49 AIDS-FORUM DAH AIDS-FORUM DAH Band ––––––°––––––––––––––––––––49 Sexualität wo?hin? Hinblicke. Einblicke. Ausblicke. „Sexualität wo-hin? Hinblicke. Einblicke. Ausblicke“ – unter diesem Motto stand die gemeinsame Fachtagung der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. (DAH)und des Verbandes lesbischer Psychologinnen und schwuler Psychologen e.V. (VLSP), die vom 15. bis 17. November 2002 im Haus am Köllnischen Park in Berlin stattfand und die sich mit grundsätzlichen Fragen nach dem Stand (wo?) und der Zu- Sexualität wo•hin? Ausblicke Einblicke. Hinblicke. kunft (wohin?) des Sexuellen befasste: Sexualität und Identität, Sexualität und (andere) Kultur(en), Sexualität und Medien, Markt und Macht, Sexualität und Liebe und vieles mehr. Auch die im vorliegenden Band wiedergegebenen Artikel (zum Teil Original- Sexualität wo•hin? beiträge, zum Teil Nachdrucke von Texten, die bereits an anderer Stelle veröf- fentlicht worden sind) beschäftigen sich mit den im Titel dieser Fachtagung Hinblicke. Einblicke. Ausblicke enthaltenen Fragen – aus der Perspektive der Soziologie, der Psychologie und Psychotherapie, der Sexualwissenschaft, der Philosophie, der Kultur- und Me- Karl Lemmen, Jutta Schepers, dienwissenschaften oder der Aufklärungs- und Präventionsarbeit, um nur einige zu nennen. Wir hoffen, mit dieser Veröffentlichung einen Beitrag zur Holger Sweers, Klaus Tillmann (Hg.) Diskussion um dieses Phänomen zu leisten und damit nicht nur den Dialog zwischen den verschiedenen Disziplinen, Kulturen und Welten zu befördern, sondern auch die Grundlagen und Bedingungen der (sexuellen) Gesundheits- förderung und der Prävention sexuell übertragbarer Krankheiten einschließ- lich HIV besser zu verstehen. ISSN 0937-1931 ISBN 3-930425-57-2 2005 Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Impressum 2 Deutsche AIDS-Hilfe e.V. Dieffenbachstr. 33 10967 Berlin Internet: http://www.aidshilfe.de E-Mail: [email protected] Juli 2005 Bestellnummer: 030049 Redaktion: Karl Lemmen, Jutta Schepers, Holger Sweers, Klaus Tillmann Bearbeitung: Holger Sweers Gestaltung: moniteurs Satz: Carmen Janiesch Druck: Medialis Spendenkonto Berliner Sparkasse Konto 220 220 220 blz 100 500 00 IBAN: DE27 1005 0000 0220 2202 20 BIC: BELADEBEXXX Die DAH ist als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Spenden sind daher steuerabzugsfähig. Sie können die DAH auch unterstützen, indem Sie Fördermitglied werden. Nähere Informationen unter http://www.aidshilfe.de oder bei der DAH. Inhalt 5 Vorwort Sexualität im Wandel 7 Strukturwandel der Sexualität in den letzten Jahrzehnten Volkmar Sigusch 29 Zur Sozialgeschichte der Jugendsexualität in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Gunter Schmidt 39 Sexualität im Wandel Martin Dannecker 55 Häute, Häutchen und Membranen. Vorstudie zu einer „Dermatologie der Lüste“ aus männlicher Sicht Stefan Etgeton HIV und Homosexualität – alles ganz normal? 63 HIV und Homosexualität – alles ganz normal? Michael Bochow 3 75 Das Streben nach Männlichkeit als psychosozialer Risikofaktor Christopher Knoll 81 Safer Sex: Dranbleiben und weiterentwickeln! Susan Kippax, Kane Race 99 Lesbisch-schwule Aufklärungsarbeit an Schulen: das Engagement von FLUSS e.V. Gisela Wolf 111 „Alles normal – alles egal – was bleibt?“ Auszüge aus der Abschluss-Podiumsdiskussion zur Fachtagung „Sexualität wo-hin“ vom 15. bis 17. November 2002 zusammengestellt von Holger Sweers Die Macht der Bilder 127 Virtueller Sex und die uneindeutigen Folgen – ein systemtheoretisch inspirierter Ausblick Sven Lewandowski 131 Der Zwang zum Bild Marie-Luise Angerer 144 Sex ohne Maus – Internet schlägt Bars und Saunen Michael Lenz Schwul-lesbische Lebensweisen im Wandel 151 Homosexualität und Generativität – Lesben, Schwule und ihr Kinderwunsch Isabella Manuela Torelli 167 Blitzlicht: Wechseljahre. Irrungen und Wirrungen – auch für Lesben Antje Doll 171 Über schwule Erwachsene, zum Fetisch Jugend und zur Midlife-Crisis bei schwulen Männern Martin Dannecker 180 „Kann rosa Liebe gelingen?“ Bemerkungen zur Aufstellungsarbeit mit Schwulen und Lesben Diana Drexler 188 Perversion, Psychose und NLP Harald Krutiak 191 Das Sexuelle in (neuro-)logischen Ebenen Harald Krutiak 4 Sexualität zwischen den Kulturen 197 Ist er es – oder ist er es nicht? Zur Frage einer „schwulen“ Identität bei türkeistämmigen Migranten in der Bundesrepublik Koray YIlmaz-Günay Autorinnen und Autoren Vorwort 5 „Sexualität wo•hin? Hinblicke. Einblicke. Ausblicke“ – unter diesem Motto stand die gemeinsame Fachtagung der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. (DAH) und des Ver- bandes lesbischer Psychologinnen und schwuler Psychologen e.V. (VLSP), die vom 15. bis 17. November 2002 im Haus am Köllnischen Park in Berlin stattfand. In Workshop und Vortrag, Podiumsdiskussion und Erzählcafé ging es um grund- sätzliche Fragen nach dem Stand (wo?) und der Zukunft (wohin?) des Sexuellen: Sexualität und Identität, Sexualität und (andere) Kultur(en), Sexualität und Me- dien, Markt und Macht, Sexualität und Liebe und vieles mehr. Nachgedacht wur- de auch über aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf Sexualität, Gesundheitsförderung und HIV-Prävention – schließlich ist Sex nach wie vor der Hauptübertragungsweg für HIV; der Bogen spannte sich hier von der eingetragenen Lebenspartnerschaft bis hin zur Frage, welche Bilder von Gesundheit wir künftig brauchen. Auch die im vorliegenden Band wiedergegebenen Artikel (zum Teil Original- beiträge, zum Teil Nachdrucke von Texten, die bereits an anderer Stelle ver- öffentlicht worden sind) beschäftigen sich mit den im Titel dieser Fachtagung enthaltenen Fragen – aus der Perspektive der Soziologie, der Psychologie und Psychotherapie, der Sexualwissenschaft, der Philosophie, der Kultur- und Me- dienwissenschaften oder der Aufklärungs- und Präventionsarbeit, um nur einige zu nennen. Wir hoffen, mit dieser Veröffentlichung einen Beitrag zur Diskussion um dieses Ur-Phänomen zu leisten (das in unserem Kulturkreis „als kulturell- symbolische Form und als Begriff“ gleichwohl „erst seit etwa 200 Jahren, also seit wenigen Generationen“ existiert) und damit nicht nur den Dialog zwischen den verschiedenen Disziplinen, Kulturen und Welten zu befördern, sondern auch die Grundlagen und Bedingungen der (sexuellen) Gesundheitsförderung und der Prävention sexuell übertragbarer Krankheiten einschließlich HIV besser zu verstehen. Karl Lemmen (DAH) Jutta Schepers (VLSP) Holger Sweers (DAH) Klaus Tillmann (VLSP) 6 Sexualität im Wandel ––––––°–––––––––––––––––––– Strukturwandel der Sexualität 7 in den letzten Jahrzehnten Eine Übersicht1 Volkmar Sigusch Zusammenfassung: In den beiden letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts erfolgte in den Gesellschaften des Westens eine enorme kulturelle und soziale Transforma- tion der Sexualität. Sigusch nennt sie die „neosexuelle Revolution“. Bisher ist diese Transformation und Umwertung der Sexualität eher langsam und leise verlaufen. Ihre symbolischen und realen Auswirkungen sind aber möglicherweise einschnei- dender als die der schnellen und lauten sexuellen Revolution der 60er und 70er Jahre. Die neosexuelle Revolution zerlegt die alte Sexualität und setzt sie neu zusammen. Dadurch treten Dimensionen, Intimbeziehungen, Präferenzen und Sexualfragmente hervor, die bisher verschüttet waren, keinen Namen hatten oder gar nicht existier- ten. Insgesamt verlor die Kulturform Sexualität an symbolischer Bedeutung. Heute ist Sexualität nicht mehr die große Metapher der Lust und des Glücks. Sie wird nicht mehr so stark überschätzt wie zur Zeit der sexuellen Revolution, ist eher eine allge- meine Selbstverständlichkeit wie Egoismus oder Motilitäta. Während die alte Se- 1 Zuerst veröffentlicht in Fortschritte der Neurologie und Psychiatrie 2000; 68: 97–106; Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlags Georg Thieme, Stuttgart/New York. a Beweglichkeit xualität positiv mystifiziert wurde als Ekstase und Transgressionb, wird die neue ne- gativ mystifiziert als Missbrauch, Gewalt und tödliche Infektion. Während die alte Sexualität vor allem aus Trieb, Orgasmus und dem heterosexuellen Paar bestand, be- stehen die Neosexualitäten vor allem aus Geschlechterdifferenz, Thrills, Selbstliebe und Prothetisierungen. Aus der Unzahl der miteinander vernetzten Prozesse, die Neosexualitäten hervorbringen, werden drei herausgegriffen: die Dissoziationc der sexuellen Sphäre, die Dispersiond der sexuellen Fragmente und die Diversifikatione der sexuellen Beziehungen. Das Resultat der neosexuellen Revolution könnte als „Selfsex“ bezeichnet werden, der selbstdiszipliniert und selbstoptimiert ist. Einleitung Das Hauptwort „Sexualität“ findet sich weder in der Bibel noch bei Homer noch bei Shakespeare. Für die Sexualwissenschaft ist das kein Nebenbefund, sondern die Sache selbst. Als kulturell-symbolische Form und als Begriff existiert das, was wir „Sexualität“ nennen, erst seit etwa 200 Jahren, also seit wenigen Generatio- nen, und zwar nur im europäisch-amerikanischen Gesellschaftskreis als ein all- gemein Durchgesetztes und isoliert Dramatisiertes. Erst im 19. Jahrhundert erhält 8 die kulturelle Sexualform den ihr angemessenen Namen, einen Kollektivsingular, der die zahllosen Vorgänger von Venus bis Nisus verschlingt; erst dann wird das Adjektiv „sexuell“ (wie das Adjektiv „modern“) in den europäischen Sprachen sub- stantiviert: „Sexualität“ gibt es zuerst bei den Pflanzen, dann bei den Tieren, eine epistemischef
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