SONNABEND 15. MAI 2021 Sport 21 WERDER AKTUELL „Ein Ritt auf der Rasierklinge“ Mit Toprak, Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel über Werders finanzielle Lage und Anleihen für Privatanleger aber ohne Veljkovic Rudolf Hickel (79) Was schlagen Sie vor? Bremen. Es war die große Überraschung war Professor für Finanz- Werder muss in Richtung eines Investoren- während der Pressekonferenz am Don- wissenschaft und Direk- Modells denken. Aber da ist einfach keine nerstag: Abwehrchef Ömer Toprak, so tor des Instituts Arbeit Lösung in Sicht. Deshalb sieht Klaus Filbry, verkündete es Werder Bremens Trainer und Wirtschaft (IAW) der der die Vermögensverhältnisse und die Ge- Florian Kohfeldt, steht nach seiner Wa- Universität Bremen. Der winn- und Verlustrechnung vorbildlich of- denverletzung für das so wichtige Aus- OCH Werder-Fan macht sich fengelegt hat, aktuell nur die Rettung durch wärtsspiel beim FC Augsburg (Sonn- :K große Sorgen um seinen den Zugriff auf die Finanzmärkte. Wie er abend, 15.30 Uhr) wieder zur Verfügung. TO Lieblingsklub. sich da als Emittent einer Anleihe reinge- Ob es beim 31-Jährigen für einen Einsatz FO hängt hat, das zeigt auch, wie groß der Druck in der Startelf reicht, ließ Kohfeldt aller- Herr Hickel, würden Sie sich nach der Lek- sein muss. dings offen. Und Skepsis ist durchaus an- türe des Wertpapierprospekts die Werder- gebracht. Denn mit Topraks genereller Anleihe kaufen? Wie hoch schätzen Sie das Risiko einer In- Verletzungsanfälligkeit ist das Risiko ver- Rudolf Hickel: Wenn ich ein eiskalt kalku- solvenz ein? bunden, dass der Innenverteidiger nach lierender Vermögensmanager wäre, würde Das hängt maßgeblich vom sportlichen Ab- zu viel Spielzeit in Augsburg für das Sai- ich das Papier nicht empfehlen. Der Zinssatz schneiden ab. In der Zweiten Liga wird die sonfinale gegen Borussia Mönchenglad- ist mit sechs bis 7, 5 Prozent überraschend Rasierklinge noch schärfer. Übrigens geht bach und eine mögliche Relegation im hoch, aber das Risiko auch sehr groß. Als der Prospekt zu dieser Schuldverschreibung Anschluss wieder ausfällen könnte. Werder-Fan würde ich es durchaus empfeh- vom Klassenerhalt aus. Wenn das nicht ge- Nach den defensiv mehr als ordentli- len, weil dahinter sehr viel Herzblut steckt. lingt, dann muss die Rechnung komplett neu chen Auftritten gegen RB Leipzig und Nachdem es zu Sicherung der Zahlungsfä- aufgemacht werden. Bayer 04 Leverkusen dürften die Bremer higkeit kurzfristig keine Alternativen gibt, dürften auch beim FC Augsburg wieder unterzieht Werder sein Geschäftsmodell Wo sehen Sie Werder in fünf Jahren? auf eine Viererkette vor Torhüter Jiri Pav- dem Härtetest der Finanzmärkte. Diesen Be- Schwierig. Die Antwort werden viele nicht lenka setzen. Theodor Gebre Selassie und freiungsschlag finde ich mutig. Ich habe gerne hören, aber es gibt im Prinzip ja nur Ludwig Augustinsson sind jeweils außen noch nie so eine totale Transparenz des SV drei Möglichkeiten. Erstens: Der Verein exis- gesetzt. Allerdings muss Werder auf In- Werder durch die Vorlage des Prospektes zu tiert nicht mehr, weil er in die Insolvenz ge- nenverteidiger Milos Veljkovic verzich- dieser Anleihe mit dem Titel „Kontrollierte gangen ist, oder er spielt zumindest im Profi- ten. Der 25-Jährige stieg am Freitagnach- Offensive“ geboten bekommen. Fußball keine relevante Rolle mehr. Zwei- mittag am Bremer Flughafen nicht mit in tens: Werder wurschtelt sich irgendwie die Maschine ein, mit der der grün-weiße Aber diese Transparenz offenbart auch durch und bleibt in der ersten oder zumin- Tross gen Süden reiste. „Milos hatte große Probleme. dest in der zweiten Liga. Drittens: Werder leichte Probleme aus dem Spiel gegen Le- Das stimmt, die Zahlen sind alarmierend. knüpft wieder an die erfolgreichen Zeiten verkusen. Es wird sich heute oder morgen Ein zum 30. Juni prognostiziertes negatives an. Letzteres schließe ich allerdings derzeit entscheiden, ob er vollumfänglich zur Eigenkapital von 26 Millionen Euro und Ver- aus. Das Risiko, dass Werder das nicht über- Verfügung steht“, hatte Cheftrainer Flo- bindlichkeiten von fast 75 Millionen Euro lebt, darf nicht verschwiegen werden. rian Kohfeldt bereits am Donnerstag er- sind schon heftig. Die Finanzierung ist ein klärt. Nun herrscht offenbar Gewissheit, Ritt auf der Rasierklinge. Es heißt doch, dass Bremen und die Bremer ihren SV Werder nicht untergehen lassen. ANZEIGE Werder betont stets, dass die Einnahmever- Es steht außer Frage, dass Werder einen im- luste durch die Corona-Pandemiediefinan- mensen Wert für die Stadt und die Menschen zielle Schieflage verursacht haben. hat – auch materiell. Der Werbewert für Bre- Ja. Der Verein steckte 2015 schon mal in der men soll jährlich bei 50 Millionen Euro lie- Krise, hat sich dann bis 2019 aber ganz gut gen, und es verdienen ganz viele Branchen Im Herzen erholt. Da haben Klaus Filbry (Werder-Boss, bei Werder mit. Vorsichtig formuliert beob- Anm. d. Red.) und seine Leute einen guten achte ich aber, dass das Paradigma, Werder Job gemacht und sind leicht über der gehört zu Bremen wie die Weser, nicht nur schwarze Null hinausgelangt. Aber die Si- in der Bremer Politik bröckelt. Bremen steht grün-weiß cherung der Zahlungsfähigkeit war auch in durch die Verluste an Steuereinnahmen in- dieser Phase immer eine stressige Aufgabe folge der Pandemie, aber auch der Schulden- Klassenerhalt: des Managements. Da trifft dich so eine Pan- bremse selbst finanziell so unter Druck, dass demie natürlich besonders hart, vor allem einfach das Geld fehlt, um Werder finanziell Wirschaffen wenn du keine Investoren hast, die Geld zu- zu helfen. Die Landesbürgschaft war wahr- das! schießen können. Der SVW ist wie viele an- scheinlich der letzte Akt der direkten Unter- dere Unternehmen ohne eigenes Verschul- stützung. Dieses sichere Ticket, dass die Poli- den mit Einnahmeausfällen von über 35 Mil- tik Werder hilft, um aus der Patsche zu kom- lionen Euro konfrontiert worden. Deswegen men, dieses Ticket gibt es nicht mehr. habe ich auch die Landesbürgschaft für den dass es nicht reicht. In der Innenverteidi- 20-Millionen-Euro-Kredit ordnungspolitisch Ab Montag können auch Privatanleger die Anleihe des SV Werder zeichnen. FOTO:EWERT/NPH Aber es gibt ja auch die Fans. gung könnte dann neben Niklas Moisan- unterstützt. Doch klar war von Anfang an, Das ist richtig. Aber die Stimmung droht zu der der wieder einsatzbereite Marco dass dieses Kreditvolumen nicht ausreichen über zehn Millionen Euro zusammengekom- zumindest der Deal absolut klar. Die Ge- kippen. Die schlechten sportlichen Leistun- Friedl zum Einsatz kommen. wird. Die Deckungslücke muss aber gestopft men sind. Ich bin aber skeptisch, was nun schäftsführung hat einen differenzierten gen der vergangenen Jahre haben aufs Fan- Im defensiven Mittelfeld hatte sich werden, um die Lizenz, die bisher nur vor- die institutionellen Investoren betrifft. Ein Plan zum Gelingen der Finanzierung vorge- Gemüt geschlagen. Dann auch noch die Christian Groß zuletzt Lob verdient. Ihn behaltlich gegeben wurde, nicht zu gefähr- Pensionsfonds oder ein US-Investment- legt. Aber dazu sind viele riskante Annah- Geisterspiele, durch die sich die Fans von wird Kohfeldt nicht aus dem Team neh- den und eine Insolvenz zu vermeiden. Da ist fonds, der auf harte Kriterien der Bonität men gesetzt worden. Alles hängt vom Erfolg ihrem Klub entfernt haben. Es gibt nicht men. Gleiches gilt wie immer für den Ach- die Anleihe alternativlos. setzt, wird so ein Papier nicht in sein Portfo- des SV Werder ab, und das kann man jede mehr diese Kollektiv-Gewissheit in Bremen: ter Maximilian Eggestein. Für die Rolle lio übernehmen. Man braucht hier eben Woche sehen. Ein wunder Punkt für mich ist „Wir müssen Werder unbedingt retten.“ Das an dessen Seite kommen mehrere Kandi- Warum gibt es keinen weiteren Kredit? auch immer eine Sympathie für den Klub. dabei das Einnahmeziel auf dem Transfer- muss der Klub selbst machen. Dabei kann daten infrage. Je nach Ausrichtung dürfte Weil das Land keine weitere Bürgschaft ge- markt. 9,4 Millionen Euro bis Ende Juni man positiv festhalten: Klaus Filbry versucht die Wahl auf Kevin Möhwald (eher defen- ben kann. Aber ohne Bürgschaft hätte Wer- Also Fans? netto, also aus den Verkäufen und Einkäu- das mit der Anleihe auch. Ob dies ein Er- siv) oder Leonardo Bittencourt (eher of- der horrende Zinsen für einen Bankkredit Durchaus, allerdings welche, die sich mit fen von Spielern, ist kaum machbar. Danach folgsmodell für die Zukunft ist, bleibt offen. fensiv) fallen. Im Angriff hatte Kohfeldt zahlen müssen. In diesem Vergleich vermes- diesem Geschäft auskennen. Die sechs Pro- soll es ja weitere Verkäufe geben. Am Ende Die Belastungen durch Zinsen werden jüngst auf Davie Selke und Niclas Füll- sen, sind die mindestens sechs Prozent, die zent sind eine Traumverzinsung. Wenn ich hat man dann vielleicht zwar das nötige enorm sein. Ich bin gespannt, wie Werder krug von Beginn an gesetzt. Es ist wahr- Werder bei der Anleihe künftig jährlich fi- nach solchen Renditen gefragt werde, lautet Geld, aber auch die halbe Mannschaft ver- das dauerhaft meistern will. Sportlicher Er- scheinlich, dass sie in Augsburg erneut nanzieren muss, noch vergleichsweise nied- meine Antwort eigentlich immer: Bei einem kauft. Und wir sind uns doch alle einig: Diese folg würde sicherlich das Klima der fiskali- die Nase vorn haben werden. Zwar konn- rig. Positiv ist auch, dass in der ersten Runde, Angebot von fünf Prozent oder mehr kön- Mannschaft muss eigentlich verstärkt und schen Absicherung des SVW verbessern. ten die Stürmer zuletzt nicht mit Toren als ausgesuchte Investoren und Werder- nen Sie Ihr Geld auch gleich in der Weser ver- darf nicht noch weiter geschwächt werden, glänzen (ganz im Gegenteil: beide warten Freunde angesprochen worden sind, schon senken, so riskant ist das meistens. Hier ist um wettbewerbsfähig zu sein. Das Gespräch führte Björn Knips. schon ziemlich lange auf ihren nächsten Treffer), doch hatten sie ihren Coach mit Einsatzbereitschaft und Auftreten über- DIE BUNDESLIGA-KOLUMNE zeugt. Für die etwas zurückgezogene Rolle hinter den Spitzen bietet sich erneut Wem die Knie weniger schlottern Josh Sargent an. DCO Jörg Wontorra Sache geklärt, und Werder gehört weiter Unentschieden in Düsseldorf. Wenn die dabei an Kleinigkeiten hängen.
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