UNIVERSITY Ausgehend von der antiken vitia-Lehre, die im Hinblick auf sprachlich-gramma- PRESS tische Abweichungen unterscheidet zwischen dem Barbarismus als Verstoß am Einzelwort (Laute, Silben, Graphie) und dem Solözismus als Verstoß in Wortver- bindungen (Wortarten, Satzbau), untersucht die vorliegende Dissertationsschrift vor dem Hintergrund des humanistischen Erbes den Fortgang dieser Typologie in etwa 30 volkssprachlichen Grammatiken des frühneuzeitlichen Italiens. Dabei wird die Spur einer Tradition sprachlicher Abweichungen verfolgt, die parallel zu der in den Grammatiken vom 16. bis 19. Jahrhundert propagierten (literarischen) Norm − dem Sprachgebrauch der vorbildhaften Autoren des 14. Jahrhunderts − besteht. Die Grammatiken werden einerseits nach wörtlichen Belegen der Begriffe barbarismo und solecismo, deren Bedeutungen und Verwendungskontexten analysiert, andererseits nach Umschreibungen und anderen Bezeichnungen für das Konzept „Sprachverstoß“ sowie nach den konkreten sprachlichen Phänomenen, die als Abweichungen gelten. Die Metasprache der Grammatiker, das heißt, die Art und Weise, wie sie die verschiedenen Abweichungen einordnen, bewerten oder gar verurteilen, lässt nicht nur wiederkehrende Formulierungs- und Darstellungsmuster erkennen, sondern dient zugleich als Schlüssel zur Sprachvariation: Sie verweist auf ein breites Spektrum sprachlicher Formen verschiedenster diasystematischer Herkunft, das einen Einblick in den (alltäg- FAU Studien aus der Philosophischen Fakultät 9 lichen, schichtenspezifischen, familiären) Sprachgebrauch der Frühen Neuzeit jenseits des literarischen Ideals gibt. Zur Autorin: Corina Schmauser (geb. Leithner, *1983 in Bamberg) studierte Italienische und Corina Schmauser Französische Sprachwissenschaft sowie Klassische Archäologie an der FAU Erlangen-Nürnberg. Sie war als wissenschaftliche Mitarbeiterin und als Lehrkraft für besondere Aufgaben in der Romanistik der Uni Passau und der FAU tätig. Ihre Forschungsinteressen beziehen sich auf den Bereich der Sprachgeschichte, Grammatikographie, Lexikographie und die Sprache der sozialen Medien. „I vizi del favellare“ „I vizi del favellare“ Barbarismus und Solözismus in den italienischen Grammatiken der Frühen Neuzeit ISBN 978-3-96147-086-0 Corina Schmauser FAU UNIVERSITY PRESS 2018 FAU Corina Schmauser „I vizi del favellare“ FAU Studien aus der Philosophischen Fakultät Band 9 Herausgeber der Reihe: Prof. Dr. Michele C. Ferrari und Prof. Dr. Rainer Trinczek Corina Schmauser „I vizi del favellare“ Barbarismus und Solözismus in den italienischen Grammatiken der Frühen Neuzeit Erlangen FAU University Press 2018 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Die Rechte an allen Inhalten liegen bei ihren jeweiligen Autoren. Sie sind nutzbar unter der Creative Commons Lizenz BY-NC-ND. Der vollständige Inhalt des Buchs ist als PDF über den OPUS Server der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg abrufbar: https://opus4.kobv.de/opus4-fau/home Umschlagfoto: Seven Liberal Arts (detail), Francesco Pesellino and Workshop (Italian, 1422–1457), about 1450, tempera on panel, 41.6 x 147.3 cm, Collection of the Birmingham Museum of Art, Alabama; Gift of the Samuel H. Kress Foundation / Photo credit: Sean Pathasema Verlag und Auslieferung: FAU University Press, Universitätsstraße 4, 91054 Erlangen Druck: docupoint GmbH ISBN: 978-3-96147-086-0 (Druckausgabe) eISBN: 978-3-96147-087-7 (Online-Ausgabe) ISSN: 2363-720X DOI: 10.25593/978-3-96147-087-7 „I vizi del favellare“ Barbarismus und Solözismus in den italienischen Grammatiken der Frühen Neuzeit Der Philosophischen Fakultät und Fachbereich Theologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zur Erlangung des Doktorgrades Dr. phil. vorgelegt von Corina Schmauser (geb. Leithner) aus Bamberg Als Dissertation genehmigt von der Philosophischen Fakultät und Fachbereich Theologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Tag der mündlichen Prüfung: 14.02.2017 Vorsitzende des Promotionsorgans: Prof. Dr. Heike Paul Gutachter: Prof. Dr. Ludwig Fesenmeier Prof. Dr. Gisela Schlüter Meiner Familie: Ruth, Sonja, Helmuth und Manuel. Und all denjenigen, für die historische Quellen genauso faszinierend sind wie für mich. Danksagung Rückblickend möchte ich meinen Dank zunächst Prof. Dr. Gisela Schlüter und Prof. Dr. em. Jürgen Lang aussprechen. Beide haben mich bereits im Stu- dium begleitet und mich im Anschluss zu Beginn des Doktorats, als die Pro- fessur für Italienische Sprachwissenschaft noch vorübergehend unbesetzt war, bei der Themenfindung und -entwicklung sowie bei der Beantragung eines Stipendiums unterstützt. Umso mehr danke ich Prof. Dr. Ludwig Fesenmeier, der sich nach seinem Amtsantritt an der FAU sofort dazu bereit erklärte, mein Dissertationspro- jekt als Doktorvater zu übernehmen, und mich seitdem stets intensiv be- treut hat sowie bei Fragen und Problemen jeglicher Art immer zur Verfü- gung stand. Darüber hinaus bedanke ich mich bei den Herausgebern Prof. Dr. Michele C. Ferrari und Prof. Dr. Rainer Trinczek dafür, meine Arbeit in die Reihe Stu- dien aus der Philosophischen Fakultät aufzunehmen. Danke an dieser Stelle auch an FAU Press für die zuverlässige Unterstützung beim Textsatz, vor al- lem im Hinblick auf die Formatierung mit LATEX. Ebenfalls möchte ich mich an dieser Stelle beim Büro der Frauenbeauf- tragten und bei der Graduiertenschule der FAU für die Aufnahme in die Stipendienprogramme zur „Förderung besonders begabter Nachwuchswis- senschaftlerinnen“ sowie zur „Förderung der Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre“ bedanken, welche mir den nötigen Freiraum für zeitintensive Quellenrecherchen ermöglichten. Mein besonderer Dank gilt sowohl meinem „inoffiziellen“ Mentor Roger Schöntag für seine wertvollen Tipps (fachlich wie persönlich) als auch Thomas Scharinger für sein offenes Ohr und ausgiebige Gespräche/Telefo- nate auf unserem gemeinsamen Weg zur Promotion. Team ‚Frühe Neuzeit‘! Außerdem danke ich Teresa Hiergeist und meinem langjährigen und treu- en Freund Renato de Filippis aus Salerno in jeglicher Hinsicht für ihre Unter- stützung und insbesondere für ihre hilfreichen Anmerkungen während der Korrekturphase. Und von Herzen danke ich natürlich Frank Schmauser, dass er in den letz- ten Jahren immer an meiner Seite war. „Your time will come“ (Iron Maiden, The Wicker Man) v Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis xi Tabellenverzeichnis xiii 1 Die Kehrseite eines Sprachideals 1 2 Forschungsstand 7 3 Begriffliche Grundlagen: barbarismus und soloecismus in Antike und Mittelalter 15 3.1 Virtutes elocutionis: Die Tugenden der Rede . 16 3.2 Vitia elocutionis: Verstöße gegen die Tugenden der Rede . 19 3.2.1 Barbarismus ....................... 24 3.2.2 Barbarolexis ....................... 26 3.2.3 Soloecismus ....................... 27 3.3 Licentiae oder erlaubte Verstöße: metaplasmus und schema . 31 3.4 Virtutes – vitia – licentiae: Synthese und Übersicht . 34 4 Barbarismo und solecismo in der italienischen Literatur und Lexikographie 39 4.1 Belege von barbarismo und solecismo in literarischen Texten 40 4.1.1 Paarformeln ....................... 41 4.1.2 Korruptionsthese .................... 43 4.1.3 Rezeption antiker Sprachtheoretiker ......... 45 4.1.4 Belege im Kontext weiterer sprachlicher Abweichungen 47 4.1.5 Belege mit Kommentar . 50 4.1.6 Belege ohne zusätzliche Erklärung . 57 4.1.7 Typische Wendungen . 59 vii Inhaltsverzeichnis 4.2 Zur Lemmatisierung der Begriffe in lexikographischen Werken 61 4.2.1 Errore, vizio, figura ................... 62 4.2.2 Barbarismo und solecismo ............... 67 4.3 Zwischenfazit ........................... 79 5 Korpusanalyse: Die vitia in italienischen Grammatiken vom 16. bis 18. Jahrhundert 85 5.1 Die volkssprachlichen Grammatiken im Erbe der lateinischen Tradition ...................... 85 5.1.1 Vorbemerkungen .................... 85 5.1.2 Korpus und Methodik .................. 88 5.1.3 Die latinitas als Leitmotiv: Absicht und Ziel der Grammatiken .................... 95 5.1.4 Die Autorität Bembos und die Bedeutung der buoni scrittori ...................... 101 5.2 Allgemeine Markierungen sprachlicher Abweichungen ... 105 5.2.1 Vizio ........................... 105 5.2.2 Errore ........................... 113 5.3 Barbarismo (metaplasmo) .................... 117 5.3.1 Wörtliche Belege .................... 117 5.3.2 Fremd- bzw. Lehnwörter ................ 121 5.3.3 Archaismen und Neologismen ............. 126 5.3.4 Die vier Änderungskategorien ............. 130 5.3.4.1 Systematische Abhandlung ......... 131 5.3.4.2 Implizite Belegstellen ............ 137 5.3.4.2.1 Adjectio ............... 138 5.3.4.2.2 Detractio .............. 141 5.3.4.2.3 Transmutatio ............ 144 5.3.4.2.4 Immutatio .............. 145 5.4 Solecismo (schema) ....................... 148 5.4.1 Wörtliche Belege .................... 148 5.4.2 Die vier Änderungskategorien: Systematische Abhandlung ............... 153 5.4.3 Implizite Belegstellen .................. 163 viii Inhaltsverzeichnis 5.4.4 Soloecismi per immutationem: Verstöße gegen die Wortarten und ihre Akzidentien ............ 167 5.4.4.1 Artikel ..................... 171 5.4.4.2 Nomen ..................... 173 5.4.4.3 Pronomen ................... 174 5.4.4.3.1 Subjektpronomen ......... 175 5.4.4.3.2 Objektpronomen und kombinierte
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