Der Altar Von Schloss Tirol Und Seine Rückseite. Eine Miszelle Zu Neuen Forschungsaspekten

Der Altar Von Schloss Tirol Und Seine Rückseite. Eine Miszelle Zu Neuen Forschungsaspekten

ZOBODAT - www.zobodat.at Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database Digitale Literatur/Digital Literature Zeitschrift/Journal: Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen Jahr/Year: 2011 Band/Volume: 4 Autor(en)/Author(s): Hörmann-Thurn und Taxis Julia, Meighörner Wolfgang, Mersiowsky Mark Artikel/Article: Der Altar von Schloss Tirol und seine Rückseite. Eine Miszelle zu neuen Forschungsaspekten. 73-82 © Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck download unter www.biologiezentrum.at Abb. 1: Foto: Peter Daldos – 3D-Pixel GmbH. © Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck download unter www.biologiezentrum.at Der AltAr von SchloSS tirol unD Seine rückSeite eine Miszelle zu neuen Forschungsaspekten Julia Hörmann-Thurn und Taxis, Wolfgang Meighörner, Mark Mersiowsky Abstract Als Geschenk Erzherzog Johanns kamen 1826 die Altarflügel und 1827 die Nischentüren an das Tiroler Landesmuseum The oldest surviving triptych of the alpine area is the one of Ferdinandeum; der Schrein wurde ebenfalls 1826 von der Tyrol Castle. Its presentation in the exhibition “Art Treasures Stadt Meran angekauft. Allerdings blieb der Altar nicht im of the Medieval Ages” showed for the first time in ages the Besitz des Museums, er wurde 1828 an das Stift Wilten zur back of the altar with its abundance of inscriptions from the Ausstattung der Kirche St. Bartlmä abgegeben und kehrte 15th to the 17th century. This inspired to an interdisciplinary erst 1938 als Leihgabe wieder in das Landesmuseum zurück. research project which is about to start. The project also So gilt dieser Altar heute in vielfacher Hinsicht als Prunk- includes the text fragments which were glued to the wooden stück des Ferdinandeum: als frühes Sammlungsinventar, corps. One of the fragments – an oratio – leads to St. Hed- als kunsthistorisches Schlüsseldokument und als Dokument wig of Silesia and her daughter Elisabeth’s religious tradition der Tiroler Landesgeschichte. 1363 war die Grafschaft Tirol among the predecessors of the counts of Tyrol and Gorizia. von Margarete „Maultausch“ an Herzog Rudolf IV. von Another aim is to check out whether at least some of the Österreich, den Stifter, übergeben worden, der aber schon inscriptions can be related to similar inscripted artworks like bald starb. Der Altar wurde von den habsburgischen Brüdern St. Stephan in Obermontani or St. Jakob in Castellaz. Herzog Albrecht III. und Leopold III., die nach dem Tode Mar- So the exhibition initiated an interdisciplinary project and garetes 1370 gemeinsam eine Huldigungsreise nach Tirol shows the opportunities of cooperation between universities unternahmen, gestiftet, und zwar an einem symbolischen and museums. Ort: der Kapelle des Schlosses Tirol, des Stammsitzes und der Residenz der Grafen von Tirol.1 Der AltAr GrunDsätzliches Der Altar von Schloss Tirol ist der älteste vollständig erhal- tene Flügelaltar des Alpenraums und gilt als Erzeugnis eines Die Erarbeitung und die Präsentation von Ausstellungen von böhmischer Hofkunst beeinflussten Wiener Hofmalers. gehören zu den vier Grundaufgaben, die nach den Regeln 1 Eine Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstandes bei Gürtler, Eleonore: Altar von Schloss Tirol, um 1370/72, in: Meighörner, Wolfgang (Hg.): Kunstschätze des Mittelalters. Katalog Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck 2011, S. 32–45. Zu Margarete zuletzt Hörmann- Thurn und Taxis, Julia (Hg.): Margarete „Maultasch“. Zur Lebenswelt einer Landesfürstin und anderer Tiroler Frauen des Mittelalters. Vorträge der wissenschaftlichen Tagung im Südtiroler Landesmuseum für Kultur- und Landesgeschichte Schloss Tirol, Schloss Tirol, 3.–4. November 2006 (= Schlern-Schriften 339), Innsbruck 2007. 73 © Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck download unter www.biologiezentrum.at Abb. 2. des International Council of Museums (ICOM) Museen zu Künstler ein deutliches Herrschaftssignal der erst seit 1363 erfüllen haben – wenn sie denn die Bezeichnung „Museum“ in Tirol herrschenden Habsburger war. Er weist zudem verdientermaßen tragen wollen. Damit soll sichergestellt eine Fülle von außergewöhnlichen Details auf, die neben werden, dass die Museen als kollektive Gedächtnisse der gesellschaftsstrukturellen und sozialgeschichtlichen Aspek- dinglichen Überlieferung sich vorwiegend mit den ihnen ten (etwa der hl. Joseph als „Hausmann“) auch sehr neue anvertrauten Beständen auseinandersetzen. Diese Ausein- Details wie etwa den Brillenträger umfassen.2 andersetzung kann (und sollte!) möglichst viele Forschungs- Die Planungen zur Ausstellung „Kunstschätze des Mittelal- aspekte einbeziehen. Dies meint im Falle des Altars von ters“, die 2011 eröffnet wurde und deren Ansatz es war, die Schloss Tirol neben der klassischen kunsthistorischen For- z. T. langjährig deponierten Bestände des Ferdinandeums schung natürlich auch die Einbindung historischer Entwick- wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sahen vor, lungen, Fertigungstechniken sowie Konservierungsaspekten neben einer überwiegenden Mehrheit von Depot-Stücken – letztere auch im Hinblick auf die Bewahrungsaufgabe von auch tragende Werke aus der Dauerausstellung einzubezie- Museen. Die vernetzte, interdisziplinäre Betrachtung ist im hen. Der Altar von Schloss Tirol war dabei von Anfang an vorliegenden Fall insbesondere deshalb von Bedeutung, weil gesetzt, zählt er doch zu den herausragenden Stücken der der Altar neben seiner offenbar aus Böhmen beeinflussten Sammlung. 2 Vgl. dazu Gürtler: Altar von Schloss Tirol (wie Anm. 1), S. 32–45 (mit weiterführender Literatur). 74 © Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck download unter www.biologiezentrum.at Der Altar war auch bei der Neuaufstellung 2003 im Tiroler sGrAffitti Als forschunGsGeGenstAnD Landesmuseum Ferdinandeum im zentralen Rundraum im ersten Obergeschoss ausgestellt (Abb. 2).3 Seine Position Die moderne Geschichtswissenschaft hat ihren Blick schon verhinderte ein Umgehen des Altars; die Rückseite war dem lange nicht mehr auf die klassischen Haupt- und Staatsak- Betrachter verborgen. So blieben auch die umfangreichen tionen zentriert, sondern weitere, heute vor allem kulturge- Inskriptionen auf der Rückseite weitgehend unbeachtet; schichtlich orientierte Fragestellungen entwickelt.4 Die Rück- auch die Reste einer wohl älteren Oratio, die auf der Rück- seite des Altars, die lange nicht sichtbar war, ist von einer seite aufgeklebt ist, wurden bislang nicht eingehender Vielzahl von Kratzinschriften bedeckt, die man vorschnell als untersucht. Zeugnisse von Vandalismus abtun könnte. Sicher wurden Um Aspekte des ältesten im Alpenraum erhaltenen Flügel- sie deshalb bisher kaum beachtet. Sicher war es auch eine altars auch einer breiteren Öffentlichkeit leicht verständlich Verschiebung der Akzente, die sich jetzt auch Historiker mit zu machen, wurde eine hochauflösende Fotodokumentation konkreten Objekten und nicht nur mit Texten beschäftigen in Auftrag gegeben (Abb. 1), die auch die Öffnungs- und lässt. Gerade unter kulturgeschichtlichem Gesichtspunkt Schließvorgänge des Altars nachvollziehbar darstellen ließ. erwies sich der neu zugängliche Altar ebenfalls als ein Um alle derzeit verfügbaren technischen Möglichkeiten Schlüsseldokument, denn unter modernen Fragestellungen gleich vorab auszunutzen, wurden noch IRR- und UV- sind diese vielen Inschriften potentiell Ego-Zeugnisse und Aufnahmen von der Rückseite resp. von Teilen davon in der künden von der Rolle des Individuums wie der Geschichte hauseigenen Restaurierungswerkstatt angefertigt. Nach der des Tourismus.5 So erhalten die bislang allenfalls Stirnrun- Betrachtung der Aufnahmen war es nur ein kleiner Schritt, zeln auslösenden Befunde der Rückseite des Altars ganz sich mit Kolleginnen und Kollegen über die erstaunliche Fülle neue Bedeutung. Unter dem frischen Eindruck des Denkmals von Ritzungen auf der Rückseite, deren zeitliche Einstufung, bildete sich eine Arbeitsgruppe interessierter Historiker des deren Bedeutung und deren Herkunft abzusprechen. Mögli- Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum und der Leopold-Fran- cherweise konnten die Informationen auf der Altarrückseite zens-Universität Innsbruck, Institut für Geschichtswissen- ja Hinweise auf die Inskribenten, konnte aus der „Gestal- schaften und Europäische Ethnologie, die sich dieser Quelle tung“ der Rückseite noch Erhellendes zum Altar selbst und annahm und schnell weitere Kollegen für die Mitarbeit inter- dessen Zeit auf Schloss Tirol herausgefunden werden. essieren konnte. Die Vielzahl der Ritzinschriften kann nur Denkbar wäre etwa die Entschlüsselung eines möglichen mit großem Arbeitsaufwand adäquat erschlossen werden, Zusammenhangs einzelner Inskriptionen mit der Entste- wofür erst ein geeigneter Rahmen geschaffen werden muss. hung oder/und dem Programm des Altars. Vielleicht lassen Als ersten Schritt haben sich die Autorin und die Autoren sich darüber hinaus einige der Personen, die sich auf der zusammengesetzt, um die Bedeutung dieses Fundes einem Altarrückseite „verewigten“, auch an anderen „Kulturorten“ größeren Publikum vorzustellen, Umrisse des zukünftigen (Kirchen, Burgen etc.) nachweisen, wo sie ebenfalls Spuren Vorhabens zu skizzieren und gleichzeitig einen ersten Ertrag ihrer – touristischen? – Präsenz hinterließen. zu sichern. Zu diesem Behufe haben sie sich den aufgekleb- 3 Vgl. Ammann, Gert: Von der Offenbarung des Glaubens, in: Ferdinandeum. Museum im Zeughaus. Begleiter durch die Schausammlungen, Innsbruck 2003, S. 56–57. 4 Vgl. nur mit weiterer Literatur Landwehr, Achim: Kulturgeschichte, Stuttgart 2009. 5 Mit Ritzinschriften an historischen

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