SWR2 Musikstunde

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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Musikstunde Der Deutsche Orpheus (2) Heinrich Schütz zum 430. Geburtstag Hofkapellmeister im Krieg Von Anette Sidhu-Ingenhoff Sendung: Mittwoch, 08. April 2015 9.05 – 10.00 Uhr Redaktion: Bettina Winkler Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Musik sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für € 12,50 erhältlich. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de 2 Mittwoch 8.4.2015 9.05-10.00 Uhr SWR 2 Musikstunde mit Anette Sidhu-Ingenhoff Der Deutsche Orpheus (2) Heinrich Schütz zum 430. Geburtstag Hofkapellmeister im Krieg Signet…ANSAGE: mit Anette Sidhu-Ingenhoff. Heute: Der deutsche Orpheus: Heinrich Schütz zum 430. Geburtstag. 2. Teil – Hofkapellmeister im Krieg. Moderation 1 Mit dem Prager Fenstersturz und dem Aufstand der protestantischen Stände in Böhmen bricht über die deutschen Fürstentümer ein fürchterlicher Krieg herein. Aber Heinrich Schütz verlobt sich in diesen Zeiten erst einmal mit Magdalena Wildeck, Tochter aus gutem Hause eines kurfürstlichen Steuerbuchhalters. Am 1. Juni 1619 will er Hochzeit feiern. Der Einladung zum Fest legt er jeweils einen frischen Druck der Psalmen Davids bei. Eine kühne Verknüpfung weltlicher und geistlicher Inhalte, aber: die Eingeladenen lassen es an Anerkennung nicht fehlen. Aus Weißenfels, Naumburg, Chemnitz, Magdeburg und Zeitz kommen Glückwünsche und Geschenke. Sie zeigen, wie bekannt der respektable Kapellmeister von Dresden inzwischen ist. Dazu kommt: es ist eine Liebeshochzeit, die gerade mal 18-jährige Magdalena ist jung und schön und wird eine Kraftquelle für Heinrich Schütz sein. Zeitzeugen erzählen, wie stürmisch sie ihm abends entgegen kommt, wenn er von Dienst und Probe heimkehrt, sie begleitet ihn am Clavichord, sie kümmert sich um die Chorknaben: auszubildende junge Sänger wohnen zu der Zeit noch in der Familie des Kantors. „Die schöne Wildeckin und ihrer Augenschein“ wird sogar von befreundeten Dichtern wie David Schirmer in Versen gerühmt. Recht schnell hintereinander bekommen die Eheleute 2 Töchter, Anna Justina und Euphrosyne. 3 Musik 1 4:03 Psalmen Davids Alleluja Dresdner Kammerchor / Dresdner Barockorchester Ltg: Hans-Christoph Rademann Nur Soli: „Lobet ihn mit Saiten und Pfeifen“ Alleluja! Lobet den Herren in seinem Heiligtum, SWV 38 "Alleluja! Lobet den Herren in seinem Heiligtum" M0366497 Moderation 2 Ein Ausschnitt aus Psalm 150 mit dem Dresdner Kammerchor. Wenn man die Vielfalt der Musik betrachtet, die Schütz in den ersten Dienstjahren dem Dresdner Hof bereitstellt, so deutet nichts darauf hin, dass die Arbeitsbedingungen und reichen Entfaltungsmöglichkeiten von Chor, Orchester und Kapellmeister irgendwie zu wünschen übrig ließen. Noch einige Jahre lang gibt es kaum Anzeichen dafür, dass die künstlerischen Aktivitäten in Dresden eingeschränkt sind. Doch Anfang der 1620er Jahre schreibt Burckhardt Großmann, ein Verleger Heinrich Schütz‘, der auch Werke von Melchior Franck, Michael Praetorius und Johann Hermann Schein veröffentlicht: „Sonsten hat der partirische Mercurius diese publicationem zum wenigsten zwey Jahr verhindert, in deme er nicht nur Gold und Silber entziehet, sondern …auch …Pappirmühlen, Druckereyen vnd Buchläden gesperret…und die freyen Künste getilget vnd vnterdrücket“ hat. Nicht am Hof, aber im privaten Leben waren die Folgen des Kriegsausbruchs bald spürbar. Und 1625 schreibt Schütz eine kollektive Bittschrift an Johann Georg I.: man möge die rückständige Besoldung an die Musiker auszahlen. Die gewaltigen Kriegskosten mußten irgendwann zu Einsparungen führen. Was Schütz jedoch noch tiefer trifft, als der Krieg, ist ein persönlicher Schicksalsschlag. Nur wenige Jahre sind ihm und Magdalena vergönnt. Am 6. September 1625 stirbt die gerade mal 24-Jährige an den Blattern. Der sonst eher unterkühlte Hofprediger Matthias Hoë von Hoënegg (spr. Hoeneck) ringt um Worte: „Gott sey es geklaget, meine Harffe ist eine Klage vnd meine Pfeiffe ein Weinen worden.“ Das Erstaunliche ist: den Wiederhall persönlicher 4 Gefühle wird man nun schwerlich finden, private Ergüsse in Briefen gibt es noch nicht. Aber Schütz‘ widmet Magdalena ein 11- strophiges Generalbaßlied „Mit dem Amphion“ nach Versen aus dem Buch Hiob. Darin ist von 2 Töchtern als Abbildern der Geliebten die Rede. Musik 2 3:00 Mit dem Apmhion zwar. Klagelied für eine Vokalstimme und Basso continuo, SWV 501 (auf den Tod seiner jungen Frau Magladena, geb. Wildeck 1625) Barocke Trauermusiken aus Mitteldeutschland Cappella Sagittariana Dresden; ensemble amarcord Schütz, Heinrich Raumklang. 6.7. 2014 Moderation 3 Ein Ausschnitt aus dem Lied „mit dem Amphion“ mit Capella Sagittariana Dresden. Es geschieht etwas schwer Begreifliches, was aber den Ernst von Schütz‘ Musik erklärt: Trauerfälle und Schicksalsschläge nehmen ab jetzt kein Ende mehr. Der lutherische Theologe und Hofprediger Martin Geier, Nachfolger des erwähnten Hoenegg, hat kurz nach Schütz‘Tod 1672 eine Biographie verfasst, die bis heute eine wichtige Quelle ist. Da heißt es: „der liebe Gott aber hat ihn dieses sein Glück und hohe Ehre allezeit … mit Traurigkeit versaltzen/ Indem ihm anno 1632 sein Bruder Valerius Schütz/ Anno 35 seine liebste Frau Mutter / dann seine Frau Schwieger Mutter/ sein Herr Bruder Doctor Georg Schütz / und anno 1638 seine liebe Tochter Jungfer Anna Justina in Dreßden verstorben/ und er dadurch in ein langwieriges Trauern und Betrübnüs gesetzet worden ist“. Dass Schütz nicht wieder heiratet, mag da ein Entschluss zu Askese und Verzicht sein. Die zwei kleinen Töchter kommen zu seinen Eltern nach Weißenfels und er gibt sich ganz seiner Musik hin. Der zeitgenössische Dichter Martin Opitz fordert ihn mit seinen Versen 5 sogar dazu auf, sich so zu trösten: Preise deiner Liebsten Tugend, dass sie lebe für und für, durch die Kunst gelehrter Saiten, O du Orpheus unserer Zeiten Betroffen ist er! Und es gibt eine Kompositionspause. Erst 1627, an Magdalenens 2. Todestag kommt der Beckersche Psalter heraus. Keine fröhliche konzertante Besetzung, sondern strenger vierstimmiger Chorsatz. Psalmen in der Landessprache, gute reformatorische Tradition! Cornelius Becker liefert dazu die richtige – lutherische - Übersetzung, nachdem die calvinistische in Sachsen nicht zu gebrauchen ist. Den Gemeinden gibt Schütz in Glaubensverfolgung, Krieg und Not Lieder fürs Gesangbuch und sich selbst eine Trostarbeit gegen das – Zitat- „sonderliche HaußCreutz, den unverhofften Todesfall meines weyland lieben Weibes“ Musik 3 1:09 Beckerscher Psalter Singet dem Herrn ein neues Lied Psalm 96 für gemischten Chor a cappella, SWV 196a Also hat Gott die Welt geliebt - Geistliche Musik in Görlitz am 11. Juni Kammerchor des Kirchenbezirks Bautzen; Doetz, Matthias Schütz, Heinrich Becker, Cornelius Moderation 4 Der Kammerchor Bautzen mit einem Lied aus dem Beckerschen Psalter. Nicht nur mit all diesen Todesfällen hat Schütz zu kämpfen, auch mit dem um sich greifenden grausamen Krieg in Mitteldeutschland. Kann man sich heute noch eine Vorstellung machen von dem zähen Ringen um die Hegemonie in Europa zwischen 1618 und 48? Ahnen wir vielleicht etwas von der Schärfe des Religionskonflikts, wenn wir heute in den Nahen Osten 6 schauen? Es ist nicht nur ein Krieg zwischen katholischer Liga und protestantischer Union, es geht um handfeste dynastische und territoriale Interessen. Kämpfen doch die habsburgisch-spanische und die französisch-niederländische Fraktion um die Vormachtstellung in Europa. Darin verhakt sich obendrein ein blutiger Krieg zwischen Schweden und Dänemark. Die Schlachten, Hungersnöte und Seuchen verheeren ganze Landstriche, in manchen Gegenden überlebt nur ein Drittel der Bevölkerung. Kurfürst Johann Georg laviert und verhandelt. Er will unter allen Umständen den Einbruch der kämpfenden Heere in sein ungeschütztes, zum Durchzug geradezu einladendes Sachsen verhindern. Gemeinsam mit Maximilian von Bayern hätte er vielleicht das Schlimmste verhindern, die Kreuzzugsmentalität des Wiener Kaisers Ferdinand stoppen können. Aber jeder denkt nur an seinen eigenen Vorteil und der Krieg nimmt seinen Lauf, sinnlos und nach einer verwirrenden, geradezu undurchschaubaren Dramaturgie ablaufend. Beim Mühlhausener Fürstentreffen vom 4. Oktober bis 5. November 1627 gibt es ein letztes Gespräch zwischen den Hauptkontrahenten. Johann Georg lädt die Fürsten ein, weil er für seine protestantische Überzeugung nicht das ganze System opfern will, sondern das Reich gerne bewahrt hätte. Seinen Musicus nimmt er mit. Und hier kommt einmal die politische Dimension von Schütz‘ Musik ins Spiel. Mit protokollarischen Vivat-Rufen lässt Schütz vom Chor vor der Kirche die geistlichen Kurfürsten aus Mainz, Trier und Köln, die weltlichen aus Sachsen, Bayern und Brandenburg begrüßen. Doch ein zweiter Chor stimmt in der Kirche innig flehend die Bitte um Frieden an „Da pacem Domine“. Schließt endlich Frieden nach 9 Jahren Krieg! Hat man die Dramatik der damaligen Situation eigentlich erfasst und versucht

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