHLT TB | Stangneth | Eichmann vor Jerusalem Page 6 23-JAN-14 3. Ungeliebte Anonymität »Festung Nord« 108 Familienbande 111 Eichmanns Zögern 113 Familienbesuch? 118 Geordnete Flucht 124 Reisender in eigener Sache 130 Zwischenspiel Falsche Spuren in den Nahen Osten Eichmann in Argentinien 1. Leben im »Gelobten Land« Weihnachtspost von Onkel Ricardo 150 IngutenwieinschlechtenZeiten 164 2. Heimatfront Deutsch-argentinische Beziehungen 181 Eichmann auf dem Silbertablett 187 3. Freundschaftsdienste Andere Schlagzeilen 208 Nazi-Gold 210 Und wieder der Spezialist 212 Triumph des Lebens 218 Ein verlorener Haufen auf verlorenem Posten 230 62269 | ROWOHLT TB | Stangneth | Eichmann vor Jerusalem Page 7 23-JAN-14 Die sogenannten Sassen-Interviews 1. Eichmann, der Autor Die Argentinien-Papiere 257 Der »anonyme Unterseeboot-fahrende Wanderer« 261 Dieanderensprachen,jetztwillichsprechen! 266 Abgerundete Geschichte 269 Der Offene Brief an den Herrn Bundeskanzler 277 Und die Moral? 281 Alte Schuldige und neue Kampfgefährten 294 Zwischen Rechtfertigungszwang und Demagogenlust 300 2. Eichmann im Gespräch Die Vertragspartner 304 Der Verleger: Eberhard Fritsch 305 Der »Ko-Autor«: Willem Sassen 308 Die Sassen-Interviews 313 Datierung und der Vorzug von Dilettanten 318 Ein gesellschaftliches Ereignis 323 Der Damen-Besuch 329 Der unbekannte Helfer: Dr. Langer 334 Die Waffe: Wortgewalt 340 Die Gegner: Bücher 348 Die Erkenntnis: Vernichtung 359 Vertrauensbrüche 364 Der Schlichter: Ludolf von Alvensleben 371 »Die Lüge von den sechs Millionen« 381 Das unzeitgemäße Schlusswort 390 Ende ohne Fazit 396 62269 | ROWOHLT TB | Stangneth | Eichmann vor Jerusalem Page 8 23-JAN-14 Trügerische Sicherheit Der Informant Lothar Hermann 404 Zurück nach Deutschland? 410 Bormann in Argentinien 422 »Meidet Eichmann!« 425 Fritz Bauers Quellen 428 Eichmann in Kuweit 435 Ich hatt’ keinen Kameraden 444 Rollenwechsel Eichmann in Jerusalem Nachspiel Das Sassen-Material 472 Der Verkauf 474 Eichmann und die argentinischen Altlasten 478 Geldquelle Eichmann-Texte 480 Life und die Folgen 485 Die Jagd nach den Geständnissen 488 Die Sicherheitslücke 490 Die Israel-Kopie 495 Ein Beweismittel wird demontiert 499 Auswertungen und alte Hilfsmittel 504 Nach Eichmann 507 Die verschwundenen Tonbänder 509 62269 | ROWOHLT TB | Stangneth | Eichmann vor Jerusalem Page 9 23-JAN-14 Wiederentdeckungen 515 Exkurs: Die BND-Akten oder: Eichmanns vierte Karriere 522 Nicht das letzte Wort 533 Anhang Abkürzungsverzeichnis 537 Anmerkungen 538 Quellen und Literatur 630 Archive 630 Texte Adolf Eichmanns 632 Auswahl-Bibliographie 636 Register 648 Dank 655 62269 | ROWOHLT TB | Stangneth | Eichmann vor Jerusalem Page 10 23-JAN-14 62269 | ROWOHLT TB | Stangneth | Eichmann vor Jerusalem Page 11 23-JAN-14 Einleitung Einleitung Mir sind die Dinge noch lange nicht wirklich klar. Hannah Arendt1 Niemand kann über die systematische Vernichtung von Millionen Männern, Frauen und Kindern sprechen, ohne ihn zu nennen, dabei ist man sich schon bei seinen Vornamen nicht mehr ganz sicher: Hieß er nun eigentlich Karl Adolf? Oder Otto? Es sind die ganz ein- fachen Fragen, die uns überraschen können, wenn wir längst zu wissen glauben, wer jemand ist. Aber gibt es wirklich noch große Lücken im Wissen um einen Mann, der seit Jahren zu den Spitzenthemen der Forschung wie in den Medien gehört? Adolf Eichmann lässt sogar Na- men wie Heinrich Himmler oder Reinhard Heydrich weit hinter sich. Wozu also ein weiteres Buch? Es ist eine ganz einfache Frage: Wer, so wollte ich wissen, kannte Adolf Eichmann, bevor er in der berühmten Mossad-Aktion aus Argentinien entführt und in Israel vor Gericht ge- stellt wurde? Eichmanns Antwort in Israel ist naheliegend: »Meine Prominenz bis 1946, war gleich Null, bis jener Dr. Hoettl […] mich zum Mörder von 5 oder 6 Millionen Juden stempelte.«*2 Dass ein Angeklagter so spricht, wird niemanden überraschen, schon gar nicht bei diesem. Schließlich wurde Eichmann mit dem Satz berühmt, er sei »nur ein kleines Rädchen im Vernichtungsgetriebe Adolf Hitlers« gewesen. Erstaunlich ist aber, dass die Forschungsliteratur Eichmann das bis heute brav nachbetet. Trotz ansonsten großer Kontroversen um den Massenmörder sind sich alle einig, dass der Name »Eichmann« bis zum Prozess in Jerusalem nur einem kleinen Personenkreis bekannt gewesen sei.3 * InallenZitatenbleibtdiealteoderfehlerhafteSchreibweisederOriginaltexteunkor- rigiert. Auf den üblichen Hinweis [sic!] wird verzichtet. Einleitung 11 62269 | ROWOHLT TB | Stangneth | Eichmann vor Jerusalem Page 12 23-JAN-14 Der Verdacht, dass sowohl an Eichmanns Geschichte wie an der Forschung etwas nicht stimme, entstand beim Lesen alter Zeitungen. David Ben Gurion, der israelische Ministerpräsident, überraschte am 23. Mai 1960 die Welt mit der Nachricht, dass man Adolf Eichmann ge- fasst habe, und kündigte einen Prozess an. Die Folge waren aber nicht etwa ganz viele Fragezeichen, sondern seitenlange Artikel voller De- tails über einen Mann, den angeblich kaum jemand kannte. Der Blick in noch ältere Publikationen zeigte es dann eindeutig. Lange bevor der Prozess begann, hatte der scheinbar Unbekannte schon mehr Spitz- namen als die meisten Nazis: Caligula, Zar der Juden, Manager des Völkermords, Großinquisitor, Techniker des Judenmords, der Endlöser, Bürokrat und Massenmörder. All das sind Etiketten, die man Eich- mann bereits zwischen 1939 und 1960 gegeben hatte. Das geschah nicht hintenrum, sondern stand in Zeitungen, Broschüren und Büchern, die man nur nachlesen muss, um zu erfahren, was man wann über Adolf Eichmann wusste und dachte. Es gibt in diesen Jahren lediglich eine Gruppe,diegenausoeinhelligdasGegenteilbehauptet.Dassinddie ehemaligen Kollegen und die Nachkriegs-Nazis, die ihr Wissen um jeden Preis kleinreden wollen. Aber wenn das so ist, ergibt sich gleich die nächste Frage: Warum ging dieses Wissen irgendwann verloren? Wie konnte sich ein Mensch nachträglich vor aller Augen zum Ver- schwinden bringen? Die Antwort auf diese Fragen führt mitten hinein in die Problematik jenes einmaligen Menschheitsverbrechens, das wahlweise Holocaust, Shoah oder Judenvernichtung genannt wird. Wir stellen uns Verbrecher gern als Dunkelmänner vor, die ihre Taten in aller Heimlichkeit begehen, weil sie das Urteil der Öffent- lichkeit fürchten, und wir stellen uns die Öffentlichkeit gern als kon- sequent vor, wenn es darum geht, entlarvte Verbrecher zu ächten und zur Verantwortung zu ziehen. Die ersten Versuche, über die Ent- rechtung, Vertreibung und Ermordung der europäischen Juden nach- zudenken, orientierten sich noch ganz an diesem Klischee des licht- scheuen Gesellen, der hinter dem Rücken der Volksgemeinschaft sein Unwesen treibt. Doch über dieses Verständnis der Täter als einer klei- nen Gruppe pathologischer, asozialer Sonderlinge in einem anstän- digen Volk, das sich kollektiv im Widerstand befunden hätte, wenn 12 Einleitung 62269 | ROWOHLT TB | Stangneth | Eichmann vor Jerusalem Page 13 23-JAN-14 es denn überhaupt etwas gewusst hätte, ist die Forschung schon lange hinaus. Wir wissen inzwischen einiges über die Funktion der national- sozialistischen Weltanschauung, die Dynamik kollektiven Handelns und die Folgen totalitärer Systeme. Wir haben verstanden, dass eine Atmosphäre der Gewalt auch auf Menschen Einfluss haben kann, die keinen übertriebenen Hang zum Sadismus haben, und wir haben un- tersucht, wie verheerend sich Arbeitsteilung auf das menschliche Ver- antwortungsgefühl auswirkt. Bei der Frage allerdings, wo und wie ge- nau wir einen Täter wie Adolf Eichmann einordnen müssen, herrscht nachwievorgroßeUneinigkeit.JenachAutorerscheinteralseinganz normaler Mann, der im Totalitarismus zum gedankenlosen Mörder gemachtwurde,alseinradikalerAntisemitmitAusrottungsabsicht oder als ein Geisteskranker, dem das Regime nur den Deckmantel für seinen Sadismus bot. Entsprechend wimmelt es von unvereinbaren Eichmann-Bildern, die sich in der Auseinandersetzung um Hannah Arendts Bericht von der

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