Media Perspektiven 3/2013 | 130 tiven Empfangswege, Kabel und Terrestrik, nicht Fernsehgewohnheiten und Fernsehreichweiten im profitieren; die große Mehrheit der analogen Jahr 2012 Satellitenhaushalte blieb nämlich dem Satelliten- empfang treu, erwarb also lediglich einen neuen u – digitalen – Receiver. Die Zahl der Kabelhaushalte Tendenzen im nahm hingegen ab. Und es ist davon auszugehen, Zuschauerverhalten dass aus diesem Kreis die meisten neuen IPTV- Haushalte stammen. Von Camille Zubayr* und Heinz Gerhard** Die beschriebene Entwicklung führte im Jahr 2012 72 % der mit 5,42 Millionen neuen Digitalhaushalten zur bis- Haushalte empfangen Technische Eine Beschreibung der wesentlichen Nutzungs- lang stärksten Dynamik bei der Digitalisierung des Fernsehen digital Rahmenbedingungen muster und -tendenzen des letztjährigen Fernseh- Fernsehmarkts, der nun zu 72 Prozent von die- des TV-Empfangs verhaltens bleibt unvollständig, wenn nicht zuvor sem Empfangsweg geprägt ist (vgl. Abbildung 1). erneut verändert auch die technischen Rahmenbedingungen und Es verbleiben rund zehn Millionen Haushalte – Entwicklungen des letzten Jahres zumindest kurz alle samt Kabelhaushalte –, die noch analog fern- umrissen werden. In dieser Hinsicht hat sich viel sehen. Diese stellen in der Gruppe der insgesamt getan: Zum einen hat sich ein vierter Empfangs- 17 Millionen Kabelhaushalte eine deutliche Mehr- weg etabliert, zum anderen wurde das analoge heit. Ob und mit welcher Dynamik sich dies än- Satellitensignal abgeschaltet. dert, hängt nicht nur von Zuschauern und den An- geboten der Kabelnetzbetreiber ab, denn oftmals Messung Zunächst zu den Empfangswegen: Seit sich Mitte sind die Kabelgebühren in Mehrfamilienhäusern der Internet- der 1980er Jahre das Kabelfernsehen und der und Mietwohnungen integraler Bestandteil der Fernsehnutzung Satellitenempfang einen größeren Publikumskreis Nebenkosten und stehen daher nur eingeschränkt erschlossen, gelangte nun der Fernsehempfang zur Disposition. per Internet zur Marktreife. Dabei werden die Bild- und Tonsignale als Dateipakete (MPEG-Dateien) Unabhängig von Fragen der Digitalisierung bleibt Kabel und Satellit über geschlossene Breitbandnetze von Internet- der deutsche Fernsehmarkt von den Empfangs- dominierende anbietern übertragen. Da die wenigsten Fernseh- wegen Kabel und Satellit dominiert, die zusam- Empfangswege geräte diese Dateien abspielen können, ist der mengenommen von 93 Prozent aller Fernseh- Einsatz eines Decoders erforderlich, der aber von haushalte in Anspruch genommen werden. Im den jeweiligen Internetanbietern (Telekom oder Vergleich dazu sind Haushalte, die überwiegend Vodafone) zur Verfügung gestellt wird. Die Ar- auf DVB-T-Signale oder IPTV zurückgreifen, mit beitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) weist 4 bzw. 3 Prozent in der Minderheit (vgl. Abbil - zum Ende des Jahres 2012 etwas mehr als eine dung 2). Million Haushalte aus, die über diese Empfangs- technik verfügen, das sind rund 3 Prozent aller Fortgesetzt hat sich die Ausweitung des Fern- Durchschnittlich 79 Fernsehhaushalte. Die bisher üblichen Verfahren sehangebots: Zum 31. Dezember 2012 konnten Sender pro Haushalt zur Messung der Fernsehnutzung stoßen hier je- in den Fernsehhaushalten Deutschlands durch- empfangbar doch an ihre Grenzen: Da die Übertragung über schnittlich 79 Sender empfangen werden – einer das Internetprotokoll (IP-TV) sehr deutlich vom mehr als noch vor einem Jahr. Satellitenhaushalte klassischen Rundfunk abweicht, mussten neue verfügen hier mit 113 Sendern über die größte Messtechniken eingesetzt werden. Die die GfK be- Auswahl. auftragende AGF entschied sich hier für das so ge- nannte Audiomatching. Dabei werden die Audio- Entwicklung des Fernsehkonsums 2012 signale des im Testhaushalt eingeschalteten Sen- Was den Umfang des Fernsehkonsums angeht, Sehdauer bleibt mit ders mit den Audiosignalen von rund 280 bei der war die Bevölkerung im Jahr 2012 erneut sehr 222 Minuten täglich GfK referenzierten Sendern verglichen und ent- aktiv: Ausweislich der GfK-Messungen betrug die auf hohem Niveau sprechend zugeordnet. (1) tägliche Sehdauer 222 Minuten (vgl. Tabelle 1). Das sind zwar drei Minuten weniger als noch im Abschaltung Die Abschaltung der analogen Satellitenversor- Jahr 2011. Aber zusammen mit dem Jahr 2010 des analogen gung erfolgte zum 30. April 2012. Durch eine Reihe (223 Minuten) waren die drei letzten Jahrgänge Satellitensignals länger angelegter Informationskampagnen gelang die fernsehintensivsten seit Beginn der Messun- Ende April 2012 es offensichtlich, die Anfang des Jahres noch rund gen. Der vergleichende Blick auf die Sehdauer- drei Millionen Haushalte von einer rechtzeitigen werte der letzten 20 Jahre bestätigt das derzeit Umrüstung zu überzeugen, so dass an diesem hohe Interesse am Fernsehen: Vor zehn Jahren Stichtag die Zahl der vor einem schwarzen Bild- lag die tägliche Sehdauer bei 201 Minuten und schirm sitzenden Zuschauer zu vernachlässigen vor 20 Jahren bei 158 Minuten (vgl. Abbildung 3). war. Von dieser Umstellung konnten die alterna- Beständig zeigen sich auch die Unterschiede zwi- schen einzelnen Bevölkerungsgruppen, wonach Frauen mit insgesamt 248 Minuten länger fern- ** Medienforschung Programmdirektion Das Erste, München. sehen als Männer (224 Min.) und Ostdeutsche mit ** ZDF-Medienforschung, Mainz. 260 Minuten ausdauernder sind als Zuschauer in Tendenzen im Zuschauerverhalten 131 | Media Perspektiven 3/2013 Abb.1 Anteil der Haushalte mit digitalem Fernsehempfang Abb. 2 Verteilung der Haushalte nach ihrer hauptsächlichen Empfangstechnik in % in % 72 57 56 55 56 56 55 57 54 53 51 50 49 47 47 41 Kabel 34 45 46 46 30 44 42 42 25 40 21 39 Satellit 36 37 37 16 33 10 6 7 terrestrisch 10 9 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 7 6 5 5 4 4 5 5 4 4 IPTV Quelle: AGF in Zusammenarbeit mit GfK, TV-Scope, Fernsehpanel (D+EU), Stichtag 3 jeweils 31. Dezember. Quelle: AGF in Zusammenarbeit mit GfK, TV-Scope, Fernsehpanel (D+EU), Stichtag jeweils 31. Dezember. Abb. 3 Entwicklung der durchschnittlichen Fernsehdauer pro Tag 1992 bis 2012 Abb. 3 EntwicklungZuschauer ab der3 Jahren, durchschnittlichen in Min. Fernsehdauer pro Tag 1992 bis 2012 Zuschauer ab 3 Jahren, in Min. 223 225 222 210 211 212 208 207 212 225 201 201 223 222 190 192 210 211 212 208 207 212 183 183 188 185 201 201 175 190 192 166 167 183 183 188 185 158 175 166 167 158 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Quelle: AGF in Zusammenarbeit mit GfK, TV-Scope, bis 2000 Fernsehpanel (D), ab 2001 Fernsehpanel (D+EU). Quelle: AGF in Zusammenarbeit mit GfK, TV-Scope, bis 2000 Fernsehpanel (D), ab 2001 Fernsehpanel (D+EU). Westdeutschland (212 Min.). (2) Auch nach Bun- vier Jahren wurde an dieser Stelle bei Jugendli- desländern variiert die Sehdauer: Am längsten chen, insbesondere den 14- bis 19-Jährigen, eine wird in Mecklenburg-Vorpommern ferngesehen, kontinuierlich zurückgehende Fernsehnutzung kon- am kürzesten in Baden-Württemberg (vgl. Tabelle statiert. Diese Beobachtung ging vor allem einher 2). Den gewichtigsten Einfluss auf das Fernseh- mit zurückgehenden Tagesreichweiten, das heißt, verhalten übt jedoch nach wie vor das Lebensal- es war nicht primär die Nutzungsdauer an Fern- ter aus. Anders ausgedrückt: Man kann unter den sehtagen, die zurückging, sondern vor allem die üblichen soziodemografischen Merkmalen, mit Zahl der Tage, an denen sich die Jugendlichen denen Menschen beschrieben werden, vom Alter überhaupt entschlossen haben, fernzusehen. Vier am treffsichersten auf die Dauer der Fernsehnut- Jahre später kann für diese Altersgruppe zu- zung schließen. Das Spektrum beginnt mit 90 nächst festgehalten werden, dass die Sehdauer- täglichen Fernsehminuten bei Kindern und erhöht werte nicht weiter gesunken sind. In allen Jahr- sich sukzessive auf über fünf Stunden bei Men- gängen lagen sie sogar etwas über dem Mess- schen, die 60 Jahre oder älter sind. wert von 2008 (vgl. Abbildung 4). Generations- Trotz der vergleichsweise stabilen Gesamtnach- spezifische frage in den letzten drei Jahren zeigen sich in Fernsehnutzung einzelnen Kohorten aber rückläufige Tendenzen, die einer besonderen Erwähnung bedürfen. Vor Camille Zubayr/Heinz Gerhard Media Perspektiven 3/2013 | 132 Tab. 1 Durchschnittliche Sehdauer pro Tag und Tagesreichweiten erkreis lässt das Fernsehgerät länger eingeschal- in Deutschland tet. In den Abbildungen 5 und 6 sind die gegen- Mo–So läufigen Tendenzen (höhere Verweildauer und ge- ringere Tagesreichweite) insbesondere bei den Sehdauer in Min. Tagesreichweite in % Bevölkerungsgruppen, die jünger als 30 Jahre 2011 2012 2011 2012 sind, gut zu erkennen. Während über viele Jahre Zuschauer gesamt 225 222 71 70 hinweg rund 60 Prozent von ihnen zum täglichen 3–13 J. 93 90 55 54 Fernsehpublikum gehörten, sind es bei den Kin- 14–19 J. 111 102 49 47 dern und den 20- bis 29-Jährigen aktuell nur 53 20–29 J. 159 155 57 53 Prozent und bei den Teenagern 47 Prozent. Prak- 30–39 J. 211 198 71 69 tischer formuliert, nehmen die 14- bis 19-Jähri- 40–49 J. 232 233 73 73 gen inzwischen jeden zweiten Tag „fernsehfrei“; 50–59 J. 269 265 77 76 vor zehn Jahren war es nur jeder dritte Tag. 60–69 J. 310 306 83 82 Der Vollständigkeit und Genauigkeit halber muss Allerdings: ab 70 J. 303 303 86 85 jedoch in diesem Kontext ein Vorbehalt formuliert TV-Nutzung Jüngerer Westdeutschland 214 212 71 69 werden: Weil die Messverfahren der GfK-Fernseh- auf alternativen Ostdeutschland
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