Aus Arachnologische Mitteilungen 36

Aus Arachnologische Mitteilungen 36

Nachrufe Arachnol.Mitt. 36(2008) 37 Michael llmari Saaristo (1938-2008) Michael llmari Saaristo wurde am 1, September 1938 in Viipuri ( Viborg, Vyborg), Karelien (damals Finnland, heute Russland) geboren und starb am 27. April 2008 in Turku. Seine Freunde und viele Kollegen kannten ihn als Mikko. Er studierte Biologie an der Uni- versität Turku, erlangte dort 1968 den Master of Science, wurde 1977 promoviert (Doktorarbeit: Secondary genital organs in the taxonomy of Lepthyphantinae (Araneae, Linyphiidae)) und wurde 1979 Dozent. Beinahe seine ganze Laufbahn war mit der Universität Turku verknüpft. Er begann 1966 als Lehrassistent. Während der letzten 20 Jahre bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2003 war er als Kurator und zuletzt als Leitender Kurator des Zoologischen Muse- ums der Universität Turku tätig. Dort investierte Michael viel Zeit in die Organisation sowohl der Spinnen- als auch der Insekten- sammlung inklusive entsprechen- der Datenbanken. Michael I. Saaristo, 2005 (Foto:Y.M.Marusik) Michael begann, wie viele andere, mit Vogelbeobachtungen und dem Sammeln von der Linyphiiden- Gattung (SAARISTO 1971). Insekten (besonders Tag- und Nachtschmetterlin- Seine Forschungen und seine Veröffentlichungen ge). Dies und das Angeln blieben seine beständigen über die Taxonomie und Systematik der Spinnen Hobbys. Seine wissenschaftlichen Arbeiten began- stammen aus den 1970er Jahren und dann wie- nen mit einer Revision der Eintagsfliegengattung der aus den 1990ern bis zur Gegenwart. In den Caenis, er wandte sich aber bald den Spinnen zu. 1970ern publizierte er Artikel über Linyphiiden Er sagte, dass die Spinnen, als morphologisch und Nesticiden und einen über die Spinnen der Sey- sehr interessante Tiere, ihn motivierten sich mit chellen. Während seiner zweiten arachnologischen ihnen zu beschäftigen. Michael war ein exzellenter Schaffensperiode kooperierte er mit zahlreichen wissenschaftlicher Zeichner — er fertigte z.B. die ausländischen Kollegen, insbesondere mit Andrei V. meisten Abbildungen für Pekka T. Lehtinens Dis- Tanasevitch. Der Beginn seiner zweiten intensiven sertation an (LEHTINEN 1967) und ebenso einige Forschungsperiode steht wahrscheinlich mit dem für weitere Artikel von Lehtinen. Michael stellte 11. Internationalen Kongress für Arachnologie in seine Zeichenmethode auf dem 4. Internationalen Turku 1989 in Beziehung, wo Michael zahlreiche Kongress für Arachnologie in Paris 1968 vor. Sein jüngere KoUegen kennenlernte. Er beschäftigte sich erster arachnologischer Artikel war die Revision nun besonders mit den Micronetinae (Linyphiidae) 38 Arachnol. Mitt. 36 (2008) Nochrufe und den Oonopidae. Auch verfasste er zahlreiche Er erstellte zahlreiche exzellente Abbildungen (aus Artikel (ca. 20) über die Spinnen der Seychellen. wissenschaftlicher und aus ästhetischer Sicht) und Zwischen diesen beiden arachnologischen Peri- präparierte Palpen und Epigynen (per Microtom), oden, in den 1980ern, beschäftigte sich Michael um die Detailstrukturen und ihre Funktionen zu mit entomologischen Themen, obwohl er intensive verstehen. Dadurch war er der erste, der erkannte, Lehrverpflichtungen hatte. Insgesamt verfasste er dass es bei den Micronetinae (und den Linyphiidae mehr als 60 Publikationen über Spinnen, er be- generell) innerhalb der Epigyne/Vulva keine echten schrieb 70 neue Spinnengattungen und 126 neue Röhren gibt, sondern Falten, die röhrenähnliche Spinnenarten. Seine neuen Taxa sind im Gedenk- Strukturen formen. Michael war der erste, der Teile band zu Ehren von Michael Saaristo aufgelistet der Palpenstrukturen (Endapparat/embolic divisi- (MARUSIK & Koronen 2008). Michael veröf- on) innerhalb der Micronetinae homologisierte. fentlichte auch Artikel über Ameisen (Formicidae: Nachdem er A. Tanasevitch getroffen hatte - dieser 5 Arbeiten) und Eintagsfliegen (Ephemeroptera: 9 hatte gerade seine Doktorarbeit über Lepthyphantes Arbeiten). Er verfasste außerdem zahlreiche Skripte in der ehemaligen Sowjetunion beendet - begannen für Lehrveranstaltungen. Eine vollständige Liste beide damit, diese “megadiverse” Gattung mit über seiner Publikationen ist ebenfalls im genannten 500 Arten aufzuspalten. Habituell sind sich diese Gedenkband enthalten (MARUSIK &c KOPONEN Arten durchaus ähnlich, aber bei sorgfältiger Ana- 2008). lyse der Palpenstruktur und der Epigynen konnten sie zeigen, dass lediglich 5 Arten in der Gattung Michael führte Expeditionen nach Sri Lanka Lepthyphantes (s.str.) verbleiben (SAARISTO & (1969 und 1973), zu den Seychellen (1975 und Tanasevitch 1996). AUe anderen wurden mitt- 1999), nach Kasachstan (1990) und in die Rocky lerweile oder sollten in andere Gattungen gestellt Mountains (1974) durch. Er nahm an den Arach- werden. Für einige Arten errichtete Michael sogar nologischen Kongressen und Kolloquien in Paris die neue Unterfamilie Ipainae. Zwei Gattungen der (1968), Amsterdam (1974), Turku (1989), Aarhus Micronetinae benannte er nach seinen Eltern: Lidia (2000) und Gent (2004) teil. 2004 machte er eine Saaristo & Marusik, 2004 nach seiner Mutter und Forschungsreise nach Beijing. Ipa Saaristo, 2007 nach seinem Vater. Michael veröffentlichte nicht außergewöhnlich Ein weiteres wichtiges Forschungsfeld waren die viele Arbeiten, aber viele davon waren wichtig Seychellen. Die Fauna dieser Inselgruppe ist nicht und innovativ - sein Beitrag zur Arachnologie sehr vielfältig. Als Michael mit seinen Studien wurde nicht zuletzt durch die Ernennung zum begann, waren 70 Spinnenarten bekannt, nun sind Ehrenmitglied der ISA (International Society of es mehr als 250. Trotz der geringen Artenzahl war Arachnology) im Jahr 2007 gewürdigt. es nötig, zahlreiche Publikationen auszuwerten und hunderte von Typen zu untersuchen, weil Seine vier Hauptarbeitsfelder waren (dabei können viele der Arten pantropisch verbreitet sind. Es Arbeiten doppelt gezählt sein): gibt z.B. Gemeinsamkeiten mit der Karibik oder Experten • Taxonomie der Micronetinae (30 Artikel). mit Polynesien. Dadurch wurde er zum • Spinnentaxonomie und - faunistik der Seychel- für die Spinnenfamilien der ganzen Welt und für die supraspezifische Taxonomie vieler Fami- len (22). lien (Araneidae, Ochyroceratidae, Oonopidae, • Taxonomie der Oonopidae (8). • Erigoninae (Linyphiidae) der nördlichen Hol- Pholcidae, Sicariidae, Telemidae, Tetragnathidae, Theridiidae). Seine erste Arbeit über die Spinnen arktis (3). der Seychellen (SAARISTO 1978) zeigt deutlich Die Hälfte seiner Arbeiten hat er zusammen mit wie notwendig das Studium der supraspezifische Koautoren veröffentlicht, wie A.V. Tanasevitch Taxonomie ist. Michael war einer der ersten, der (10), Y.M. Marusik (8), J. Gerlach (4), P.T Leh- die unterschiedlichen „Paracymbium-Typen“ der tinen (4), S. Koponen (2), S. Li (2), L. Tu (2), J. Theridiidae darstellte. Wunderlich (2), K.Y. Eskov (1), J. Murphy (1) und einigen Nicht-Arachnologen. Nachrufe Arachnol.Mitt. 36 (2008) 39 Die artenreichste Familie der Seychellen sind die Jahren 2006 und 2007 YM Michael regelmäßig Oonopidae (31 Arten) - dadurch wurde Michael zu für die Arbeit an gemeinsamen Oonopiden-Ar- einem wichtigen Fachmann für diese sehr kleinen tikeln besuchte - und Michael bereits schwächer haplogynen Spinnen. Seine Arbeit über die Oono- wurde und Krücken benötigte - wurde er regel- pidae der Seychellen (SAARISTO 2001) ist nun die mäßig für die Gartenarbeit eingespannt. Michaels Grundlage für die weltweiten „Oonopidologen“, Garten war ein Magnet für Tag- und Nachtfalter. die im Planetary Biodiversity Inventory (PBI), Schmetterlingskundler kamen in seinen Garten, geleitet von N.L Platnick, Zusammenarbeiten. Vor um wandernde Schwärmer an besonders duftenden Michaels Arbeit hielt man die Oonopiden für ziem- Tabakpflanzen zu sammeln. Auch als Lepidopte- lich primitive Spinnen mit einfacher somatischer rologe war Michael ein Profi, auch wenn er keine Morphologie. Diese Familie hat aber zahlreiche wissenschaftlichen Artikel darüber verfasste. Er war Autapomorphien, eine sehr vielfältige somatischer ein aktiver Sammler, züchtete Larven und führte Morphologie und die männlichen Palpen weisen Lichtfangprogramme mit verschiedenen Kollegen erstaunliche Strukturen auf, die bei anderen Spin- und mit seinem Sohn durch. Michael nahm häufig nen nicht bekannt sind. Insgesamt beschrieb er an lokalen Vogelbeobachtungswettbewerben teil aus dieser Familie ca. 50 Arten (von 450 derzeit und sah in seinem Garten einige seltene Vogelarten. bekannten) und 11 Gattungen (von 72). Nach den Durch Fütterung waren einige Vögel in seinem Oonopiden der Seychellen wandte sich Michael Garten fast zahm - manchmal saßen Spatzen oder den Oonopiden von Socotra, Yemen, Israel und Meisen auf seinen Schultern oder seinem Kopf der ehemaligen Sowjetunion zu. Er untersuchte Oonopiden Pazifischer Inseln, Indiens, Europas Michael war eine respektable und ehrwürdige und aus Ecuador. Leider konnte er viele dieser Erscheinung - manche Kollegen nannten ihn „He- Studien nicht mehr beenden. Hoffentlich werden mingway“. In den letzten Jahren, besonders als er die sie vom PBI -Team fortgesetzt. Haare lang und einen Bart trug, sah er mit seinen freundlichen Augen aus wie der Weihnachtsmann Nur drei Artikel Michaels beschäftigen sich mit den - aber ohne Maske. Zwergspinnen (Erigoninae) der nördlichen Holark- Wie es in Finnland üblich ist, konnten alle tis. Dennoch hatte er von Beginn an Interesse an Arachnologen, die Michael besuchten in seine deren Taxonomie. Bereits zu Beginn der 1970er berühmte Sauna gehen. Er hielt alle in seinem stellte er umfassende Studien zu den finnischen Sauna-kirja (Sauna-Gästebuch) fest, in das die Cerafinella-Arten

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