Bobby Fuller

Bobby Fuller

Never to be forgotten Das (rätselhafte Ab-) Leben von Bobby Fuller Der Tod eines Rockstars wird nur selten seiner Es ist Montag, der 18. Juli, 1966. Drei Viertel der Bobby Ful- mystifizierten Aura als Halbgott in Schwarz gerecht. ler Four, Del-Fi Records-Chef Bob Keane und Tourmanager Entweder sie erliegen der falschen Dosierung ihres Rick Stone sitzen im Büro der Plattenfirma in Hollywood bevorzugten Rauschmittels, ersticken elendiglich und warten auf den Gitarristen, Sänger und Kopf der Band, an ihrem eigenen Erbrochenen, oder schießen Bobby. Vergeblich. Für 8:30h war eine Krisensitzung anbe- sich selbst ins Nirwana. Wenn dann mal einer auf raumt, um die Zukunft der Band zu besprechen. Die vor- einem Thron sitzend entschläft, ist es bloß einer angegangenen Wochen waren keinesfalls nach Wunsch aus Porzellan. Auf der Bühne stirbt – trotz mitunter verlaufen, die Situation verlangt Klarheit. mehrfacher lautstarker Ankündigung – kaum Zunächst wird das Treffen noch auf den Nachmittag ver- einer. Den Geneigtesten unter den Fans fällt es in schoben. Die Musiker vertreiben sich einstweilen die Zeit einem solchen Fall häufig schwer, diese trivialen im angrenzenden Diner. Nachdem Bobby um 14:30h Tatsachen hinzunehmen und das Ableben als immer noch nicht aufgetaucht ist, geben sie auf und machen das zu akzeptieren, was es ist: ein unrühmliches sich auf den Weg nach Hause. Obwohl Bobby eigentlich Ende einer verheißungsvollen oder gar schon als äußerst professionell und zuverlässig gilt, denken sie weitgehend verwirklichten Musikkarriere. Es kann sich noch nicht viel dabei. Ein mulmiges Gefühl hat jeden- nicht sein, was nicht sein darf. So legt man sich falls keiner der Beteiligten. Gegen 17:00h treffen Ty Gri- Verschwörungstheorien zurecht, wenn überhaupt, mes und Mike Ciccarelli, zwei Jugendfreunde von Bobby, gestützt auf banalste Details oder zweifelhafte bei dessen Apartment in der Sycamore Avenue in Los Ange- Aussagen zwielichtiger Nebendarsteller. les ein. Sie geben später zu Protokoll, dass sein Parkplatz Ein Todesfall, auf den die einleitenden zu diesem Zeitpunkt leer stand. Eva Loraine, Bobbys Mut- Ausführungen zwar zum Teil auch zutreffen, dessen ter, die gemeinsam mit Bobby und dessen jüngerem Bruder rätselhafte Umstände aber tatsächlich großen und Bandmitglied Randy das Apartment bewohnt, macht setzt, das bedeutet Bobby ist seit mindestens drei Stunden gen Buddy Holly. Der, ebenfalls aus Texas stammende und Raum für berechtigte Spekulationen lassen, ist sich mittlerweile große Sorgen. Kurz nach dem Eintreffen tot. Er wurde 23 Jahre alt. mit seiner dicken, schwarzen Hornbrille etwas kauzig wir- jener des texanischen Rock’n’Roll-Wunderkindes von Grimes und Ciccarelli, geht sie nach unten, um die Post kende Musiker war es auch, der die Beatles (Name), die Bobby Fuller. aus dem Briefkasten zu holen. Dabei entdeckt sie plötzlich Out in the West Texas town of El Paso… Rolling Stones (erste US #1) und Bob Dylan (siehe Nobel- Text: Matthias Schmid / Illustrationen: Robert Spieß ihr Oldsmobile, das sich ihr Sohn in der Nacht zuvor ausge- preisrede) auf Schiene brachte. borgt hatte. Sie läuft die Treppe hinab und öffnet die Fahrer- Robert Gaston Fuller kam am 22. Oktober 1942 in Goose Bevor er den Rock’n’Roll für sich entdeckte, trommelte tür. Dabei schlägt ihr sogleich penetranter Benzin-Geruch Creek, Texas, einem Vorort von Houston, zur Welt. Zwei Bobby in verschiedenen Jazz-Combos, wechselte dann aber entgegen. „Bobby lag am Fahrersitz, der Schlüssel im Zünd- Jahre später folgte Bruder Randy. Nach einem längeren Auf- zur Gitarre und gründete seine eigenen Bands. Am Bass schloss. Seine Hand am Schlüssel, als ob er starten wollte. enthalt in Salt Lake City, zog die Family 1956 zurück nach wurde sein Bruder Randy zwangsverpflichtet, das weitere Ich dachte er würde schlafen. Ich rief seinen Namen. Als Texas, diesmal El Paso. In jene westtexanische Grenzstadt, Line-Up setzte sich aus einer wechselnden Riege lokaler ich genauer hinsah, bemerkte ich, dass er nicht schlief… Er der Country-Barde Marty Robbins mit seiner gleichnami- Musiker zusammen, ehe sich mit Jim Reese an der zweiten war tot.“ So erzählte es Eva Loraine Jahre später Edna Gun- gen Westernballade ein musikalisches Denkmal gesetzt Gitarre und Dalton Powell am Schlagzeug eine dauerhafte dersen, einer Reporterin der El Paso Times. Bobby ist regel- hat. 1956 war das Jahr, in dem Elvis, über die nationalen Besetzung fand. recht getränkt in Benzin, Kleidung und Haar glänzen ölig, Grenzen hinweg, seinen weltweiten Siegeszug startete. Das Seine frühen Bands trugen Namen wie Captain Fuller and und seine rechte Hand hält den Schlauch eines Benzinka- ließ auch Bobby nicht kalt. Der wesentlich größere Einfluss the Rocket Sound, Bobby Fuller and the Fanatics oder nisters umklammert. Die Leichenstarre hat bereits einge- und wegweisend für sein künftiges Schaffens war hinge- Bobby Fuller and the Regents. Die Namen machen schon 68 69 nationalen Charts. Bobby hatte seinen Fuß in der Tür des letzte bekannte Person, die Bobby noch lebend zu Gesicht großen Popgeschäfts. Dass dieser Erfolg möglicherweise bekam. Danach verlieren sich die Spuren. äußerst teuer erkauft war, sollte sich erst später zeigen. Ende Für die eintreffende Polizei war die Sache schnell klar: des Jahres erschien die Neuaufnahme von I fought the law, typischer Rock’n’Roll-Toter! Entsprechend schlampig gin- sein größter Hit. Das Lied erkletterte bis Anfang 1966 ste- gen sie der Beweisaufnahme nach. Das Auto wurde nicht tig die Charts und erreichte schließlich Platz 9. Es entbehrt beschlagnahmt, nicht einmal auf Fingerabdrücke unter- nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet der kreuz- sucht. Genau so wenig wie der Benzinkanister neben dem brave Bobby, der doch rein gar nichts von einem Delin- Beifahrersitz. Stone beobachtete einen Polizisten dabei, quenten an sich hatte, mit der Nummer reüssieren konnte. wie er einen zweiten Kanister, der sich am Rücksitz befand, Aber Authentizität ist nun einmal kein zwingendes Qualifi- einfach in der nächsten Mülltonne entsorgte. Der Gerichts- kationsmerkmal im Showgeschäft. So kann man auch mit mediziner kam zum Schluss, dass Bobby im geschlossenen einem schmalzigen Grinser im Babyface von Raubüber- Wagen an den Benzindämpfen erstickt war. Für die Polizei fällen singen und trotzdem breite kommerzielle Wirkung gab es keine Spuren von Fremdeinwirkung, also vermerkten erzielen. sie im Bericht Suizid oder Unfall. Soweit die offizielle Ver- Am Höhepunkt der Karriere angelangt, folgte zwangsläu- sion. Daran glaubt aber sonst kaum jemand. Die verschie- fig der Abstieg. Im Schatten des Triumphes von I fought the denen seither gesponnenen Theorien lassen sich auf drei law häuften sich die Probleme. Die Band war nun nahezu einigermaßen wahrscheinliche Szenarien herunterbrechen: pausenlos unterwegs. Es blieb keine Zeit mehr für Aufnah- Selbstmord, Drogen oder Gewaltverbrechen. mesessions, was den passionierten Studio- und Soundtüft- Im Gegensatz zu den Behörden lehnt sein Umfeld Selbst- ler besonders traf. Die nächste Single Love’s made a fool of mord kategorisch ab. Ja, die letzten Wochen waren keines- you, ein Buddy Holly-Cover, schlug sich mit Platz 26 zwar wegs einfach. Dennoch war Bobby privat guter Stimmung achtbar, es gelang jedoch nicht den Charterfolg zu festigen. und generell kein Typ, der zu Depressionen oder Kurz- Als im Mai endlich wieder eine Session gebucht wurde, schlusshandlungen neigte. Den 17. Juli verbrachte er tags- präsentierte Keane überraschend Barry White (genau den!) über mit Freunden aus El Paso. Sie beschrieben ihn als als Co-Produzenten. Bobby zeigte sich wenig begeistert. entspannt und fröhlich. Abends telefonierte er mit Nancy White, so Keans Kalkül, sollte der Band einen frischen, Norton, einer Stewardess, die er bei Auftritten in New York klar an Motown orientierten, Sound verpassen. Das Ergeb- kennengelernt hatte und die ihn die kommenden Tage in nis, die Single Magic touch, eine eher lauwarme Angele- L.A. besuchen kommen sollte. Auch auf Esinger machte er deutlich, wie es um die bandinternen Hierarchien bestellt das ein Erfolg wird. Die 60er waren eine Zeit der Rebellion genheit und weit entfernt vom bewährten Fuller-Sound, in der Nacht auf den 18. Juli einen gelösten Eindruck. war: Das alleinige Sagen hatte stets Bobby. Er galt in musi- und der Song entsprach dem Zeitgeist.“ Mittlerweile war erwies sich jedoch nicht als geeignet, um die Abwärtsspi- Laut Randy fand am Sonntagabend eine spezielle Party statt, kalischen Belangen als stur und ließ sich wenig dreinreden. Bobby der kleinen Szene im beschaulichen El Paso längst rale zu stoppen. Anfang Juli ging es für ein paar Konzerte auf der ein LSD-Experiment, unter der Aufsicht eines Psych- Er folgte seiner eigenen Vision, getrieben durch bedin- entwachsen. nach San Francisco. Dies sollten die vorerst letzten Shows iaters (Timothy Leary lässt grüßen) geplant war. Ein belieb- gungslosen Ehrgeiz, diese auch umzusetzen. Einzig bei den sein. Danach stand eine längst nötige Pause an, um Bobby tes Amüsement der Hautevolee Hollywoods zu dieser Zeit. Songtexten brauchte er zuweilen die Hilfe anderer. Meh- L.A.’s fine, but it ain’t home… Zeit zu geben in Ruhe neue Stücke zu schreiben und auf- Auch Bobby soll mit dem Gedanken gespielt haben, dort rere seiner Lieder entstanden in Zusammenarbeit mit Mary zunehmen. Aber gerade der Tourabschluss endete in einem vorbeizuschauen. Der Gerichtsmediziner untersuchte das Stone, der Mutter seines Jugendfreundes Rick Stone. Mary Im Sommer 1963 packte er ein paar Bänder mit seinen

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