PROGRAMM Grußwort 12

PROGRAMM Grußwort 12

12. Internationales Bremer Symposium zum Film und Wort FleischKino im Spannungsfeld von Text und Körper 1. Kolloquium von NachwuchswissenschaftlerInnen 9. Bremer Filmpreis der Kunst- und Kultur-Stiftung der Sparkasse Bremen 18. – 21. Januar 2007 PROGRAMM Grußwort 12. Internationales Bremer Symposium zum Film Wenn wir im Kinosessel Platz genommen haben, dürfen wir auf einiges gefasst sein. Aus bisherigen Kinoerlebnissen wissen wir ja längst: Gleich wird Wort und Fleisch Spannendes geschehen – nicht nur auf der Leinwand, Kino im Spannungsfeld von Text und Körper sondern mit uns selber. Wir sind – ob wir wollen oder nicht – im Kinosessel auch stets unmittelbar körper- Vorträge · Gespräche · Filmerkundungen lich beteiligt. Vielleicht werden wir ja wieder einmal Das Kino verbindet Text und Körper. Die Filmrezeption gestaltet zu Tränen gerührt, vielleicht ballen wir wütend unsere sich dabei als ein Wechselbad von Textproduktion und körperlichen Fäuste oder biegen uns vor Lachen. Beim diesjährigen Internationalen Erfahrungen. Auch auf der Leinwand findet diese Verbindung statt, Bremer Symposium zum Film geht es um eben diese Dimension des wenn die Körper der Sprechenden in Aktion gezeigt werden und sich Körpers und zugleich auch um die Bedeutung der Texte. Medienex- die Aktion als Text konstituiert. perten, Wissenschaftler und Akteure wollen das Spannungsfeld von Text und Körper thematisieren, wie es im Kino von Bedeutung ist und In der Film- und Medienwissenschaft spielt die Dimension des Kör- zum Ausdruck kommt. pers seit den neunziger Jahren eine bedeutende Rolle. Das war nicht immer so. Seit den sechziger Jahren wurde vor allem in Frankreich Ich freue mich sehr, dass die Veranstalter wieder ein ebenso interes- und im angloamerikanischen Raum der Film fast ausschließlich als santes wie anspruchsvolles Programm anbieten, zu dem Interessen- eine Form von Textualität begriffen. Beide Perspektiven auf Film ten aus zahlreichen europäischen Ländern nach Bremen kommen. stehen bislang eher nebeneinander oder werden als Oppositionen Sie alle, die Referenten und Gäste des Symposiums, begrüße ich sehr aufgefasst. Das 12. Internationale Bremer Symposium untersucht herzlich in unserer Stadt. das Spannungsfeld zwischen diesen Perspektiven. Im Rahmen des Symposiums wird nun auch bereits zum neunten Neu in diesem Jahr ist ein Kolloquium junger internationaler Mal der Bremer Filmpreis verliehen, der besondere Leistungen um NachwuchswissenschaftlerInnen. den europäischen Film würdigt. In diesem Jahr hat die Jury sich für die Cutterin Bettina Böhler und damit für eine Frau entschieden, die hinter den Kulissen mit großer Einfühlung und herausragender Eröffnung des Symposiums: Kreativität agiert. Im Namen des Senats gratuliere ich ganz herzlich Begrüßung: Alfred Tews | Kino 46 zu diesem schönen Erfolg. Grußwort: Wilfried Müller | Rektor der Universität Bremen Der Kunst- und Kultur-Stiftung der Sparkasse Bremen danke ich für Thomas Schäffer | nordmedia fonds GmbH ihr besonderes Engagement wie auch dem Kino 46 und der Univer- Niedersachsen/Bremen sität Bremen, die gemeinsam mit weiteren Mitveranstaltern dieses Einführung: Winfried Pauleit | Universität Bremen spannende Symposium ermöglichen. Ich wünsche allen, die sich an Eröffnung: Jörg Kastendiek | Senator für Kultur der den Vorträgen und Diskussionen beteiligen, die sich das begleitende Freien Hansestadt Bremen Filmprogramm gönnen oder beides miteinander verbinden wollen, anregende, bereichernde und unterhaltsame Stunden. Freitag | 19.1 | 15.00 | Kino 46 Zum Auftakt des Filmsymposiums verleiht die Kunst- und Kultur- Stiftung der Sparkasse Bremen den 9. Bremer Filmpreis an die deutsche Cutterin Bettina Böhler Jens Böhrnsen Bürgermeister, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen Donnerstag | 18.1 | 18.00 | Obere Rathaushalle 2 3 Vortrag 1 Film zu Vortrag 1 Wolfgang Beilenhoff | Bochum /Köln Vater und Sohn Vom Gestus zum Text D/Russland 2003, Regie: Aleksander Sokurow, Sowjetische Kollektivkörper mit Andrej Shchetinin, Alexej Neymyshew, 84 Min., OmU Eine besondere Realisation des Spannungsfelds von Text und Körper Vater und Sohn leben seit vielen bildet die Idee eines Kollektivkörpers. Eines Körpers, der, wie jeder Jahren in einer Dachwohnung Körper, aus Teilen besteht, aus Extremitäten, Torso und Kopf und der irgendwo in einer Stadt im Norden, uns in der jeweiligen Konfi guration dieser Teile ein BILD liefert dafür, eingesponnen in eine Welt aus Erin- wie sich Gemeinschaften selber denken: egalitär, als Zusammenhang nerungen, Ritualen und gegenseiti- von einzelnen Körperteilen, oder hierarchisch, als Abstufung von ger Fürsorge. Beide versuchen, in ein lenkendem Kopf und ausführender Hand. Eines Körpers, der somit eigenes Leben aufzubrechen. Doch auch eine buchstäbliche Ver-Körperung abstrakter Ideen, politischer es fällt ihnen unendlich schwer, sich Programme, sozialer Entwürfe ermöglicht und leistet. Es liegt auf voneinander zu lösen. In wenigen der Hand, dass dieser Kollektivkörper im sowjetischen Kino eine konzentrierten Szenen und Bildern besondere Rolle spielte. In keiner anderen Filmkultur erfuhr der von traumhafter Tiefe und Schönheit beleuchtet Alexander Sokurow Kollektivkörper eine so emphatische Inszenierung. In keiner anderen die Innenwelt einer märchenhaft strahlenden Beziehung, deren Filmkultur fi nden sich daher auch so vielfältige Modelle und Entwürfe Aufl ösung schmerzhaft und befreiend sein wird. dessen, was ihn, als Körper, konstituiert und zusammenhält. So lässt »Vater und Sohn« ist der zweite Teil von Sokurows Filmtrilogie über sich am sowjetischen Kino in exemplarischer Weise die Leitfrage des das Drama menschlicher Beziehungen. Wie in »Mutter und Sohn« als Symposiums verfolgen: Haben wir hier doch einen als Kollektivkörper erstem Teil wählt Sokurow die Form einer Parabel, die weder einen inszenierten Körper, der in seiner historischen Entwicklung einmal Anfang noch ein Ende oder eindeutige zeitliche wie topographische Körper, ein anderes Mal Text, pure Lesbarkeit ist. Bezüge hat. Der Zuschauer hat alle Freiheit, sich in der Zeit und den Orten dieses Films zu verlieren. Wolfgang Beilenhoff: Professor für Filmtheorie »Die Welt dieses Films ist eine künstlerische ›Bildwelt‹, entworfen und Filmästhetik am Institut für Medienwissenschaft von einem Regisseur und seinem Bühnenbildner. Diese Welt darf die der Ruhr-Universität Bochum. Seit Januar 2005 Leiter reale Welt nicht kopieren, auch wenn es dort Menschen geben mag, des Teilprojekts »Gesichter-Politik« am kulturwissen- die unseren ›Helden‹ ähnlich sind. Es geht mir darum, etwas Lyrisches schaftlichen Forschungskolleg/SFB 427 »Medien und zu schaffen, vergleichbar vielleicht mit einem Märchen oder einer kulturelle Kommunikation« (Universität Köln). leisen, zärtlichen Novelle. Die Beziehungen zwischen den Personen Aktuelle Veröffentlichungen: »Poetika Kino. Theorie im Film sind zu harmonisch, zu einfach, zu offen, zu aufrichtig, um in und Praxis des Films im russischen Formalismus« (2005); »Iconoclash – einer wirklichen Lebenssituation bestehen zu können. Gerade diese Passagen zwischen Denkmal und Film« (in: S.Flach u.a.: Der Bilderatlas im Beziehungen zeigen wir, die in der Wirklichkeit kaum vorstellbar sind, Wechsel der Künste und Medien, 2005); »Drucken, was nicht zu schreiben ist. Beziehungen, die es vielleicht überhaupt nicht gibt. Vielleicht ist das Zur Funktion von Bild und Schrift im konstruktivistischen Plakat« (in: I.Münz- alles nur die Erzählung eines Traumes« (Sokurow). Koenen/J.Fetscher: Pictogrammatica, 2006). Freitag 19.1. 17.00 Freitag | 19.1. | 15.30 | | 4 Symposium 5 Vortrag 2 Film zu Vortrag 2 Thomas Morsch | Berlin Die Ästhetik des Schocks Der Körperdiskurs des Films und die ästhetische Moderne Audition Der Schock verbindet das Medium des Films zugleich mit der Tradition ästhetischer Moderne und mit der Kultur des Thrills. Schon Japan 1999, Regie: Takashi Miike, mit Ryo Ishibashi, Eihi Shiina, früh haben Praktiker und Theoretiker des Kinos wie Sergei Eisenstein Miyuki Matsuda, 115 Min., OmU und Walter Benjamin daher in der Fähigkeit des Films, Schocks zu Aoyama ist Witwer. Nach erzeugen, ein wesentliches Element seiner ästhetischen Dignität und sieben Jahren Einsamkeit kulturellen Bedeutung vermutet. beschließt der Geschäfts- In den letzten Jahren wurde den Strategien des Schocks erneut eine mann, wieder eine Frau zu verstärkte fi lmtheoretische Aufmerksamkeit zuteil: In der Untersu- fi nden. Sein engster Freund, chung der kognitiven Verarbeitung von Filmen, der emotionalen Be- von Beruf TV-Produzent, teiligung der ZuschauerInnen und der viszeralen Effekte des Mediums organisiert eine »Audition«, bildet der Schockbegriff einen wesentlichen Bezugspunkt. ein Vorsprechen attraktiver Kandidatinnen für eine an- Im Rahmen des Vortrags soll die Konjunktur des Schockbegriffs als gebliche Hauptrolle in einer Fernsehserie. Dutzende Frauen stellen Teil des Körperdiskurses der Filmtheorie nachgezeichnet werden. sich vor, doch keine interessiert den Witwer. Bis schließlich die Das Bedeutungsspektrum des Schocks bewegt sich hier von dem schöne Asami an der Reihe ist. Der einsame Mann trifft die berechenbaren, wirkungsästhetischen Kalkül des Horrorfi lms bis einsame Frau und die Liebesgeschichte kann beginnen … Doch zur Hypostasierung als Ereignis, in dem das Gewebe des Textuellen unversehens wird der Traum zum Albtraum, die Romanze zum zerreißt und die Ordnung des Symbolischen kollabiert. Vor diesem Psychotrip, die Geliebte zum brutalen Todesengel. Entspringt das Hintergrund soll anhand des japanischen Films »Audition«

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