Formel-1-Präsentation von Renault und Toyota*: „Wenn wir gewinnen, soll der Sieg uns allein gehören“ FORMEL 1 Kampf der Konzerne Was lange ein Wettstreit privater Rennställe war, ist nun eine Marketing-Schlacht der Autoindustrie: Sieben Hersteller wollen über den Grand-Prix-Zirkus Kunden fangen. Toyota und Renault setzen dabei einen neuen Trend: Sie liefern nicht nur den Motor, sie bauen den kompletten Wagen. enn es galt, in Tagen der Tristesse Marchese erhört. Die beiden Zugänge im es sich Mercedes-Benz fast nicht mehr leis- Ferraris Bedeutung für die For- Grand-Prix-Zirkus ziehen mit eigenen ten kann, irgendwann auszusteigen.“ Wmel 1 ins rechte Licht zu rücken, Teams ins Feld. „Wir wollen die Weltmeis- Wer neue Märkte erobern will, kommt erlaubte sich Vorstandschef Luca di Mon- terschaft mit einem Auto gewinnen, das an der Rennerei kaum vorbei. So möchte tezemolo schon mal ein rüdes Foul. Die 100 Prozent Renault repräsentiert“, erklärt Toyota mit dem Formel-1-Einstieg sein bis- großen Autohersteller, giftete der galante, Sportdirektor Patrick Faure. „Wir gehen lang eher bescheidenes Geschäft in Euro- stets wohlfrisierte Markgraf, hätten offen- den schwerstmöglichen Weg“, weiß sein pa ankurbeln: Bis 2005 wollen die Japaner kundig Angst, „in der ersten Frontlinie zu Kollege von Toyota, Ove Andersson. ihren Absatz von 660000 auf mindestens stehen“. Er finde es schade, „dass so ein Die Konkurrenz ist so zahlreich wie nie. 800000 Fahrzeuge gesteigert haben. Allein großer Name wie Mercedes sich eines eng- Wenn am kommenden Sonntag in Mel- mit der alten Klientel, die einen Toyota lischen Rennstalls bedienen muss“. bourne die Saison beginnt, sind sieben vor allem aus Vernunftgründen kauft, ist Der Manager aus Maranello glaubte zu Hersteller am Start: vier mit Werksteams, das nicht zu schaffen. „Unser Grand-Prix- wissen, warum sich die Konzerne auf die drei als Motorenpartner. Auftritt soll Emotionen wecken“, sagt Mo- Rolle des Motorenlieferanten beschränk- Was über Jahrzehnte ein technischer torsportboss Andersson – und junge Leu- ten: „Wenn sie gewinnen, ist der Motor Wettstreit unter privaten Rennställen war, te für die Marke interessieren. phantastisch. Wenn sie verlieren, lag es am ist nun ein Marketing-Krieg global operie- Expansionsgelüste haben auch Renault Auto.“ Ferrari hingegen baue seine Grand- render Autokonzerne. Die Duelle auf dem in die Formel 1 getrieben. Vorstandschef Prix-Kreationen selbst, „vom Frontflügel Asphalt heißen nicht mehr McLaren ge- Louis Schweitzer will das französische Un- bis zum Auspuffrohr, und das seit 50 Jah- gen Williams, sondern Mercedes gegen ternehmen zu einer Weltmarke machen: ren“. Kämpferisch forderte Montezemolo BMW oder Honda gegen Ford. „Unser Ziel ist, 2010 vier Millionen Autos die automobile Welt heraus: „Wäre es nicht Insgesamt rund 1,7 Milliarden Euro, so zu verkaufen – das zwingt uns, verstärkt toll, wenn drei, vier große Werke eine schätzt das Fachmagazin „Auto, Motor und über den Kernmarkt Europa hinaus zu ope- Schlacht austragen würden?“ Sport“, ist den Pkw-Produzenten ein Platz rieren.“ Bekanntheit und Image für diese Drei Jahre später ist die Schlacht da. in der weltumspannenden Show wert. Dass Offensive sollen die Siege auf der Renn- Toyota und Renault haben den Appell des sich die Kosten in den letzten fünf Jahren strecke bescheren. verdoppelt haben, wird akzeptiert. Das In- Zwar führt Renault im Briefkopf bereits * Links: mit Renault-Teamchef Flavio Briatore und den teresse der Hersteller an der Werbebühne sechs Weltmeistertitel in der Marken- und Fahrern Jarno Trulli, Jenson Button und Fernando Alonso am 27. Januar in Guyancourt; rechts: Toyota-Piloten Mika Formel 1 habe so zugenommen, sagt Daim- fünf in der Fahrerwertung – von 1989 bis Salo und Allan McNish am 17. Dezember 2001 in Köln. lerChrysler-Vorstand Jürgen Hubbert, „dass 1997 trieben Motoren made in France die 218 der spiegel 9/2002 Sport Andersson, „zahlt sich heute nicht mehr aus.“ Toyota baue komplette Straßenautos, also sei es nur logisch, auch ein komplettes Formel-1-Auto zu bauen. „Denn wenn wir gewinnen, soll der Sieg uns allein gehören.“ Das hat die Branche lange ganz anders gesehen. Ferraris Durststrecke – 21 Jahre ohne WM-Titel – diente als Beleg, dass es nicht sinnvoll sei, alles unter einem Dach zu fertigen. Als Motorenentwickler waren die Auto- konzerne kompetent. Zur Konstruktion eines Chassis hingegen, mit all den Flügel- chen an Front und Heck, konnten Inge- nieure, die sonst über der Hinterachse ei- nes S-Klasse-Mercedes brüten, nicht viel Sachdienliches beitragen. Und genau das erkannte Luca di Mon- tezemolo als Ferraris Kernproblem: „Wir waren eine Autofabrik, aber die Formel 1 hatte sich in den Achtzigern zu einem Ab- leger der Luftfahrtindustrie entwickelt.“ Erst nachdem der neue Ferrari-Rennleiter ALLSPORT / ACTION PRESS (L.); UWE KRAFT / ACTION PRESS (R.) PRESS (L.); UWE KRAFT / ACTION / ACTION ALLSPORT Jean Todt die richtigen Fachleute bei der Formel-1-Konkurrenz abgeworben hatte, Autos von Benetton und Williams 75-mal deutsam. Immerhin hat er 550 Mitarbeiter lernten die roten Renner das Siegen. als Erste ins Ziel. Doch wer erinnert sich aus 30 Nationen rekrutiert: Italiener, Öster- Ferraris Erfolge in den vergangenen Jah- noch, dass Michael Schumacher 1995 mit reicher, Engländer, nur 17 Japaner. „Wir ren ermunterten manchen Konzernmana- Renault-Power im Rücken von Sieg zu Sieg sind wie die Vereinten Nationen“, sagt ger zum Umdenken. Wie mühsam das All- eilte? Die Publicity schöpfte das Team ab. Andersson. in-one-Konzept indes sein kann, zeigt das „Renault wurde nur erwähnt“, sagt Sport- Das Gros der Mitarbeiter kannte die For- Beispiel Ford. Der Autoriese, als Motoren- direktor Faure, „wenn es eine Niederlage mel 1 bislang nur aus dem Fernsehen, doch lieferant ein Urgestein der Formel 1, über- zu erklären gab.“ für die Schlüsselpositionen fand der Schwe- nahm 1999 das siechende Stewart-Team, be- Das neue „100 Prozent Renault“-Kon- de kundiges Personal: den Motorenent- nannte es in Jaguar um, lackierte die Autos zept hingegen werde „die Kommunikation wickler bei Ferrari, den Aerodynamiker „racing green“, verpflichtete Niki Lauda als mit dem Kunden“ erleichtern. Faure: „Wir bei Sauber und den Chassiskonstrukteur Rennleiter, gab im Vorjahr 200 Millionen sind als Team viel sichtbarer.“ bei Minardi. Dollar aus – und zuckelt mit beklagenswer- Dabei ist das, was nun als Renault-Renn- Sich irgendwo einzukaufen oder als Part- ter Konstanz hinterher. stall antritt, nichts anderes als die über 17 ner zu dienen kam für Toyota nie in Frage. Das soll Toyota – mittelfristig – nicht pas- Jahre gewachsene Benetton-Mannschaft. „Nur Motorenhersteller zu sein“, glaubt sieren. Auf 460 Millionen Euro wird der Für 120 Millionen Dollar erwar- jährliche Aufwand geschätzt. Und ben die Franzosen die im engli- Formel ¤ wer die Größe des Kölner Wind- schen Enstone angesiedelte For- kanals gesehen hat, die Testkilo- mel-1-Fabrik. Die größten Automobilhersteller und ihr Formel-1-Engagement meter addiert und die Hotels So leicht hat es sich Toyota nicht Produktion 2000 Formel-1-Budget kennt, die für die Grand-Prix-Wo- machen wollen. Der drittgrößte Hersteller in Mio. Stück Team der Hersteller* chenenden gebucht sind, der hält Autohersteller der Welt fing bei diese Zahl für nicht übertrieben. null an und baute erst einmal für 1. General Motors 8,13 – – Nie zuvor hat ein Unternehmen 126 Millionen Euro eine ordentli- 2. Ford 7,32 Jaguar 230 Mio. ¤ in der Formel 1 so viel Geld in die che Rennwagen-Manufaktur – in Hand genommen – als ob der Marsdorf, einem Gewerbegebiet 3. Toyota 5,96 Toyota 460 Mio. ¤ reichste japanische Konzern sei- im Westen von Köln. 4. VW 5,11 – – nem Spitznamen „Toyota Bank“ Weil 11 der 17 Großen Preise 5. DaimlerChrysler 4,67 McLaren 120 Mio. ¤ Ehre machen wollte. und alle Testfahrten in Europa Einzig in der Fahrerfrage übte stattfinden, schied Japan als Stütz- 6. PSA (Peugeot/Citroën) 2,88 – der Neuling Bescheidenheit. Mit punkt aus. Für Köln sprach, dass 7. Fiat 2,64 Ferrari 285 Mio. ¤ dem Finnen Mika Salo und dem die dort ansässige Toyota Motor- Schotten Allan McNish sitzt nicht sport GmbH seit den achtziger 8. Nissan 2,63 – – direkt die Sonderklasse am Steuer. Jahren sieben Rallye-Weltmeister- 9. Renault 2,52 Renault 280 Mio. ¤ Natürlich könnte sich Toyota Pi- schaften gewonnen hatte. Deren loten wie den Mönchengladbacher 10. Honda 2,51 BAR, Jordan 160 Mio. ¤ Boss, der ehemalige Rallye-Pilot Heinz-Harald Frentzen leisten. Ein Ove Andersson, erhielt die Lei- 11. Hyundai 2,49 – – renommierter Fahrer hätte jedoch ■ Werksteam tung über das Formel-1-Projekt. 12. Mitsubishi 1,83 – – den Erfolgsdruck erhöht, das Auto Andersson, 64, gibt zu, dass es ■ Motoren- wäre bei mäßigem Abschneiden al- praktischer wäre, wenn die Ent- 13. Suzuki 1,46 –lieferung – lein schuldig gesprochen worden. fernung zum Mutterhaus in Fern- 14. Mazda 0,93 – – Besonders sicher sind die Ar- ost geringer wäre. Aber im Zeital- beitsplätze von Salo und McNish ter der modernen Datenwege hält 15. BMW 0,84 Williams 140 Mio. ¤ dennoch nicht. Durch gute Leis- er diesen Nachteil für nicht so be- Quelle: OICA; Auto Motor und Sport; *2002 tungen werden sich die beiden, so der spiegel 9/2002 219 Sport Alles-aus-einer-Hand-Strategie Er- folg haben, müssen wir uns Ge- danken machen“, sagt ein BMW- Mann. Bei Honda, das BAR und Jordan, zwei im Mittelfeld dümpelnde Rennställe, mit Motoren ausstattet, sind schon erste Konsequenzen ge- zogen worden. Mehrere Techniker, die den Chassisbau unterstützen sollen, wurden zu BAR ins engli- sche Brackley entsandt. Und das MICHAEL KOLVENBACH / ACTION PRESS / ACTION MICHAEL KOLVENBACH dürfte erst der Anfang sein: Vorige Vorbild Ferrari-Rennwagen: „Ableger der Luftfahrtindustrie“ Woche berichtete „Auto, Motor und Sport“ von einer „bevorste- paradox ist die Logik des Renngeschäfts, in ein Geschenk. Die flache Bauweise eröff- henden Übernahme“ des Teams durch den die Erwerbslosigkeit steuern. Denn je net dem Fahrzeugbauer bislang unbe- japanischen Verbündeten. schneller Toyota Anschluss an die besseren kannte Spielräume. Auch wandert der Der Erwerb eines Rennstalls kann auch Teams findet, umso eher dürften die Fah- Schwerpunkt dadurch nach unten – so wirtschaftliche Vorzüge haben.
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