Fitness Krafttraining zur Gesunderhaltung – die Ursprünge © neko92vl - Fotolia.com „Ars gymnastica“ Die gesundheitliche Orientierung des Krafttrainings ist keine Antike schon in zahlreichen Plastiken neuzeitliche Erfindung. Neben dem leistungsorientierten und sichtbaren körper- bzw. muskelbilden- körperformenden Zugang zum Krafttraining existierte schon den Effekt – auch ein gesundheitsbezo- gener Ansatz existierte. seit der Antike immer auch ein gesundheitsbezogener Ansatz. Das schlug sich etwa schon in römi- Prof. Dr. Theodor Stemper nimmt uns mit auf eine Zeitreise scher Zeit in den Schriften des aus durch die Geschichte unserer heutigen Fitnesskultur. Pergamon stammenden griechischen Arztes Galenos (deutsch: Galen, 129 – ca. 200 n. Chr.) nieder, der ab 161 n. ie Historie des Fitnesstrainings zeichnet – geworden ist und somit in Chr. in Rom tätig war (vgl. Pauls, 2014, Din kommerziellen Anlagen ist im der Tat in diesem Sinne auch als „Sport S. 39). Nach griechischem Vorbild Gegensatz zu derjenigen der tra- für alle“ größte Bedeutung gewonnen empfahl er in seiner Heilgymnastik ditionellen Sportarten erst in Ansätzen hat, ist die Zahl der Veröffentlichungen unter anderem Widerstandsübungen – geschrieben. U.a. Bredenkamp, Kräger- noch überschaubar. vielleicht ein früher Verweis auf die mann und Urbansky zu Lauenbrunn Die gesundheitliche Orientierung spätere Entwicklung in den modernen (1993), Wedemeyer (1996), Wede- dieser Trainingsform ist aber keine Fitnessstudios, in denen bekanntlich meyer-Kolwe (2004), Dilger (2008), Klä- neuzeitliche Erfindung, wie der fol- ebenfalls neben dem gezielten leis- ber (2013) und Pauls (2014) haben gende Rückblick verdeutlicht. tungssportlichen Ausdauer-, Kraft-, über die Geschichte des Krafttrainings Beweglichkeits- und Koordinationstrai- geschrieben. Obwohl diese Form des Ein Blick in die ning körperformendes und nach und Trainings aktuell, also in der zweiten Geschichte des Kraftsportes nach auch immer mehr gesundheits- Dekade des 21. Jahrhunderts, hinsicht- Ein Blick in die Geschichte des Kraft- orientiertes Krafttraining praktiziert lich der offiziellen Mitgliederzahlen in sports zeigt, dass zu allen Zeiten schon werden sollte. Deutschland zur populärsten freiwillig neben dem leistungsorientierten und Eine deutliche, gesundheitliche gewählten körperlichen Aktivität – körperformenden Zugang zum Kraft- Akzentuierung findet sich dann in spä- gelegentlich auch als „Sportart“ be - training und dem vor allem in der teren Jahren auch beim italienischen 80 F&G 7/2017 Fitness Arzt Mercurialis (1530-1606) in seiner waren. In dieser Tradition kamen die Schwergewicht, nicht die Muskulöses- „Ars gymnastica“, in der er, auf die anti- durch Gustaf Jonas Wilhelm Zander ten, wenngleich Massigsten, bei aller- ken Quellen zurückgreifend, ebenfalls entwickelten Krafttrainingsmaschinen dings nur geringer „Muskeldefinition“. Widerstandstraining empfiehlt – außer mit variablen Widerständen zum Ein- Der Aufschwung der aktivitätsbezo- mit Hanteln auch mit sandgefüllten satz, erstmals 1865 in Stockholm und genen Körperkultur, die auch eine der Säcken (vgl. Diem, 1960; Todd, 1995). ab 1884 fanden sie auch in Deutsch- Wurzeln für die modernen kommerziel- Dieser Tradition folgten in den näch- land in kommerziellen Trainingsein- len Fitnessanlagen ist, erfolgte stets sten Jahrhunderten bis in die Neuzeit richtungen weite Verbreitung. „Zan- parallel zur Popularisierung der Schwe- dann auch weitere Ärzte in England, dern“ konnte man dann zu Beginn des rathletik und Zirkusakrobatik in der Frankreich (z.B. John Paugh, Joseph 20. Jh. in über 200 Instituten. Zeit von etwa 1880-1930. Nicht zu Clément Tissot im 18. Jh.) und Alternativ dazu empfahl in Deutsch- Unrecht gilt diese Zeit daher als die Deutschland, die schon frühzeitig die land der Pädagoge und Orthopäde „Ära der Kraftmenschen und (Hervor- heute üblichen Körperübungen zur Daniel Gottlieb Moritz Schreber (1808- hebung TS) des Muskelkults“ (Pauls, Prävention und auch zur Behandlung 1861, u.a. auch Namensgeber der zu 2014, S. 43). Nicht mehr die Kraftleis- verschiedener Erkrankungen empfah- seinen Ehren so genannten „Schreber- tung stand jetzt im Vordergrund, son- len. gärten“) neben Heilgymnastik auch dern die Präsentation des muskulösen Nicht zuletzt dadurch wurde das aktive, kräftigende Übungen an deut- Körpers per se (Wedemeyer, 1996; Klä- Training mit Kurzhanteln in Europa schen Turngeräten sowie ein Heim - ber, 2013, S. 124 ff.). Dieser muskulöse und parallel dazu auch in den USA programm zur Prävention für Gesunde Körper war anfangs eher noch durch zunehmend populär, wo ebenfalls etli- (vgl. Pauls, 2014, S. 43 ff.). und für die Bewältigung der schwerath- che Ärzte Muskelkräftigung propagier- Und auch bei vielen Vertretern der letischen Übungen antrainiert worden. ten (vgl. Pauls, 2014). „Lebensreformbewegung“ (s.u.) diente Aber auch von zahlreichen Pädago- Krafttraining nicht nur zur Körper - Fitness für ein gen ist der Wert von Kräftigungsübun- formung, sondern, z.T. damit zu - langes, gesundes Leben gen schon früh erkannt und betont sammenhängend, immer auch zur Einen besonderen Einfluss hatten hier worden, so etwa von Rousseau, der Gesunderhaltung. die Aktivisten der Lebensreformbewe- Kraftentwicklung für die Gesundheit gung an der Wende zum 20. Jahrhun- von Geist und Seele empfahl, was u.a. Körperformung zwischen dert, die den Körper in einer als „krank“ durch Steinstoßen und Gewichtheben Leistung und Gesundheit diagnostizierten Gesellschaft aus sei- erfolgen sollte, oder von den Philantro- Krafttraining und Körperformung, bzw. ner Knechtschaft befreien wollten (vgl. pen, allen voran GutsMuths und Vieth Muskelkraft und Muskelmasse, können ausführlich dazu Wedemeyer-Kolwe, (vgl. dazu auch Pauls, 2014, S. 40 ff.). sowohl symbiotisch als auch konträr 2004). Wer und was diese Knechtschaft gesehen werden. Während im Altertum bewirkt hatte, war strittig, doch vorwie- Durchbruch Prof. Dr. Theodor Stemper Krafttraining und Muskelformung gend wurden die Körperfeindlichkeit Sportwissenschaftler an der im 19. Jahrhundert immer als gleichwertige Korrelate des Christentums als auch die Zwänge Bergischen Universität Wup- Das 19. Jahrhundert gilt danach als die erachtet wurden (vgl. Kläber, 2013), hat des körperverachtenden Lebens in der pertal, 1. Stellvertretender Zeit, in der es endgültig zur weiten Ver- es seit der Neuzeit sowohl hinsichtlich aufkommenden Industriegesellschaft Vorsitzender des Bundes- breitung des Krafttrainings unter der Trainingsmilieus als auch der Trai- angeklagt. verbandes Gesundheits - gesundheitlicher Zielsetzung kam. ningsmethodik ein deutliches Ausein- Die ungeheuer vielfältigen Ausrich- studios Deutschland e.V. In Europa wurde diese Entwicklung anderdriften dieser beiden Ausrichtun- tungen der Lebensreformbewegung, (BVGSD) und Ausbildungs- direktor des DFAV e.V. vor allem durch die medizinische Aus- gen gegeben. zum Teil mit politischen und spirituel- richtung (neben pädagogischer, militä- Prototypisch sind hier Bodybuilder len Überformungen, ordnet Wede- rischer und ästhetischer) der schwedi- und Gewichtheber sowie auch Kraft- meyer-Kolwe (2004) grob in vier Ansät- schen Gymnastik des Pehr Henrik Ling dreikämpfer zu nennen, die auf unter- zen mit dazu sinnstiftenden Prinzipen: (1776 –1839) befördert, in der Wider- schiedliche Trainingsziele hinarbeiten ■ Harmonische Gymnastik („Rhyth- standsübungen fester Bestandteil (vgl. Stemper, 2006). Die einen setzen mus“), vorwiegend die Programme für immer ■ asiatische Übungspraxis („spirituelle größere Muskelhypertrophie bzw. Mus- Erfahrung“), kelmasseaufbau ein, die in langjähriger ■ Freikörperkultur (FKK; „Licht und Trainingspraxis entwickelt worden sind Luft“) (mehrere Trainingssätze bzw. Serien ■ und nicht zuletzt Bodybuilding- und mit ca. 8-12 Wiederholungen des 1er Fitnessbewegung („Kraft und Schön- Wiederholungsmaximums, WM), häu- heit“). fig in extremer Ausprägung als „heavy duty“ Programme mit Intensivierungs- Vor allem die Vertreter des letzt - techniken (vgl. z.B. Schwarzenegger, genannten Ansatzes sahen einerseits 1993; vgl. Boeckh-Behrens & Buskies, in der Fitness deren Potential für ein 2000). langes, erfolgreiches, gesundes Leben Die anderen, die ‚Schwerathleten’, und andererseits, zum Teil in Verbin- intendieren dagegen die Steigerung dung mit den anderen Ansätzen, der Muskelkraft, was vor allem höchste konnte sich der fitnesstrainierte Körper Trainingsintensitäten im Bereich des auch sehen lassen und präsentiert wer- sogenannten intramuskulären Koordi- den – ein Aspekt, der auch in der heuti- nationstrainings (IK) erfordert (domi- gen Zeit manchem sterilen Gesund- nant 1-5 Wdh. des 1 RM). heitsversprechen im wahrsten Sinne Bodybuilder sind daher trotz extre- zusätzliche Attraktivität verleiht. Eine Kraftmaschine des schwedischen mer Muskelmasse nicht die Stärksten - Die bekanntesten Protagonisten die- Arztes Gustav Zander und Schwerathleten, vor allem im ser Zeit waren vor allem der als „Athle- F&G 7/2017 81 Fitness tenvater“ bekannte Theodor Siebert, Max Sick mit seiner Methodik des iso- metrischen Trainings und des damit verbundenen Posings als Vorform des Wettkampf-Bodybuildings, Georg Hackenschmidt als weltweit erfolg - reicher Ringer und Trainingsmethodi- ker („Hackenschmidt-Kniebeuge“) wie auch Philosoph, Max Unger (genannt Lionel Strongfort) und der in Brüssel tätige deutschstämmige Sportlehrer und Kraftathlet Louis Dürlacher, der zugleich Trainer von Karl Friedrich Mül- ler war, der besser unter seinem Künst- lernamen Eugen Sandow bekannt war. Karl Friedrich Müller
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