Venedig in Wien

Venedig in Wien

Die approbierte Originalversion dieser Dissertation ist in der Hauptbibliothek der Technischen Universität Wien aufgestellt und zugänglich. http://www.ub.tuwien.ac.at The approved original version of this thesis is available at the main library of the Vienna University of Technology. http://www.ub.tuwien.ac.at/eng DISSERTATION Venedig in Wien Die Inszenierung des Ephemeren als Spielfeld der Moderne ausgeführt zum Zwecke der Erlangung des akademischen Grades einer Doktorin/eines Doktors der technischen Wissenschaften unter der Leitung von Ao.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.-Ing. Dörte Kuhlmann E259.4 Architekturtheorie Institut für Architekturwissenschaften eingereicht an der Technischen Universität Wien Fakultät für Architektur und Raumplanung von Dipl. Arch ETH Ingrid Erb 1129930 Josefstädterstraße 79/9 1080 Wien Wien, am 27. Juli 2016 Kurzfassung Venedig in Wien war zugleich ein begehbares Bühnenbild, inszenierte Architektur, Zauberstadt und Leistungsschau und ein Sinnbild für das Ephemere. Zeitlich begrenzt in Bau, Bestimmung und Bestand und als Nachbau der Lagunenstadt eine Metapher des Vergänglichen zeigte Venedig in Wien die Modernität sowohl in ihrer programmatischen als auch in ihrer transitorischen Deutung. Die Vergnügungsstadt als zeitlich begrenztes Raummodell in der Architektur zu verorten, heißt Zusammenhänge herzustellen zwischen Ephemerem in der Architektur und dem Beginn einer Entwicklung, die für die anbrechende Moderne prägend war. Das Ephemere wird im Architekturdiskurs oft nur am Rande abgehandelt oder andern Bereichen des Gestaltens wie der Kunst und dem Theater zugeordnet. Im zeitlich Begrenzten könnte jedoch die Möglichkeit zum Wandel liegen. In einer Zeit, in der Abstraktion in der Malerei und Atonalität in der Musik entstanden, in der Bewegung Kunst und Wissenschaften prägte, orientierte sich die Architektur an den bleibenden Werten der Vergangenheit. Ziel der Arbeit ist es, das Ephemere in der Architektur zu untersuchen und auf seine Bedeutung für den Architekturdiskurs in der Zeit des Fin de Siècle zu überprüfen. Beginnend mit der Untersuchung des Ephemeren in seinen architektonischen Erscheinungsformen, über die Auseinandersetzung mit der Inszenierung im gebauten Raum, endet die Arbeit schließlich mit der Interpretation des Ephemeren auf Grund einer Beschreibung der Vergnügungsstadt in ihrer Vielschichtigkeit. In einem zeitlichen und räumlichen Umfeld des Aufbruchs und der Erneuerung zeigte Venedig in Wien die Inszenierung des Ephemeren in der Architektur als ein Spielfeld der Moderne. 2 Abstract Venice in Vienna was a walkable theatre stage, scripted architecture and a total artwork, at the same time. Temporary in its structure, volatile in its use and as the imitation of old Venice a symbol of decay, Venice in Vienna can be seen as an allegory of the ephemeral. By introducing the amusement park of Vienna’s Fin de siècle as an exemplary work of architecture, conclusions about the significance of the ephemeral in architecture at the time of early modernism can be drawn. Venice in Vienna represents modernity in its programmatic as well as in its transitory sense. The notion of the ephemeral is typically discussed in categories, such as art, theatre and entertainment and less likely in the architectural discourse. However, especially in times of renewal the ephemeral could imply the opportunity of change. Abstraction in art, atonality in music and scientific breakthrough were the achievements of modernity. While movement characterized art and science around the turn of the century, architecture remained classical. Topic and aim of this work is to show the connection between temporary structures in built space and the development of new architectural concepts in beginning modernism. The present study begins with the consideration of the ephemeral in its different architectonical manifestations, continues with the specification of staging in built space, and ends with the interpretation of the ephemeral in architecture based on the description of the amusement city in its manifold ambiguity. Against the backdrop of renewal and awakening Venice in Vienna shows the ephemeral in architecture as a playground of modernity. 3 Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde durch eine Vielzahl von Anregungen und Hinweisen in Form von Gesprächen und Diskussionen ermöglicht und bereichert. Als Erstes bedanke ich mich bei Univ. Prof. Kari Jormakka, der die Arbeit in ihren Anfängen betreut und in dem einen viel zu kurzen Jahr mit vielen überraschenden und wertvollen Kommentaren begleitet hat. Ebenso danke ich Ao. Univ. Prof. Dörte Kuhlmann für die Betreuung und unermüdliche Unterstützung sowie Univ. Prof. Nott Caviezel für die weiterführenden Gespräche und die Bereitschaft, die Rolle des Zweitgutachters zu übernehmen. Ich danke auch Dr. Peter Ferschin, DI. Eva Ulmer-Janes, Dr. Ursula Storch, Dr. Markus Kristan, Dr. Klaus Jürgen Bauer, Dr. Kristian Faschingeder, Dr. Regina Jankowitsch, Prof. Heinz Tesar, Dr. Marcello La Speranza, Mag. Ilse Holy, Verena Felber und Verena Erb sowie allen andern, die mir mit konstruktiver Kritik zur Seite standen. 4 Inhalt Kurzfassung 2 Abstract 3 Vorwort 4 1. Einleitung 8 1.1. Ausgangslage 8 1.2. Stand der Forschung 9 Venedig in Wien 9 Ephemeres, Inszenierung und Moderne 12 2. Ästhetik des Ephemeren 18 2.1. Ephemera 18 2.2. Was nur einen Tag dauert 23 Fliegende Bauten 23 Ausstellung 24 Potemkin’sche Dörfer 28 2.3. Was an einem Tag Wirkung entfaltet 32 Lichtspektakel 32 Bildwelten 34 Bewegte Bilder 36 2.4. Was sich täglich wiederholt 40 Nachahmung 40 Motiv 41 Typus und Modell 43 3. Ästhetik der Inszenierung 49 3.1. Inszenierung 49 Szene 49 Theater 53 Verwandlung 60 3.2. Inszenierter Raum 64 Heterotopie 64 Gesamtkunstwerk 67 Fest der Sinne 71 3.3. Inszenierte Vorstellung 76 Fiktion 76 Wirkliches und Mögliches 78 Potemkin, Panorama und Panoptikum 79 3.4. Inszenierung des Ephemeren 86 Schönbergs Schreibmaschine 86 Anders sprechen 87 Soma und Sema 89 Gebaute Vergänglichkeit 92 5 4. Venedig in Wien 96 4.1. Wien 96 Lebensläufe 96 Prater 101 4.2. Venedig und Wien 108 Metapher 108 Beziehung 109 Venezianische Träume 111 4.3. Venedig in Wien 117 Planung 117 Ausführung 119 5. Venedig in Wien als Spielfeld der Moderne 126 5.1. Venedig in Wien und das Ephemere 126 Freizeitarchitektur 126 Raumkunst und Zeitkunst 131 5.2. Venedig in Wien und die Inszenierung 135 Themenpark 135 Die Welt im Modell 138 5.3. Venedig in Wien als Spielfeld der Moderne 145 Potemkin in Wien 145 Spielfeld der Moderne 148 6. Schluss 156 Zusammenfassung 156 7. Anhang 159 Literaturverzeichnis 159 Abbildungsverzeichnis 172 Führer durch die Ausstellung Venedig in Wien 174 Venedig in Wien 174 An der Herstellung von „Venedig in Wien“ betheiligten sich: 180 Führer durch „Venedig in Wien“ 181 Liste der Aussteller 192 Postkarten 197 Lebenslauf 208 6 7 1. Einleitung 1.1. Ausgangslage Venedig in Wien wurde im Jahr 1895 nach Plänen des Architekten Oskar Marmorek im Englischen Garten am Wiener Praterstern errichtet und diente einige Jahre lang der Unterhaltung der Stadtbevölkerung während der Theaterflaute in den Sommermonaten. Anfangs erfreute sich das Unternehmen großer Beliebtheit, doch nach wenigen Jahren ließ das Interesse der Besucher nach, die venezianischen Attrappen wurden durch andere Attraktionen ersetzt und die Kanäle zugeschüttet. Als Provisorium erbaut, flüchtig in Nutzen und Bestand, den wechselhaften Ansprüchen der Unterhaltungsindustrie genügend und als Kopie der Serenissima eine Hommage an die Vergänglichkeit, stellte die Vergnügungsstadt eine mehrfache Konnotation des Ephemeren dar. Während sich in Malerei, Musik, Literatur und Wissenschaft um die Jahrhundertwende ein Bruch mit der Vergangenheit vollzog, blieb die Architektur vorerst den Grundsätzen der klassischen Antike verhaftet und wandte sich überdies der stilistischen Vielfalt des Historismus zu. Neuorientierung und Öffnung fanden allenfalls im städtebaulichen Maßstab durch das Aufbrechen der mittelalterlichen Stadtstrukturen statt. Die Gebäude waren weiterhin solide, dauerhaft und schwer. Leichte und ephemere Bauweisen wurden im Architekturdiskurs nur am Rande abgehandelt oder anderen Bereichen wie dem Theater und der Unterhaltungsindustrie zugeordnet. Gerade das zeitlich Begrenzte konnte jedoch einen experimentellen Raum eröffnen und die Möglichkeit zur Veränderung bieten. Über die Vertiefung der Begriffe des Ephemeren und der Inszenierung in der Architektur in einer Zeit des Umbruchs wird in der vorliegenden Arbeit der Architekturbegriff erweitert und auf einen Architekturdiskurs bezogen, in dessen Widersprüchlichkeit letztendlich der Grundstein des modernen Bauens liegt. Venedig in Wien war mehr als ein Kuriosum der Jahrhundertwende. Einerseits technische Leistungsschau, andererseits Inszenierung flüchtiger Illusion brachte die Vergnügungsstadt die Modernität sowohl in ihrer programmatischen als auch in ihrer transitorischen Deutung zum Ausdruck. Venedig in Wien war ein Hybrid zwischen Bühnenbild und Architektur, ein sich ständig wandelndes Gefüge, das in seiner Mehrdeutigkeit Einblick gab in die Komplexität des ganzheitlichen Raumerlebnisses. Die Betrachtung des Unterhaltungsetablissements als ein Werk der Architektur lässt Rückschlüsse auf unterschiedliche Parameter einer anbrechenden Moderne zu. Anhand von Venedig in Wien kann ephemere Architektur in ihrer Bedeutung für die Entwicklung neuer Raumkonzepte und in ihrem Stellenwert für ein neues Raumverständnis untersucht werden. Vor dem Hintergrund des Aufbruchs in Kunst und Wissenschaft und des Wandels gesellschaftlicher

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