Menschenwürdige Gesellschaft Elementarmodell als 3. Lösungsweg für die soziale Frage zwi- schen links und rechts Inaugural-Disseration zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie an der Ludwig-Maximiliens-Universität München vorgelegt von: Thomas Korselt Ruhpolding Erstgutachter: PD Dr. habil. Martin Rechenauer Zweitgutachter: Prof. Dr.Dr. Julius Nida-Rümelin Datum der Disputation: am 06.07.2016 2 1 Einleitung und Danksagung Mit der Unterstützung durch Herrn Priv. Dozent Dr. Martin Rechenauer ist es gelungen, das komplexe Unterfangen einer synoptischen Betrachtung aktueller Gesellschaftsgestaltung sinnvoll zu bewerkstelligen. Komplex ist dieses Unterfangen schon durch die zentralen zu the- matisierenden Begriffe, ‚Menschenwürde‘ bzw. das Adjektiv davon und ‚Gesellschaft‘. Die vielfältigen unterschiedlichen Interpretationen dessen, was unter ‚menschenwürdig‘ zu ver- stehen ist, spiegelt die Meinungsvielfalt der Menschen wieder, die hierzu Auffassungen ver- treten. Dies hat sich in den letzten Jahrhunderten ständig geändert und ist schon von Kultur zu Kultur verschieden. Da könnte es um den Begriff der Gesellschaft schon besser bestellt sein, wenn man sich auf die Betrachtung eines sozialen Raumes beschränkt. Allerdings hat die Verknüpfung der Menschenwürde mit der Gesellschaft zum Gegenstand, die Selbstorganisation der Gesell- schaft und damit gerät man schnell in die Komplexität moderner Volkswirtschaften. Gesell- schaften mit über 100.000 Gesetzen und Verordnungen strukturieren ein äußerst kompli- ziertes Zusammenleben der Menschen. Dieses muss so herausgearbeitet werden, dass Ist- zustände beurteilt und auch noch Veränderungsvorschläge entwickelt werden können an der Messlatte der Menschenwürdigkeit. Herr PD Dr. Rechenauer hat mich ermutigt, diese Thematik voranzutreiben ohne Scheu davor, an einigen Stellen eher dürftig zu bleiben und andere etwas gründlicher zu bearbeiten und vor allen Dingen nicht davor zurückzuschrecken, eigene neue Begriffe zu bilden. Dies erwies sich als notwendig, da insbesondere Begriffe, wie Freiheit, Gleichheit und Gerechtig- keit, die irgendwie mit der Menschenwürde zusammenhängen, sobald sie inhaltlich belegt werden, schnell eine ideologische Aufladung erfahren. Der schillersche ‚freie Mensch‘ ist an- ders zu verstehen, als der freie Mensch in einer demokratischen Gesellschaft in einem säku- larisierten Staat oder der sich frei fühlende Mensch in einem moslemischen Staat. Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff der Gerechtigkeit, der in ziemlich jedem Parteiprogramm un- terschiedlichster Couleurs die zentrale Rolle spielt. Dies führte zu einer Enthebung der Pflicht die eine oder andere Position zu legitimieren bzw. deren Antithese zu falsifizieren. „So fest der Meinung der Gegensatz des Wahren und des Falschen wird, so pflegt sie auch entweder Beistimmung oder Widerspruch gegen ein vorhandenes philosophisches System zu erwarten, und in einer Erklärung über ein solches nur entweder das eine oder das andere zu sehen.“ (Hegel, 1980 S. 4) Würde man im hegelschen Sinne das freiheitbasierte marktwirtschaftliche System in ka- pitalistischer Form und das sozialistisch oder gar kommunistische System als These und An- tithese verstehen, dann bestünde das Bemühung im Entwickeln einer Synthese. Es sei daran erinnert, dass schon Karl Marx das Hegelsche Denken für seine Zwecke genutzt und verän- dert hat. In einer Bearbeitung dieser beiden Stilrichtungen für Gesellschaftliche Gestaltun- gen wird kein erfolgversprechender Ansatz gesehen. Die Forschungen zu obiger Thematik, sollten ideologisch unvoreingenommen angestellt und ergebnissoffen vorangetrieben wer- den. Der sehr umfangreiche ökonomische Teil wurde auf Anraten von Prof. Nida-Rümelin und PD Dr. Rechenauer um ca. 80 Seiten reduziert unter Verzicht auf die Darstellung ohnehin bekannter Theorien. Die Verwendung von deren Ergebnissen ist geblieben. Allerdings wuchs der Arbeitsumfang durch die Anregung, das bedingungslose Grundein- kommen detaillierter zu behandeln. Im Rahmen der Recherche dazu zeigte sich, dass ein weitgehend in die Vergessenheit geratener Systemvorschlag von Popper-Lynkeus auf klugen 3 Gedanken aufbaut, auch wenn er dann Gestaltungsvorschläge mit sozialistischen Zügen ent- wirft. Herr Prof. Nida-Rümelin sind die Grundgedanken zur Handlungstheorie geschuldet und eine generelle Schwerpunktverlagerung von ökonomischen zu philosophischen Betrachtun- gen. Es mag befremden, dass Menschenwürdigkeit zentraler Gegenstand ist und dennoch eine präzise inhaltlich beschreibende Festlegung vermieden wird. Natürlich werden inhaltli- che Belegungen dargestellt und zugehörige Begriffe, wie Gerechtigkeit, Freiheit, Rechte, Ge- schwisterlichkeit und Gleichheit ständig in die Betrachtungen einbezogen, aber mit großer Freiheit in dem Inhaltsverständnis. So wurde es möglich nicht in die alten bekannten Veränderungsmodelle sozialistischer oder kapitalistischer Prägung zu geraten, sondern einen ganz neuen Weg zu beschreiten. Unter einem neuen Weg wird eine evolutionäre Veränderung verstanden, die verspricht mögliche weniger menschenwürdige Zustände aktueller Gesellschaftsstrukturen so zu ver- ändern, dass diese menschenwürdiger werden. Dank gilt auch meiner Frau Renate, die geduldig als Diskussionspartner zur Verfügung stand und schlussendlich die Arbeit redigiert hat. München im November 2016 4 Inhalt 1 Einleitung und Danksagung ............................................................... 3 Teil I ........................................................................................................... 9 2 Gründe für die Entwicklung des Elementarmodells ........................ 11 2.1 Reichtum und Armut, rechtsschiefe Verteilung ........................................... 16 2.2 Veränderungsnotwendigkeit marktwirtschaftlicher Systeme ..................... 28 2.3 Übersichtlichkeit, Verständlichkeit und Transparenz .................................. 30 2.4 Unterschätzung der Handlungsantriebe aus der Natur des Menschen ....... 31 2.5 Die Organisation in sozialer Räume ............................................................. 32 3 Ausrichtung der Gesellschaftsgestaltung am Menschen ................ 37 3.1 Der Mensch als Maß und als Bezugsbasis .................................................... 37 3.2 Menschenmodelle als Grundlegung für Gesellschaftstheorien ................... 39 3.2.1 Der Bedürfnisbegriff und die Nutzenstiftung von Gütern ...................... 39 3.2.2 Kritische Beschreibung des homo oeconomicus ..................................... 46 3.2.3 Der homo ethicus als realistischerer Verwandter ................................... 50 3.2.4 Der Ansatz von Rawls .............................................................................. 53 3.2.5 Der ‚capability approach‘ von Sen ........................................................... 56 3.2.6 Das Satisficing Model und der Habitusansatz ......................................... 62 4 Ansätze für ein adäquates Menschenverständnis .......................... 65 4.1 Kategorialer Modellansatz aus den aristotelischen Kategorien .................. 65 4.2 Merkmale aus den Kategorien ..................................................................... 68 4.3 Axiome aus den Merkmalen, reduziert auf Kants Kategorien ..................... 82 4.3.1 Das Daseinsaxiom (individuelles Existenzsaxiom) ................................... 82 4.3.2 Das Kontinuitätsaxiom (artmäßige Kontinuität) ...................................... 83 4.3.3 Das Vitalaxiom (individuelles Kontinuitätsaxiom) ................................... 83 4.3.3.1 Überlebensaxiom (Existenzerhaltungsaxiom) .................................... 83 4.3.3.2 Humanaxiom (Existenzgestaltungsaxiom) .......................................... 83 4.3.3.3 Das Duldungsaxiom ............................................................................ 84 4.3.4 Das Relationsaxiom ................................................................................. 84 4.4 Martha Nussbaums Merkmalskatalog zum Vergleich ................................. 87 5 Gestaltungsanforderungen aus den Axiomen ................................. 91 5.1 Das Äquivalenzprinzip zur Korrektur von Gestaltungsschwächen ............... 92 5 5.2 Gestaltungsanforderungen (GA) durch das Daseinsaxiom .......................... 98 5.3 GA durch das Kontinuitätsaxiom (artmäßige Kontinuität) ......................... 101 5.4 GA durch das Vitalaxiom ............................................................................ 105 5.4.1 GA durch das Überlebensaxiom (Existenzerhaltungsaxiom) ................. 105 5.4.2 GA durch das Humanaxiom (Existenzgestaltungsaxiom) ...................... 108 5.4.3 GA durch das Das Duldungsaxiom ......................................................... 109 5.5 Gestaltungsanforderungen durch das Relationsaxiom ......................... 110 5.5.1 GA durch Beziehung zum eigenen ‚Sein‘, das Ausstattungsaxiom ........ 111 5.5.2 GA durch die Beziehung zur Erdoberfläche, das Raumaxiom ............... 112 5.5.3 GA durch Beziehung zu Ressourcen (Daseinsgestaltungsaxiom) .......... 112 5.5.4 GA durch die Beziehungen zu anderen Menschen ................................ 113 6 Stress und Werte als Handlungsantriebe ...................................... 115 6.1 Stress als Handlungsantrieb ....................................................................... 115 6.1.1 Körperstress SK ...................................................................................... 117 6.1.1.1 Handlungsdruck aus der Körperorganisation ................................... 117
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