
SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS BRSO EÖTVÖS VIZIN CSER BARTÖK 29.4.2021 20 / 21 Herkulessaal Donnerstag 29.4.2021 Herkulessaal 18.00 – 19.00 Uhr 1 Programm MITWIRKENDE PÉTER EÖTVÖS Leitung VIKTORIA VIZIN Mezzosopran (Judith) KRISZTIÁN CSER Bariton (Herzog Blaubart) SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS KONZERT-ÜBERTRAGUNG IN SURROUND im Radioprogramm BR-KLASSIK Donnerstag, 29.4.2021 20.05 Uhr Kristin Amme im Gespräch mit Péter Eötvös 20.30 Uhr Live-Übertragung von Péter Eötvös’ Senza sangue; im Anschluss Béla Bartóks Herzog Blaubarts Burg in der Aufzeichnung von 18.00 Uhr ON DEMAND Das Konzert ist in Kürze auf www.br-klassik.de als Audio abrufbar. 2 Mitwirkende PROGRAMM BÉLA BARTÓK »Herzog Blaubarts Burg« Oper in einem Akt für Mezzosopran, Bariton und kleines Orchester, Sz 48 Libretto von Béla Balázs Konzertante Aufführung in ungarischer Sprache Reduzierte Orchesterfassung von Eberhard Kloke (2019) 3 Programm BÉLA BALÁZS »HERZOG BLAUBARTS BURG« In einer gotischen Halle auf Herzog Blaubarts Burg In der Eingangstür einer mächtigen gotischen Burghalle erscheinen Blau- bart und Judith, die ihre Familie und ihren Verlobten verlassen hat, um dem geliebten Mann zu folgen. Allen Warnungen Blaubarts zum Trotz beharrt sie darauf, bei ihm zu bleiben. Auch das Erschauern vor dem Dunkel, der Kälte und der Feuchtigkeit des fensterlosen Gemäuers vermag ihren Enthu- siasmus kaum zu trüben. Durch ihre Liebe will sie Wärme, Licht und Glück in Blaubarts dunkle Feste bringen. Sieben schwarze verschlossene Türen ziehen Judiths Blick magisch an. Auf ihr eindringliches Begehren übergibt Blaubart ihr widerstrebend einen Schlüs- Holzschnitte zu Herzog Blaubarts Burg von János Kass (1927–2010) 4 Inhaltsangabe »Herzog Blaubarts Burg« sel nach dem anderen. Hinter der ersten Tür zeigt sich in blutrotem Schein die Folterkammer der Burg, hinter der zweiten in rötlich-gelbem Licht Blau- barts Waffenkammer. Von der Kraft ihrer Liebe überzeugt, überwindet Judith jäh aufsteigende Ängste und fordert die Öffnung der anderen Türen. Blaubart reicht ihr zögernd drei weitere Schlüssel. Die dritte Tür gibt den Blick frei auf eine von goldenem Licht durchflutete Schatzkammer mit blutbefleckten Kleinodien und Prunkgewändern. Die vierte eröffnet ein blaugrün beschie- nenes Gartenpanorama mit Wunderblumen, die aus blutigem Boden sprie- ßen. Die fünfte schließlich führt auf den Burgfried mit prachtvollem Aus- blick auf Blaubarts weite Lande, Wiesen und Wälder in gleißendem Sonnen- licht, auf die freilich blutige Wolken ihre Schatten werfen. Blaubart bittet Judith, hier innezuhalten und nicht weiter zu forschen. Er hofft auf ihre liebende Umarmung, ihren fraglosen Kuss. Judith indes dringt unerbittlich auf die Enträtselung auch der verbleibenden Geheimnisse. Beim Öffnen der sechsten Tür trübt sich das Licht ein: Vor Judiths Augen erscheint ein reglos farbloser Wasserspiegel, den Blaubart als Tränensee identifiziert. Traurig schmiegt sie sich an ihn und erwidert seinen langen Kuss. Rastloser Wahrheitsdrang aber provoziert sie zu der Frage nach den anderen Frauen, die er geliebt hat, und zur Forderung nach Öffnung der siebten Tür. Resig- niert überantwortet ihr Blaubart auch den letzten Schlüssel: Aus der mond- beglänzten Totenkammer treten nacheinander die drei früheren Frauen Blau- barts hervor, als stumme, bleiche, reich geschmückte Erinnerungsbilder an den Morgen, den Mittag und den Abend seines Lebens. Dekoriert mit Dia- mantenkrone und Sternenmantel, als Sinnbild der Nacht, folgt Judith ihnen durch die siebte Tür, die sich hinter ihr schließt. Zurück bleibt Blaubart in ewiger Finsternis. Monika Lichtenfeld 5 Inhaltsangabe »Herzog Blaubarts Burg« MUSIKALISCHE BILDER, ERFÜLLT VON »INNERSTER GEFÜHLSWAHRHEIT« Zu Béla Bartóks Operneinakter Herzog Blaubarts Burg Susanne Schmerda Im Jahr 1911 komponierte Entstehungszeit Béla Bartók in Budapest Februar bis September 1911 Uraufführung sein modernes Seelendrama Herzog Blaubarts 24. Mai 1918 am Königlichen Burg, eine singuläre Melange aus Volksmärchen, Opernhaus in Budapest Expressionismus und artifiziellem französischem Lebensdaten des Komponisten Symbolismus. In ihm werden die Beziehungs-Ab- 25. März 1881 in Nagyszent- gründe zwischen Mann und Frau mit schillernden miklós (damals Ungarn, Orchesterfarben und einfachem Sprechgesang der heute Sânnicolau Mare, Rumänien) – 26. September zwei Protagonisten suggestiv ausgeleuchtet. Judith, 1945 in New York die vierte Frau des in sich gekehrten Herzogs, will an dessen früherem Leben teilhaben und vom Schicksal seiner einstigen Geliebten erfahren. Aus Liebe zu Blaubart hat sie ihre Heimat, ihre Eltern und ihren Verlobten verlassen und ist allen War- nungen Blaubarts zum Trotz entschlossen, bei ihm zu bleiben. Sie folgt ihm auf seine gotische fenster- lose Burg, deren Kälte, Düsternis und Feuchtigkeit sie all ihre Liebe entgegensetzen und in Wärme, Licht und Leben verwandeln möchte. Mit ihrem Wunsch, alles über ihren Geliebten zu erfahren und in die Geheimnisse seiner Seele zu dringen, wider- setzt sie sich seinem Gebot, zu schweigen und blind zu gehorchen. Fünf verschlossene Türen hat Judith bereits geöffnet in Blaubarts Burg, die Abbild seiner Selbst ist, als sie mit zwanghafter Neugier darauf drängt, noch tiefer in die Vergangenheit ihres Geliebten einzutauchen. Sie bittet Blaubart, auch die letzten beiden Türen zu öffnen. Als der Herzog ihr die Schlüssel verweigert, beruft sich Judith auf ihre Liebe, Blaubart indes kapituliert. Er erwartet eine Liebe ohne Bedingungen: »Judith, lieb’ mich, Judith, frag’ nicht«, fordert er noch un- mittelbar vor dem Öffnen der siebten Tür. 6 Béla Bartók »Herzog Blaubarts Burg« Béla Bartók (1912) Weit entfernt von einer konventionellen Operndramaturgie, wird in Bartóks knapp einstündigem Zwei-Personen-Drama letztlich nicht weniger thema- tisiert als die Utopie vom bedingungslosen Vertrauen in der Liebe. Der Hand- lungskern beruht auf einem Verbot, das der Frau vom Mann auferlegt wird und dessen Verletzung eine Strafe nach sich zieht. Im Zentrum steht dabei keine konventionelle Eifersuchtsgeschichte, sondern ein Ideendrama um den immerwährenden Geschlechterkampf zwischen Mann und Frau. Zwischen den zwei Liebenden Judith und Herzog Blaubart steht ein Frageverbot, das zu Misstrauen, Entfremdung und am Ende zum Tod führt: Die ersten fünf verschlossenen Räume symbolisieren die abweisenden Züge von Blaubarts Charakter und zugleich dessen Macht und Reichtum – Folter-, Waffen- und Schatzkammer, geheimer Garten, das weite Land –, die sechste Tür gibt einen Tränensee frei, die siebte dagegen drei bleiche gekrönte Frauen in Gestalt von Morgen, Mittag und Abend – die früheren Geliebten des Herzogs. Judith ver- fällt Blaubarts Bann und muss dem Schicksal seiner anderen Frauen in Ge- stalt der Nacht folgen, die letzte Tür schließt sich hinter ihr, und die Burg verfällt wieder in Dunkelheit. Alle Handlungselemente der Oper sind als Sym- 7 Béla Bartók »Herzog Blaubarts Burg« Die Darsteller der Uraufführung, Olga Haselbeck und Oszkár Kálmán, mit Oberregisseur Dezső Zádor und Belá Bartók bole zu verstehen, Judith und Blaubart als archetypische Repräsentanten von Mann und Frau, die abweisende düstere Burg mit ihren verschlossenen Türen als Abbild der unzugänglichen Psyche Blaubarts. Dabei geht die Handlung zurück auf einen französischen Märchenstoff, den Charles Perrault 1697 in seiner berühmten Sammlung Contes de ma mère l’Oye veröffentlicht hat: Ein Chevalier tötet nacheinander seine sechs Frauen, weil sie sein Verbot missachtet und die Folterkammer betreten haben. Bartók je- doch orientierte sich weniger an dieser grausamen mittelalterlichen Sage als vielmehr an Maurice Maeterlincks symbolischer, zeittypischer Psycholo- gisierung des Sujets (Ariane et Barbe-Bleue), indem er der äußeren Hand- lung innere Seelenvorgänge entgegenstellte. Judiths gleichnishafte Erkundung von Blaubarts Burg und ihrer sieben ver- schlossenen Räume wird zu einer Konfrontation mit dem Lebenskampf des geliebten Mannes. Für jede geöffnete Tür entwirft Bartók ebenso viele musi- 8 Béla Bartók »Herzog Blaubarts Burg« kalische Bilder, »die nicht äußerlich beschreibend, sondern alle von einer innersten Gefühlswahrheit erfüllt sind«, so der Komponistenkollege Zoltán Kodály. Sämtliche Besitztümer Blaubarts aber sind mit Blut befleckt, auf das musikalisch ein Einheit stiftendes Motiv aus einer Sekund-Dissonanz ver- weist. Es durchzieht leitmotivisch in vielfältigen Varianten Bartóks konzen- trierte Musik, wobei es meist in den Bläsern erscheint und deutlich aus dem Orchesterklang hervorsticht. Nach einem gesprochenen Prolog folgt die musikalische Dramaturgie der Oper einem gewaltigen Spannungsbogen, der sich über das Öffnen der sieben Türen wölbt. Danach thematisiert ein Epilog die endgültige Entfremdung des Paares, und das Werk endet, wie es begonnen hat: Blaubarts Burg fällt wieder ins Dunkel zurück. Auch die tonale Anlage entspricht mit Tonzen- tren für die sieben Türen bzw. Handlungsstationen der bogenförmigen Kon- zeption und spiegelt damit die seelische Entwicklung des Paares von Fin- sternis zu strahlender Helligkeit und wieder zurück zur Finsternis: Die Tonarten wandern vom nächtlichen fis-Moll des Beginns aufwärts bis zur Licht- und Sonnentonart C-Dur (fünfte Tür, Das weite Land), um im rück- läufigen Prozess wieder die fis-Moll-Ebene des Beginns zu erreichen. Eine minutiös vorgeschriebene Lichtfarbenregie bis hinein in feinste Schattie- rungen von Dunkelheit und Helligkeit begleitet diesen Tonalitätsplan und damit die Stimmungsschwankungen der Protagonisten auf ihrem
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