Repositorium für die Medienwissenschaft Felicitas Meifert-Menhard ‹I’m gonna tell you an incredible story›. Narrative Strategien in HOW I MET YOUR MOTHER 2016 https://doi.org/10.25969/mediarep/14675 Veröffentlichungsversion / published version Sammelbandbeitrag / collection article Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Meifert-Menhard, Felicitas: ‹I’m gonna tell you an incredible story›. Narrative Strategien in HOW I MET YOUR MOTHER. In: Miriam Drewes, Valerie Kiendl, Lars Robert Krautschick u.a. (Hg.): (Dis)Positionen Fernsehen & Film. Marburg: Schüren 2016 (Film- und Fernsehwissenschaftliches Kolloquium 27), S. 25– 33. DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/14675. Nutzungsbedingungen: Terms of use: Dieser Text wird unter einer Deposit-Lizenz (Keine This document is made available under a Deposit License (No Weiterverbreitung - keine Bearbeitung) zur Verfügung gestellt. Redistribution - no modifications). 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Diese verschachtelte Erzählstruktur, in der auch die anderen Figuren als Erzäh- ler zu Wort kommen, ist nur der Ausgangspunkt für zahlreiche weitere narrative Kunstgriffe, zu denen das unzuverlässige Erzählen, die polyphone Auffächerung der Perspektivenstruktur, die Verwendung von Pro- und Analepsen sowie das Erzäh- len eines Ereignisses in mehreren Versionen gehören. *** «Kids», so beginnt eine Offstimme die erste Episode vonHow I Met Your Mother (USA 2005–2014, Idee: Carter Bays, Craig Thomas), «I’m gonna tell you an incred- ible story: the story of how I met your mother»1. Diese Erzählung umspannt neun Staffeln und über zweihundert Folgen der überaus beliebten und erfolgreichen Sit- com, die im amerikanischen Fernsehen von 2005 bis 2014 auf dem Fernsehsen- der CBS ausgestrahlt wurde. Die deutsche Erstausstrahlung erfolgte ab 2008 bei ProSieben. Der Erzähler der Serie – Ted Mosby (Josh Radnor) –, der gleichzeitig 1 «Pilot», DVD How I Met Your Mother – Season 1. Disc 1, 20th Century Fox Home Entertain- ment 2006, TC 00:00:01–00:00:05. 25 Felicitas Meifert-Menhard auch Protagonist ihrer Binnenhandlung ist, erzählt im Jahr 2030 seinen Kindern die Geschichte, wie er einst – in der Gegenwart des Zuschauers – deren Mutter kennengelernt hat. Damit ist – und dies ist nur eine der innovativen Neuerungen, die How I Met Your Mother an das Genre der Sitcom heranträgt – das Ende der Serie bereits bekannt: Ergebnis und Höhepunkt von Teds Erzählung ist natürlich die Enthüllung ihrer bis dahin vom Bildschirm abwesenden Hauptfigur und das Kennenlernen zwischen ihr und Ted. Zugleich ist dieses Ende immer wiederkeh- render Bezugspunkt für zahlreiche Anspielungen, proleptische Beinahe-Enthül- lungen, und teasern innerhalb der einzelnen Folgen, die bewusst mit der Neugier des Zuschauers spielen. Ein mit am häufigsten verwendetes Objekt in diesem Zusammenhang ist der gelbe Regenschirm, welcher der Mutter-Figur gehört und als ihr visuelles Haupter- kennungszeichen fungiert. So sehen wir wiederholt die Figur der Mutter unter dem gelben Schirm versteckt. Der Schirm wechselt später in Teds Besitz und bedingt eine Reihe schicksalhafter Zufälle, die schlussendlich zum Zusammentreffen von Ted und seiner zukünftigen Frau führen. Symbolhafte Konnotationen nimmt der Regenschirm in der Folge «No Pressure» (7x17)2 an: Nachdem sich Ted emotional von seiner Dauer-On-Off-Beziehung Robin Scherbatsky (Cobie Smulders) gelöst hat, trägt plötzlich jeder um ihn herum auf der Straße einen gelben Regenschirm – ein Zeichen dafür, dass ihm nun alle Möglichkeiten offen stehen, die für ihn rich- tige Frau zu finden. Ein derartiges in Bezug setzen von Figur und Objekt führt zu einer visuellen Chiffre, bei dem ‹Regenschirm› synonym für ‹die Mutter› verwen- det wird – dies ist nur ein Beispiel dafür, wie in How I Met Your Mother mit visuellen Ersetzungsoperationen gespielt wird, und darauf wird in der Diskussion des unzuverlässigen Erzählens innerhalb dieser Serie im Verlauf dieses Beitrags noch zurück zu kommen sein. Zunächst aber ein kurzer Abriss der Erzählstruktur der Serie: Ihr bemerkens- wertes Charakteristikum sind die Rückblenden, mit deren Hilfe die Haupthandlung erzählt wird. Ted wechselt zu Beginn (fast) jeder Folge von der intradiegetischen Rahmenebene auf die intradiegetische Binnenebene, und seine Offstimme – im Original gesprochen von Bob Saget – markiert diesen Wechsel, indem sie uns in das Geschehen der jeweiligen Folge einführt. Visuelle Markierung des Wechsels ist der Schnitt zwischen der Einstellung, welche die auf der Couch sitzenden Kinder zeigt und der jeweils ersten Einstellung auf der Binnenebene.3 Die beiden unter- schiedlichen Zeitebenen werden oft zusätzlich dadurch gekennzeichnet, dass das jeweilige Datum der gezeigten Handlung eingeblendet wird. Diese Rahmenstruktur 2 Die einzelnen Folgen der Serie werden wie folgt zitiert: (StaffelxEpisode; z. B. 1x01). 3 Diese Visualisierung der zuhörenden Kinder auf der Rahmenebene fällt in späteren Folgen häufig weg, was vermutlich der Annahme geschuldet ist, dass zumindest der regelmäßige Zuschauer zu diesem Zeitpunkt bereits mit der Zeitstruktur der Serie vertraut ist. 26 ‹I’m gonna tell you an incredible story› ist jedoch nur das Gerüst für zahlreiche weitere zeitliche Verschachtelungen, denn auch innerhalb der Binnenerzählung springt die Geschichte häufig in ihrer Chro- nologie vor und zurück – häufig visuell markiert durch eine Trickblende, wie eine Wischblende, welche die Bewegung durch die Zeit widerspiegeln soll. Oftmals wer- den die Trickblenden auch auditiv begleitet durch die Verwendung charakteristi- scher Sound-Effekte. Eine derartige Verwendung von Vor- und Rückblenden führt zu einer dezidiert nicht-linearen Erzählstruktur in How I Met Your Mother, die wiederholt dazu funktionalisiert wird, ein und dasselbe Geschehen mehrfach und dabei immer unterschiedlich wiederzugeben. Die Erzählung wird dann quasi zurückgespult, um sie neu zu beginnen und auf andere Weise fortzusetzen. Diese narrativ vermittelte Optionalität ist umso bemerkenswerter, da die gesamte Erzäh- lung – wir erinnern uns – ja hauptsächlich von Ted erzählt wird; von einem Ich- Erzähler also, der eine notwendigerweise limitierte Perspektive innehat, da er nach dem Vorbild einer lebensweltlichen Figur geschaffen ist – ein «Ich mit Leib»4, wie ihn Franz K. Stanzel einst bezeichnet hat. Teds Ich-Erzählung wird jedoch wie- derholt aufgefächert in ein Spektrum unterschiedlicher Möglichkeiten, wie eine Geschichte hätte verlaufen können. Er erzählt also nicht nur eine Geschichte aus einer Perspektive, sondern mitunter mehrere Varianten einer Geschichte aus unter- schiedlichen Perspektiven. Um dies zu bewerkstelligen, findet von der Rahmen- zur Binnenerzählung ein Perspektivenwechsel statt: Während die Rahmenerzäh- lung Teds Ich-Perspektive zeigt, sieht sich, wie Nils Neusüß bereits angemerkt hat, Ted in der Binnenerzählung aus der Außenperspektive.5 Das Verfahren des re- tellings aus unterschiedlichen Perspektiven gewinnt durch die filmische Darstel- lung zusätzlich an Komplexität, denn alle gezeigten Versionen besitzen erst einmal denselben Grad an visueller Wahrhaftigkeit und damit auch Wahrscheinlichkeit, und es kann vom Zuschauer oftmals erst im Nachhinein entschieden werden, wel- che Version unzuverlässig und welche zuverlässig war: «Solange es keine zusätzli- chen Anzeichen dafür gibt, dass die […] visuelle Erzählinstanz unzuverlässig sein könnte, gilt sie als zuverlässig im Hinblick auf die Vermittlung der diegetischen Welt und wird von einem Großteil der Rezipienten, auch aufgrund von Konventi- onen, als zuverlässig aufgefasst»6. Im restlichen Teil dieses Beitrags werde ich mich den unterschiedlichen Ausprägungen des multiperspektivischen und unzuverlässi- gen Erzählens in How I Met Your Mother widmen und anhand zwei exempla- risch ausgewählter Episoden aufzeigen, wie diese beiden narrativen Verfahren mit- einander
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