
Julia Tews Studiengang Animation Thema Darstellung von Märchen im Animationsfilm Betreuer Ulf Grenzer Gutachterin Prof. Dr. Traute Schölling Herstellungsjahr 2006 Annotation Diese Arbeit beschäftigt sich mit Märchen im Allgemeinen und untersucht im Besonderen die Darstellung von Märchen im Animationsfilm anhand von drei Beispielen. Die ausgewählten Animationsfilme adaptieren alle drei das Märchen von „Aschenbrödel“. Es wird betrachtet, wie die künstlerische Darstellung unter dem Einfluss der Entstehungszeit, des gesellschaftlichen Kontextes und der jeweiligen immanenten Philosophie variiert. Filmbeispiele: „Cinderella“ von Walt Disney, Zeichentrick, 1950 basierend auf „Cendrillon“ von Charles Perrault „Aschenbrödel“ von Lotte Reiniger, Silhouettentrick, 1953 basierend auf „Cendrillon“ von Charles Perrault „Aschenputtel“ eine Produktion des DEFA Trickfilmstudios, Dresden, Scherenschnitt, 1984 basierend auf dem Volksmärchen „Aschenbrödel“ von den Brüdern Grimm Inhaltsverzeichnis THEMA 1 DARSTELLUNG VON MÄRCHEN IM ANIMATIONSFILM 1 INHALTSVERZEICHNIS 3 VORWORT 5 EINLEITUNG – DAS MÄRCHEN, URALT UND IMMER AKTUELL 6 1 DAS WESEN DER MÄRCHEN 7 ABSTRAKTER STIL 7 ISOLATION UND POTENTIELLE ALLVERBUNDENHEIT 8 FLÄCHENHAFTIGKEIT 8 SUBLIMIERUNG UND WELTHALTIGKEIT 8 BEWUSSTE EINDIMENSIONALITÄT 8 1.1 SAGE UND MYTHOS 9 1.2 KUNSTMÄRCHEN 10 2 DIE MÄRCHENMACHER 12 2.1 CHARLES PERRAULT 12 2.2 JACOB UND WILHELM GRIMM (BRÜDER GRIMM) 13 2.3 DIE KUNST DER ADAPTION 14 3 ASCHENBRÖDEL, EIN INTERNATIONALES MÄRCHEN 17 3.1 „CENDRILLON OU LA PETITE PANTOUFLE DE VERRE“ NACH CHARLES PERRAULT 17 3.2 „ASCHENBRÖDEL“ VON DEN BRÜDERN GRIMM 19 3.3 SYMBOLIK 20 4 ASCHENBRÖDEL ANIMIERT – VERGLEICH DREIER ANIMATIONSFILME 22 4.1 „CINDERELLA“ VON WALT DISNEY 22 ENTSTEHUNGSZEIT 22 ADAPTION DES MÄRCHENSTOFFES 24 LAYOUT 27 FIGURENDESIGN UND ANIMATION 28 MUSIK UND TON 30 AUS WALTER WIRD WALT DISNEY 31 4.2 „ASCHENBRÖDEL“ VON LOTTE REINIGER 32 ENTSTEHUNGSZEIT 32 ADAPTION DES MÄRCHENSTOFFES 33 FIGURENDESIGN UND ANIMATION 34 MUSIK 36 LEBEN UND WERK DER LOTTE REINIGER 36 4.3 „ASCHENPUTTEL“, EIN SILHOUETTENFILM DES DEFA - STUDIOS FÜR TRICKFILME 38 ADAPTION DES MÄRCHENSTOFFES 38 DER GESTALTER, HORST TAPPERT 40 GESTALTUNG UND ANIMATION 41 MUSIK UND TON 43 SOZIALISTISCHE IDEALE IM WANDEL DER ZEIT 43 ZUSAMMENFASSUNG 45 LITERATURVERZEICHNIS 46 QUELLEN AUS DEM INTERNET 48 ABBILDUNGSVERZEICHNIS 48 5 Vorwort Bei der Recherche für diese Arbeit versuchte ich, mich an die Märchen meiner Kindheit zu erinnern. Beim Nachlesen wurde mir schnell bewusst, dass ich viele Details einfach vergessen hatte und teilweise nicht einmal das Ende der Märchen richtig wiedergeben konnte, abgesehen davon, dass natürlich das Gute gewinnt. Ich wusste nicht mehr, dass die Mutter von Schneewittchen sich in den Finger sticht und beim Anblick der Blutstropfen im Schnee ein Kind wünscht, das „so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie Ebenholz“ sein sollte. Die Mutter von Dornröschen dagegen trifft auf einen Frosch, der die Geburt ihrer Tochter voraussagt! Aber was passiert bei „Hänsel und Gretel“ nachdem die Hexe verbrannt ist? Wie viele Schwestern hat Aschenputtel? Fällt ihr Kleid vom Bäumchen-rüttel-dich oder findet sie es in drei Nüssen? In meiner Kindheit habe ich viel Zeit damit verbracht, Märchenschallplatten zu lauschen. Diese Hörspiele waren spannend, melancholisch und manchmal gruselig. Außerdem habe ich die Illustrationen zu Märchen in Bilderbüchern geliebt. Es gibt Kritiker, die behaupten, Märchen brauchen keine Illustrationen.1 Sie geben zu bedenken, dass Bilder die Fantasie von Kindern zu stark auf sich fixieren. Ich denke diese einseitige Theorie verdrängt die Möglichkeit, Märchen mit allen Sinnen auf unterschiedlichen Ebenen zu begegnen und die jeweiligen Besonderheiten bewusst zu genießen. Die Erfahrung des Lesens ist eine andere als die des Hörens. Und Film – insbesondere der Animationsfilm – ist nicht nur die „Verbildlichung eines vorhandenen Stoffes“,2 sondern eine eigenständige Kunstform. In dieser Arbeit bespreche ich drei ausgewählte Filme, die das Märchen „Aschenbrödel“ in unterschiedlicher Form adaptieren und zeige dabei die Variationen visueller und dramaturgischer Gestaltung. Zudem möchte ich einen Einblick in die Vielschichtigkeit des Themas Märchen bieten. 1 Siehe „Audiovisuell 9, Märchen in visuellen Medien“ 2 Zitat Rotraut Greune „Audiovisuell 9, Märchen in visuellen Medien“ Seite 65 6 Einleitung – Das Märchen, uralt und immer aktuell3 Märchen sind kollektive Produkte, die allgemeine menschliche Probleme, Ängste und Fantasien in bildhafter Sprache zum Ausdruck bringen. Sie entsprechen dem menschlichen Bedürfnis, Geschichten zu erzählen und gehen auf Mythen und Sagen zurück. Wahrscheinlich wurden Märchen jahrhundertelang ausschließlich mündlich weitergegeben; haben sich über einen langen Zeitraum hinweg entwickelt, wurden umformuliert und verändert. Man kann davon ausgehen, dass die Erzählform Märchen in ihren Grundzügen in allen Ländern dieser Erde bekannt ist. Von einigen Märchen existieren weltweit zahlreiche Variationen. So wurden aktuell um die 400 unterschiedliche Aschenbrödel-Erzählungen rund um den Globus nachgewiesen.4 Die älteste bekannte Version stammt aus China. Andere populäre Varianten werden in England, Italien und Afrika erzählt.5 International am weitesten verbreitet sind jedoch die Französin „Cendrillon“ von Charles Perrault und das deutsche „Aschenbrödel“ von den Brüdern Grimm, die in dieser Arbeit exemplarisch betrachtet werden. Das Wort „Märchen“ ist eine Verniedlichung vom mittelhochdeutschen „Maere“, das für Kunde oder Nachricht steht. Auch in anderen europäischen Ländern erklärt sich die mündliche Überlieferung durch den Wortstamm. So sind Märchen in Frankreich „contes“, abgeleitet von „raconter“/“erzählen“ und in England sind „fairy tales“ Feengeschichten, in denen Wunderbares geschieht. Das Wort „tale“ ist die Substantivierung von „tell“/“erzählen“. Im 16. und 17. Jahrhundert gab es in Italien erste Ansätze, Märchen in Sammelbänden zusammenzutragen und damit für die Nachwelt zu konservieren. Dies fand bald Anklang in ganz Europa. Gerade zur Zeit der Romantik hatte das Publizieren von Märchen Hochkonjunktur. Durch den individuellen Gestaltungsdrang der Archivare kristallisierten sich über die Jahre eigenständige Dichtungen heraus, die teilweise stark von den spröden originalen Märchentexten des Volkes abweichen und jene Märchen formen, die weltbekannt wurden. Gerade die besondere Poetik der berühmten Autoren Charles Perrault und der Brüder Grimm machten Märchen salonfähig und für ein breites Publikum zugänglich. Märchen sind relativ frei von Modeeinflüssen. Sie werden zwar immer den aktuellen Moralvorstellungen angepasst sind aber in den Grundzügen beständig. Sie beschäftigen sich stets mit archaischen Ängsten und Wunschträumen. Familiäre und finanzielle Probleme, alltägliche Ungerechtigkeit und nicht zuletzt die Suche nach dem vollkommenen Glück sind hochaktuelle Themen. Aufgrund dieser guten Verwertbarkeit und Vielschichtigkeit sind Märchen wahre Fundgruben für Forscher aller geisteswissenschaftlichen Bereiche. International bekannt sind der Psychologe Bruno Bettelheim mit seinem Bestseller „Kinder brauchen Märchen“, der Märchenexperte Max Lüthi und der Schriftsteller Eugen Drewermann. Natürlich boten Märchen auch interessante Deutungsansätze für Psychologen wie Sigmund Freud und Carl Gustav Jung, die bei vielen Texten verborgene sexuelle Fantasien diagnostizierten.6 Der berühmteste außereuropäische Märchenzyklus ist die orientalische Sammlung „Tausendundeine Nacht“. In Deutschland erschien sie zwischen 1838 und 1841 in drei Bänden. Diese enthalten die Geschichten der Großwesirstochter Scheherezade, welche sie dem König Schehrijar in 1000 und einer Nacht erzählte, um ihr Leben zu retten.7 Nach Max Lüthi erfordern außereuropäische Erzählungen aber eigene Untersuchungen und daher beziehe ich mich in dieser Arbeit ausschließlich auf europäische Volksmärchen.8 3 Siehe „Brockhaus multimedial 2006“ 4 Siehe Ulf Diederichs „Who`s who im Märchen“ 5 Siehe http://www.surlalunefairytales.com 6 Siehe Eugen Drewermann „Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter, Grimms Märchen tiefenpsychologisch gedeutet“ 7 Siehe „Brockhaus multimedial 2006“ 8 Siehe Max Lüthi „Das europäische Volksmärchen“ Seite 7 7 1 Das Wesen der Märchen Märchen entsprechen in ihrer Klarheit der Gefühlswelt von Kindern von 2 bis 7 Jahren, obwohl sie in ihrer ursprünglichen Form natürlich nicht speziell auf Kinder ausgerichtet sind. Es wird angenommen, dass Märchen zu einer frühen Entwicklungsphase der Menschheit entstanden.9 Speziell bei den Werken der Grimms muss zudem beachtet werden dass die Texte durch die Redaktion der Brüder eine pädagogische und erzieherische Färbung erhielten, die aus Volksmärchen Kindermärchen werden ließ! Gerade für Kinder ist die spielerische Konfrontation mit Ängsten wichtig. Märchen bieten ihnen Sicherheit; das Gute ist immer gut, das Böse immer schlecht. Es steht fest, dass am Ende das Gute siegt und das Böse bestraft wird. Der umstrittene Psychologe und Autor Bruno Bettelheim stellt fest, dass Kinder sich in ihrer Psychologie von Erwachsenen unterscheiden. Sie haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, der die harte Bestrafung der Bösewichter verlangt. Dabei fehlt Kindern aber das Feingefühl für angemessene Vergeltung. Im Märchen werden ihre Erwartungen erfüllt und sie machen die wichtige Erfahrung, dass die Angst vor dem Bösen unbegründet ist, da der Held immer über seine Widersacher triumphiert.10 Der Märchenforscher Max Lüthi legt fünf typische Wesenszüge
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